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waDas schon. Aber dass er sich dann nicht weiter mit Neil Young beschäftigt, verwundert mich dennoch sehr.
Das kann ich erklären: Ich war ursprünglich über meine ältere Schwester auf Neil Young gestoßen, bei der AMERICAN STARS ‚N BARS im Regal stand. Das war damals – 1977-78 – wohl das aktuelle Album von Neil Young und gehörte wie z.B. auch Bob Dylans DESIRE zur musikalischen Grundausstattung eines Späthippiemädchens. Wobei – man verzeihe mir diese auch als Sexismus auslegbare Bemerkung – sicher eher die langhaarigen männlichen Schulkameraden meiner Schwester für diese Auswahl verantwortlich zeichneten.
Mein Taschengeld war in DECADE sehr gut investiert, denn damit hatte ich ja praktisch schon drei Alben von Neil Young und ich kam damit eine Weile aus. Dazu kam noch die bereits erwähnte Live-Doppel-LP FOUR WAY STREET von CSNY. Die liefen beide bei mir in Dauerrotation. Ich habe mir dann noch Neil Youngs TIME FADES AWAY gekauft. Keine Ahnung warum gerade diese, aber Ahnung hatte ich damals sowieso nicht. Man konnte sich damals nicht so leicht informieren und das Angebot im Plattenhandel am südlichen Stadtrand von Hamburg war auch nicht immer so üppig. Ich glaube damals gefiel mir wohl das Cover. Außerdem gab es darauf keine Doppelungen mit DECADE. Alle diese Vinyl-Alben sind mir natürlich schon vor langer Zeit verloren gegangen.
Warum habe ich mich danach nicht weiter mit Neil Young beschäftigt? Ende der 70er / Anfang der 80er Jahre geschah etwas, das nicht nur ich damals als musikalische Kulturrevolution empfand. All die alten Helden der 60er und 70er galten auf einmal nichts mehr. Bob Dylan, Neil Young, The Grateful Dead, The Doors, Pink Floyd et al waren auf einmal alte Säcke. Aus der Vergangenheit wurden fast nur noch Bowie, Iggy, Roxy Music, Velvet Underground und vielleicht noch ein bisschen Krautrock akzeptiert. Alles andere wanderte auf den Müllhaufen der Geschichte, denn ab sofort regierten Punk und New Wave! Die Neuen Helden hießen Talking Heads, Joy Division, Blondie, Fehlfarben, DAF und andere, die auf dieser Linie waren. Das klingt heute albern, aber damals war das für einen Teenager von existentieller identitätsstiftender Bedeutung.
Erst Mitte/Ende der 80er, als man begann, wieder zurückzuschauen und Bands wie Hüsker Dü oder Dinosaur Jr. mit ihrem ebenso kreischenden wie melodischen Gitarrenrock sich auf Neil Young beriefen, wurde er in meinen Kreisen wieder salonfähig. Und dann habe ich mein altes abgedudeltes und verschlissenes Exemplar von DECADE durch ein neues ersetzt.
Lange Erklärung, ich weiß. Aber so war nun mal der Lauf der Dinge.
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)