Re: Wiederhören im Forum…

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dominick-birdsey
Birdcore

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Matthew Sweet ∙ Girlfriend
Zoo (1991)

„Fernbeziehungen kann man nicht Aufrecht erhalten“, sagt Kevin Arnold in der amerikanischen Serie „The Wonder Years“ zu seiner Freundin Winnie Cooper, die gerade mit ihren Eltern aus Nachbarschaft an das andere Ende der Vorstadt gezogen ist.
Und weil an dem Satz ein Fünkchen Wahrheit ist, gibt es Beziehungen, die zum Scheitern verurteilt sind. Ein Abenteuer mit einer amerikanischen Austauschschülerin ist so eine befristete Beziehung, in der das Ende bereits am Anfang abzusehen ist. Nach einer viel zu kurzen gemeinsamen Zeit, Versprechungen , Vorfreude auf ein mögliches baldiges Wiedersehen, kommt die Trennung, tägliches Telefonieren und Briefschreiben.
Trost findet man dann bei einem anderen „Girlfriend“.
Matthew Sweets Lieder sind wie ein melancholischer Spaziergang und manchmal wischt ein kurzes Grau über den Himmel. Aber eigentlich fühlt man sich beim Hören augenblicklich wohl. „Winona“ und „Evangeline“ – von solcher Art müssen Liebeserklärungen sein. „Thought I Knew You“ und „You Don’t Love Me“ handeln von Ablehnung und Missverständnissen in einer Beziehung. „I Wanted To Tell You““ besticht durch einen Anflug von Country und vielschichtigen Harmonien und handelt von der Schwierigkeit seine Liebe zum richtigen Zeitpunkt zu gestehen:
„Don’t go | don’t let my love drive you away | there is so much I have left to say“ heißt es in „Don’t Go“. Zeilen, die man am letzten Abend hatte sagen wollen. Manchmal verpasst man den richtigen Zeitpunkt.
So widersprüchlich es klingen mag, aber Sweets Band (u.a. mit Lloyd Cole, Robert Quine, Richard Lloyd, Fred Maher) steht für Romantik, Dynamik und Empfindlichkeit. Sechzigerjahre Harmonien und eingängigen Melodien mit Crazy-Horse-haften Gitarrenausbrüchen, bittersüßen Texten über Beziehungen, Verlust und Einsamkeit. Vierzehn Lieder leidet man mit dem Poeten an der Welt, bis die Katharsis des letzten Stückes „Nothing Lasts“ mit der Erkenntnis „It’s time to move on | let the past go […] nothing lasts“ das Album schließt.
Wie man Photoalben heranzieht, um sich der Vergangenheit zu erinnern (und sei sie noch so schmerzhaft gewesen), so verliert auch „Girlfriend“ nie den Reiz der Erinnerung an eine vergangene Liebe und nie den Reiz des Wiederhörens.

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