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So, die ersten 6 Tracks schon mal. Sorry, dass es so lange gedauert hat.
Track#1
Schöner Anfang mit moderner Kammermusik, die auf- und abschwillt zu einer monotonen Spannungsfigur am Klavier, das dann übernommen wird von Cello und Violine. Das Sax kommt direkt überraschend. Gefällt mir in seiner Reduziertheit, auch der Aufbau, der sich nie weit vom Grundmotiv entfernt. Eine recht strenge Komposition, die offen lässt, wie der BFT weitergeht.
Track#2
Guter Übergang mit der sich langsam steigernden, rasselnden Perkussion. So hätte der erste Track auch ein weiteres Kapitel aufschlagen können. Wieder „modern“, tolle leise Stelle jetzt, wo Ketten rascheln, es knarrt und verharrt, ein Klavier wird nervös. Es will sich entwickeln, wie ein Kind, das im Zeitraffer älter und mutiger wird. Das Kind, also das Klavier hat jetzt übernommen. Normalerweise mag ich schnellere, relativ freie Klavierfiguren nicht so gerne, aber hier finde ich es gut. Das Rascheln kommt wieder. Das Klavier kommt zur Ruhe. War ein schöner, ein anstrengender Tag. Der Track wird verdient schlafen können.
Track#3
Mehr Richtung klassischem Jazz von der Instrumentierung her. Ein Bassmotiv ruht in sich und treibt doch an. Drums unterstützen, sie sind eigentlich gar nicht so weit vom Rascheln vorher entfernt, aber sanfter, unmetallischer, aber nicht gefällig. Toll bis jetzt. Das Sax kommt hinzu, und meine ersten Gefälligkeitsbefürchtungen werden dann aber gut enttäuscht. Das Sax entwickelt sich sehr gesprächig und erzählt mir eine Geschichte, addiert freiere Details, bleibt im Strom. Das ist wirklich klasse.
Track#4
Dezentes Gewaber im Hintergrund, Gefühlssax oben drüber. Und dann kommt ein gekonnter, weil überraschender Stilbruch mit dieser Retro-Orgel, dabei klingt die Produktion doch eher nach neuerer Produktion. Das Sax ist mir aber zu schnuffig, ich will mehr von der dezent verirrten Orgel hören! Ein bisschen wie Blue Note kurz vor der Drogengabe. Und dann ab 3:23 werden tatsächlich die Drogen übergeben, nämlich an den Orgelspieler. Der darf sich toll in höheren Höhen austoben, ohne jetzt irgendwelche Fähigkeiten auszustellen oder Schnörkel einzubauen. Er kann’s halt und muss es nicht beweisen. Wundervoll zerschneidet er den Track wie einen Scherenschnitt. Dann übernimmt der Rest wieder, es wird wieder die hauptmelodie gespielt, die ich irgendwo her kenne. Die Orgel war der Überraschungsgast.
Track#5
Ein längeres Teil, beginnt mit einem Bass-Solo in den ersten 1,5 min. Langsamer Anfang, aber mit Perkussion und Klavier lädt es sich dann auf. Toller Klaviersound. Kommt ein bisschen ran an meinen liebsten Klaviersound, nämlich den auf Velosos „Julia/Moreno“, wiewohl das hier natürlich was ganz anderes ist. Freiere Areale, wieder „modern“, finde ich super, wie alle Tempo aufnehmen, das Klavier Richtungen andeutet, wegnimmt, Abruptheiten einflicht. Das muss live auch toll gewesen sein, dem Track zu folgen, besonders dem Klavier, das hier den Ton angibt, aber auch immer ein Gefühl für die anderen hat. Vielleicht ist es meine Veloso-Assoziation, aber ich vermute Lateinamerikanisches, auch wenn ich ansonsten keinerlei Anhaltspunkte nennen kann. Gefällt mir ausnehmend gut. Bis jetzt ein toller BFT, erfrischend modern insgesamt.
Track#6
Sehr freies Klavier, schnelles Spiel, aber mir riecht das etwas zu sehr nach technischem Showmanship. Beeindruckend, ohne bei mir weiteren Eindruck zu hinterlassen. Ich hätte mir eine weitere instrumentale Stimme gewünscht, mit dem das Klavier korrespondieren könnte.