Startseite › Foren › Über Bands, Solokünstler und Genres › Eine Frage des Stils › Blue Note – das Jazzforum › Chet Baker › Antwort auf: Chet Baker
gypsy-tail-windDas ist halt die Phase, in der er für Pacific Jazz aufnahm … das sind aber meines Erachtens neben dem Spätwerk seine besten Sachen. Pacific bzw. Dick Bock gab sie Mühe, Baker nicht nur im Quartett (mit dem es noch drei Live-Alben gab, und 1956 eine LP-lange Reunion mit Freeman) aufzunehmen sondern eben auch im Sextett, mit Ensembles und der Big Band, mit Bobby Timmons … und auch im Trio mit Gitarre/Bass („Embraceable You“, erschien damals nicht, könnte was für Dich sein). Die Frage ist vielleicht halt die: was ist denn „typisch Chet“? Ich habe darauf keine spontane Antwort bzw. ich frage mich eher, ob es das überhaupt gibt, „typisch Chet“. Da scheint sich recht oft das Image vor die Musik selbst zu schieben, und wenn die Coolness, die coole Trägheit (ist Lana Del Rey der heutige Chet? sicher eher als Till Brönner) der Bilder dann in der Musik keine Entsprechung findet, ist das diese dann nicht mehr typisch?
Lustigerweise fragte mich ein alter Bekannter gerade auch nach meiner Meinung zu Chet, aber ich kam noch nicht dazu, zu antworten … sie ist ja zwiespältig, obwohl ich vieles enorm schätze aber ihn selbst an sich sowas von nicht mag – aber was bilde ich mir überhaupt ein „ihn selbst“ beurteilen zu können, und ist „er selbst“ denn nicht wiederum überlagert von Bildern, wie dem Film, den Ihr hier ja alle tausendmal toller findet als ich? Keine Ahnung, so richtig klar bin ich mir in Sachen Chet ja selber nicht, aber zu seiner Musik – diesen frühen Pacific Jazz-Aufnahmen, den Riverside-Alben, dem Spätwerk – kehre ich dennoch immer wieder zurück.
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Ich denke, ich weiß, wovon Du sprichst, kann Dir aber wohl nicht erschöpfend antworten. Typisch Chet? Viellecht ist es für mich das, womit er sich in seinem Ton von andere Trompetern unterscheidet und unverwechselbar macht. Dieser one-in-a-million ansatzlose, vibratolose, understatete, zarte und melancholische Klang, den er auch in seiner Singstimme hatte. Dieser schmuhfe Ton. Klar, das ist nicht der ganze Chet – gerade auch in den frühen Aufnahmen hört man das. Aber da klingt er in meine Ohren auch nicht unverkennbar. Was nicht heißen soll, dass das nicht gut ist. Aber lass uns bitte keine Grundsatzdiskussion anfangen.
Ob Lana Del Rey eher der (die?) neue Chet ist als Till Brönner? Ich bekenne, dass ich weder die eine noch den anderen gut kenne, vermute aber dass alle beide meilenweit von Chet Baker entfernt sind, nur in jeweils anderer Richtung.
Edit: Ein großer Künstler, aber ein mieser Charakter: Chet Baker wäre nicht der erste und einzige, über denn man das sagen könnte. Und selbst als Künstler war er ambivalent. Was ihn dann wiederum auch interessant macht. Auch darüber hatten wir schon gesprochen, oder?
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)