Antwort auf: blindfoldtest #23 – gypsy tail wind

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gypsy-tail-wind
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@wahr

Oh, nochmal eine Rückmeldung – wie schön, danke Dir! Es sei mir verziehen, wenn ich nicht Track für Track auf Deine Eindrücke eingehe, denn es gibt oben zu allen Stücken schon einiges aus meiner, äh, Feder, und irgendwann versiegen auch die Worte.

Aber von hinten: Produzenten – glaube nicht, aber das hängt mit der Zersplitterung des Jazz ab den Siebzigern zusammen, vermute ich. Für einen Produzenten ist Jazz in fast allen Fällen eine Leidenschaft, mit der man Geld verlochen kann (gut, der Herr Loch … der hat vielleicht durch klinische Cover und glatten Sound sogar noch eine Art Produzenten-Identität, die aber zum Gähnen ist – das war jetzt aber tatsächlich nur eine freie Assoziation, nachdem ich „verlochen“ getippt habe). Jazz ist also schon lange keine grosse Geldumsetzungs-(oder -wasch-)maschine mehr, die grosse Egos anzieht, wie sie grosse Produzenten wohl zwangsläufig mitbringen müssen … Manfred Eicher ist der einzige, der mir noch in den Sinn kommt, nicht mal ein Label wie Enja, auch nicht gerade ein Frischling, hat ein klares Profil (das US-amerikanische von Horst Weber in den Siebzigern würde ich auch nicht als Profil bezeichnen, parallel dazu wären dann Black Saint/Soul Note zu nennen, die zwei ähnlich unklar umrissene Profile hatten). Der Stolz eines Produzenten ist heute dann wohl in erster Linie im Inhalt zu suchen, nicht in der Form, im Sound, in der Corporate Identity (Intakt hat z.B. eine halbe solche, was das Design angeht, Hat hat sogar eine ganze, aber ob die beim neuen Besitzer lang überlebt, weiss man noch nicht).

Der Entwicklung kann man aber auch durchaus und viel Gutes abgewinnen, denn der Fokus liegt viel stärker auf der Musik selbst. Es gab ja schon recht früh Musiker-Labels, heute gibt es sie noch viel öfter, weil man auch mit recht bescheidenen Mitteln eine hervorragend klingende Aufnahme machen und sie auf den Markt bringen kann. Dass Produzenten in einem Ausmass in die Musik eingreifen, wie sie das in den grossen Zeiten des Jazz oft noch taten, ist heute schwer vorstellbar; man schneidet mal ein paar Solos raus, legt noch Streicher drüber, nimmt sie wieder weg, macht einen Gesangs-Overdub, findet die mit dem Rasiermesser rausgeschnittenen Teile des Bandes nicht mehr, hat am Ende drei halb verkrüppelte und keine unverfälschte Version mehr … das ist jetzt überzeichnet und gerade ein Macero ging ja viel professioneller vor – er hatte ja, das zeichnete ihn aus, die Sensibilität des (ehemaligen) Musikers im Angebot, nicht nur jene des Fans, seine Vorgehensweise bei Miles Davis hatte ja durchaus etwas von der Arbeit eines Komponisten.

Aber klar: ECM hat diese Identität, mit dem fast guruhaften Boss, dem Design, dem Klang … aber ECM ist für Jazzverhältnisse auch längst ein Major, spontan kommt mir kein ähnlich gewichtiger Player in den Sinn.

Nur noch ein Wort zu #12 – mich berührt gerade die Trompete hier sehr. Aber Kaja Draksler habe ich erst kürzlich so richtig entdekct und sie mit einem weiteren Track aus dem Solo-Album (#2) ans Ende des Bonusteils gepackt (ca. die letzten fünf Minuten von #5 dort), wenn Du das mal noch separat anhören willst, ohne Dich nochmal durch 75 vielleicht recht schwierige Minuten zu hören … wobei ich nicht überrascht wäre, wenn #1 und #5 bei Leuten, die auch abenteuerlichere Sachen aus den Gefilden des Rock hören, gar nicht so schlecht funktionieren könnten.

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