Antwort auf: The Rolling Stones 2017

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mick67

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Just my two cents zum Gig am 25.10.2017. (Sorry, ist ein wenig ausufernd geworden, aber ich habe gerade Zeit.)

Es war mal wieder großartig! Ich hatte mir dieses Mal viel Zeit für die wundervolle Metropole Paris genommen und den Stones Gig zu meinem Höhepunkt definiert. Ich war seit 2007 zum ersten Mal wieder dort und war wie jedesmal geflasht von Paris. Eine großartige Metropole, die alles in den Schatten stellt, London sowieso, aber auch NYC in gewisser Weise.
Am Mittwoch Spätnachmittag, als ich in die Linie A Richtung Nanterre stieg, stellte sich dann das übliche Kribblen ein, das mich speziell vor Stones Gigs immer erfasst.
Das auf Initiative vom alten Sozialisten Mitterand entstandene Büro- und Wohnviertel der Superlative La Défense lässt einen erstmal staunen, wenn man die Metrostation verlässt. Gigantismus wohin man schaut. Die dort kürzlich erbaute U-Arena passt auf eine irgendwie wunderbare Art und Weise ins Bild.

Überall standen schwer bewaffnete Polizisten und Soldaten, nach den Pariser Terroranschlägen in der Vergangenheit absolut richtig und nachvollziehbar. Man kann sich ausmalen, was für eine PR ein Terroranschlag bei der größten R’n’R Band der Welt für die Arschgesichter der IS wäre.
Trotzdem herrschte ausgelassene Stimmung unter den Stonesfans. Der Einlass und die Kontrollen waren vorbildlich, es ging trotzdem zügig rein in die Halle. (An der französischen Effektivität bei einer derartigen Massenveranstaltung kann man sich ein Beispiel nehmen.)

Kaum drin wurde ich sofort geflasht von den vier riesigen extrem hochauflösenden Monitoren. In der Qualität habe ich das bislang so noch nicht gesehen. In dem Moment war ich schon happy zentral im Innenraum zu stehen, gar nicht sooo weit weg von der Bühne und nicht seitlich auf irgendeinem Sitzplatz.
Die Vorband „Cage The Elephant“ legte um 19:50 Uhr mit ziemlich harten Gitarrenriffs los. Die Performance war okay, die Band scheint hier ziemlich beliebt zu sein. Der Sänger war eine Mischung aus 10% Jagger und 90% Iggy Pop, sehr exaltiert. Am Schluß stand er nur noch in hautfarbener Nylonstrumpfhose (würg!) da und sang in einen Spiegel. Französisch durchgeknallt würde ich sagen. 😉

Kurz nach 21 Uhr ging’s dann endlich mit den typischen „Sympathy for the Devil“ Sambatrommeln los. Verdammt, selbst nach über 30 Stones Gigs bekomme ich immer noch heftige Gänsehaut Anfälle. Für diesen Moment könnte ich meine Großmutter verkaufen, hätte ich noch eine.
Es ging dann ziemlich zügig durch das allseits bekannte Programm, wobei ich am Anfang das Gefühl hatte, es ging etwas zu routiniert zur Sache. Man merkte ein wenig, dass die Jungs froh sind, die Tour heute zum Ende zu bringen.
Was aber nicht heißt, dass sie nicht wieder alles gaben. Der erste richtige Höhepunkt war für mich dann „She‘s so cold“, das offensichtlich den Blues Drive der beiden vorherigen Songs wunderbar übernahm.
Das Votingergebnis „She’s like a rainbow“ kam auch ganz großartig. Chuck Leavell schafft es Nicky Hopkins Pianoparts wunderbar wieder zu beleben.
Einem okayen YCAGWYW folgte der nächste Höhepunkt, der Song, auf den sich auch Nicht-Stones Fans einigen können, „Paint It Black“. Hier war die Videoanimation in schwarzweiß besonders herausragend.
„Honky Tonk Women“ ist der gewohnte Kracher, der bei den Franzosen besonders anzukommen scheint. Danach die übliche Band Introduction und Keiths Part.
Auffällig hierbei ist, daß Keith auch Mick vorstellt („and we shouldn’t forget Mick Jagger on vocals“ oder so ähnlich). Hab ich so auch noch nicht oft gehört.
Außerdem verspricht Keith unter großem Jubel, dass dies zwar der letzte Gig dieser Tour sei, aber NICHT das letzte Konzert überhaupt („that‘s for sure“). Ich richte mich auf UK 2018 ein.

