Antwort auf: Pharoah Sanders

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vorgarten

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pharoah sanders an der westküste, live und im studio:

7.9./9.9.1973: auftritte im legendären l.a. blues club „ash grove“ (der im gleichen jahr nach anschlägen von exilkubanern schließt), aus dem material wird ELEVATION montiert (plus einem kurzen stück, das am 13. im studio entsteht)

11.9.1973: auftritt im keystone korner in san francisco (ein mitschnitt zirkuliert)

13.9.1973: session, auf der „greeting to saud (brother mccoy tyner)“ eingespielt wird

14.9.1973: session in wally heiders studio in san francisco, bei der der rest von VILLAGE OF THE PHAROAHS eingespielt wird.

ELEVATION ist ein ziemlich aufregender flickenteppich. die beiden langen stücke „elevation“ und „the gathering“ sind ausufernde improvisationen über catchy themen, die man nach einmaligem hören noch tagelang im kopf hat. sanders‘ ton ist nochmal gravitätischer geworden, von großer melancholie auch. bonner kriegt zwischendurch oft einen anfall und spielt cluster-free-jazz wie bestellt, bevor endlich der themen-vamp wiederkommen darf, den der neue bassist calvin hill fest im griff hat. der neue drummer michael carvin sucht noch seinen platz in der band, die aufnahme an sich ist irgendwie verunglückt und hat eine falsche räumlichkeit, die sowieso alles phasenweise zu brei macht. dann gibt es wieder einen afrika-seligen gassenhauer, ein indisches drone-stück (sanders‘ frau spielt das harmonium, das irre resonanzen mit einer tambura erzeugt) und eine schöne, drangeklebte meditation über ein paar klavierakkorde, die besagte tyner-hommage aus dem studio. „the gathering“ ist allerdings eins der schönste stücke bisher in der sanders-diskografie, das völlig aufreizend zwischen fröhlichkeit, melancholie und exzess hängen bleibt.

der keystone-korner-auftritt mit bonner, hill und drei drummer/percussionisten (hopps, killian und carvin) präsentiert außerdem eine sängerin namens sedatrius brown, die in einigen aufnahmen, die ich von ihr gefunden habe, auch orgel spielt.

bei den studioaufnahmen ist brown auch dabei, neben bonner, hill, killian und hopps tauchen noch kenneth nash (perc) und jemand namens „kylo kylo“ an der tambura auf. die „village-of-the-pharoahs“-suite fängt mit einem modalen brachialstück auf den akkorden von coltranes OLÉ an, das ich einschließlich sanders‘ sopransax-solo ziemlich einfallslos finde, abgesehen davon, dass noch eine tambura mitspielt, die teil 2 dann so richtig dominiert. indischer flamenco. im abschließenden teil 3 kommen dann männerstimmen zum gesumme und gejohle von brown dazu. ausfasern tut das ganze in einer merkwürdigen percussion-etüde mit gehauchten abschiedsgrüßen. insgesamt kein opus magnum.

im knapp 2-minutigen „myth“ geht es ähnlich weiter, wobei der gesang jetzt kulturell unbestimmt irgendwas zwischen indien, native america und marokko anspielt. für abwechslung auf dem album sorgen nun die bereits 1 bzw. 2 jahre alten stücke „mansion worlds“ und „memories of lee morgan“, bevor der rausschmeißer „went like it came“ wohl ein klassischer blues-shuffle und audience pleaser sein soll. VILLAGE ist ein restealbum, orientierungs- und auch etwas belanglos, hiernach ging es für sanders auf impulse nicht mehr weiter.

1974 kam dann noch LOVE IS EVERYWHERE auf, das wahrscheinlich auf früheren sessions aufgenommen wurde.

unbekanntes aufnahmedatum, 1973 (?)
die langversion von „love is everywhere“ und „to john“. angeblich soll das wieder die band bonner, branch, mcbee, connors, killian, mtume und badal roy sein, aber branch und roy sind nicht zu hören. in „to john“ sind dagegen zwei bässe dabei, außerdem eine trompete und ein weiteres tenorsax – also ist das wohl die BLACK-UNITY-besetzung und die aufnahme damit von 1971. auf dem albumcover fehlen die credits gänzlich.

„love is everywhere“ wird nach dem auslaufen des themas nach 5 minuten von bonner nochmal neu aufgebaut, mit langsamem wiedereinstieg der gesamten band. in halbem tempo ändert das stück deutlich seinen charakter und wird zu einer sanft wogenden hymne, die durch die einfallsreiche rhythmusgruppe niemals langweilig wird.

„to john“ hat den standardisierten sanders-hymnen-anfang und geht dann ziemlich schnell in eine wilde freie kollektivimprovisation über. die bläser und bonner sind phasenweise merkwürdig verhallt aufgenommen, man wollte das wohl als space-musik konfektionieren. das ist alles hübsch und ziemlich dringlich gespielt, reines playing ohne thema, mit klassischer solo-abfolge. der sanders‘-hymnen-einstieg kommt am ende einfach nochmal.

so schön das für sich ist – was ist das für eine merkwürdige veröffentlichungspolitik? hat man sanders irgendwann schnell rausgekickt, restmaterial rausgehauen und keine sorgfalt mehr auf die ausstattung gelegt? von ed michel hätte ich eigentlich besseres erwartet. und das hieß wohlauch, dass sich sanders‘ musik 1973 nicht mehr verkaufte.

interessant jedenfalls war 1973 noch dieser gast-auftritt:

für das perception-label, das kurz nach der aufnahme konkurs anmeldete und dieses album sterben ließ, bevor es in die zirkulation graten konnte, ist impulse-exklusiv-noch-star sanders ein als „mystery guest“ aufgeführter prominent beteiligter musiker in einer illustren runde u.a. aus james „blood“ ulmer, juini booth, don pate, cedric lawson und jumma santos, in einem wild geremixten jazzrock-reigen, der mittlerweile wohl hinreichend als meisterwerk rehabilitiert ist. schon im afro-jazz-einstieg „sunshine fly away“ liefern sich young und sanders wilde jagden durch das groove-set, das sich wohl am ehesten mit den miles-bands dieser zeit vergleichen lässt. in „khalid of space“ ist er auf dem sopransax zu hören, völlig bei sich, im tonalen material bleibend, seine mit schönheit aufgeladenen einfache linien durch den groove schickend, um den es hier eigentlich geht. youngs irre orgelsounds bleiben in ihrer rohheit und schärfe die hauptattraktion hier, aber das ganze gebräu ist in seiner hipness unvergleichlich. im tollen closer „hello your quietness“, in dem sich mehr und mehr ein sanfter latin groove durchsetzt, darf sanders seinen tenor-ton noch mal schweben lassen und tatsächlich setzt er den letzten schönen ton.

danach wird es diskografisch stiller um sanders, hin und wieder sind live-aufnahmen dokumentiert. er zieht, soweit ich weiß, 1974 nach detroit, es folgen ein paar auftritte mit leon thomas. mal sehen, was ich davon finde.

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