Keith trägt „Happy“ und das nicht minder großartige „Slippin‘ Away“ routiniert aber gut vor. Keine Aussetzer wie z.B. 2007 noch, zumindest bei den beiden Songs.
Als ungeschlagener Weltmeister der R‘n‘R Intros hat er diesmal bei mehreren Songs Schwierigkeiten, das Anfangsriff halbwegs sauber zu spielen. So bereiten ihm „It’s only R‘n‘R“, „Brown Sugar“ und „Start me up“ offenhörbar beim Intro Schwierigkeiten. Rollt der Songs erstmal, ist Keith der gewohnt präzise Riffmeister, der immer noch höllisch Spaß hat. Aber die Highlights auf der Gitarre setzt inzwischen überwiegend Ronny. Sorry Keith!
Der absolute Höhepunkt ist dieses Mal eindeutig „Midnight Rambler“ mit einem „Schlagzeugsolo“ von Charlie..Dieser Track hat sich für mich von Tournee zu Tournee immer weiter entwickelt und fand seinen Höhepunkt in der U-Arena.
Jede Phase des Ramblers schien diesmal besonders ausgekostet zu werden. Lustige Begebenheit zwischendurch: Mick merkte, dass er anfing die falsche Harp zu spielen und wechselte fast unbemerkt mit breitem Grinsen das Gerät. Sein Harmonikaspiel ist unerreicht und auch hier wieder einfach genial.
Überhaupt, Mick: ihm kann man nur ein großes WOW hinterherrufen. Der Mann ist inzwischen ein Weltnaturereignis und sollte von der UNESCO als solches in die Liste aufgenommen werden. Der Mann ist 74 und steckt jeden anderen Frontman dieser Welt locker in die Tasche. Er tanzt, singt und performt mit einem überspringenden Enthusiasmus, der seinesgleichen sucht. Der Spaß an seiner Berufung ist ihm jederzeit anzumerken. Einmal greift er sich einen Drumstick, um breit grinsend hinter Charlie stehend bei „Street Fighting Man“ auf’s Becken zu schlagen. Ein neues Showelement offensichtlich.
Die folgenden Songs entsprechen dem hohen Stones Livestandard und bieten einem routinierten Stones Konzertgänger nichts neues mehr. Warum auch?
Die staunenden oder zu den Rhythmen von JJF oder „Brown Sugar“ wild tanzenden jungen Franzosen um mich herum sind Beweis genug, daß die Stones alles richtig machen.
Die Zugaben „Gimme Shelter“ und „(I can’t get no) Satisfacion“ beschließen wieder mal einen großartigen Gig.
Noch was zu den neuen der Stones Band: Sasha Allen macht ihren Part sehr gut, auch bei „Gimme Shelter“ ist ihr nichts vorzuwerfen, aber Lisa Fischer hatte doch mehr Bühnenpräsenz. Allerdings passt Sasha mit ihrer Körpergröße besser zu Mick. Vielleicht war auch das ein Kriterium. 😉
Karl Denson als Bobby Keys Nachfolger (ich sag bewusst nicht Ersatz) macht seine Sache großartig. Besonders dem „Brown Sugar“ Saxophon Solo gibt er eine andere Richtung als selig Bobby, die ich nicht übel finde.
Nach dem Gig gönnte ich mir draußen bei einer der geschäftstüchtigen Bars noch ein Bier, schmiss mir eine Portion Pommes rein und fachsimpelte mit ein paar Franzosen über das gerade erlebte.
Um 0:30 Uhr stieg ich dann glücklich und zufrieden in die Metro und fiel gegen 1:30 Uhr in mein Hotelbett, wissend, dass dies nicht mein letztes Stones Konzert war.
See you in England, lads!

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