Antwort auf: blindfoldtest #23 – gypsy tail wind

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gypsy-tail-wind
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demon
Sorry, dass ich so spät dran bin! Das Folgende wie immer frisch von der Leber weg und ohne dass ich vorher hier gespickt hätte:

Also, nochmal in Ruhe und etwas ausführlicher … und nochmal Danke fürs Anhören, auch wenn manches verschwendete Zeit war (das gehört zum BFT auch mit dazu, wenigstens als potentielles Risiko).

demon
#1
Ist das Jazz? Und wenn ja: warum?
Am Anfang wird erst mal mit den Gefühlen des Zuhörers gespielt. Die Nummer ist seltsam, aber in sich logisch und konsistent und für mich nicht schwierig anzuhören. Einmal Hören reicht mir dann aber auch.

Ist das Jazz? Keine Ahnung … spielt es eine Rolle? Nein, gewiss nicht :-)
Wie ich oben schon erwähnte, wurden einige Gedanken darauf verwendet, die 13 Tracks in eine Reihenfolge zu bringen, Intro und Outro sind eher nur Schnipsel, die mir passend schienen, um herein- bzw. herauszuführen (Progger machen so gesehen auch Jazz- oder Klassik-Intros, nicht? ;-) )

demon
#2
Ist das auch Jazz? Und wenn ja: warum?
Auf alle Fälle ist es ganz schön abgefahren! Abar nicht wirr, sondern ebanfalls irgendwie konsistent. Wenn ich versuche, es irgendwie in meine Hör-Erfahrungen einzuordnen, dann landet dort beim ersten Versuch nicht weit weg von den Synthesizer-Exzessen von Keith Emerson: Wohlorganisiertes Geräusch, unterbrochen von Musik. Ach ja: Es passte bestens als Fortsetzung von #1!

Eben, die Fortsetzung passte doch ganz gut … die Erweiterung der Klangpalette der Instrumente ist ja nicht unbedingt an Stile geknöpft, aber im Jazz hat sowas seit den Sechzigern längst Tradition, man nutzt mal die Ellbogen, man präpariert das Klavier, man spielt in seinem Innern etc. Was mir hier aber enorm gefällt, ist wie aus diesem Geräuschhaften plötzlich eine Melodie purzelt, ein Rhythmus, eine Harmonie, wie das alles zustande kommt – in einer gekonnten Beiläufigkeit und ohne sich mit der völligen Freiheit des Restes zu beissen.

demon
#3
Ok, das klingt wie Jazz! Schöner Sound, aber ich hätte spontan keine Lust, das nochmal zu hören.

Warum denn nicht? Ich schrieb das oben ja bereits: für mich steht das hier in der Linie von Mingus, es bleibt in der Form, ist melodiös, solide, aber atmet doch eine Offenheit, die mir sehr gut gefällt. Dass das Altsaxophon keine völlig eigenständige und uwmerfende Stimme ist, ist wohl der Fall, aber mir gefällt das Stück bzw. die Gruppe doch ganz gut – ich schrieb oben auch schon mehr dazu, wie schwierig es bei aktuellen Sachen ist, etwas auszuwählen und die Live und Radio (Konzerte im Radio gehört) Erlebnisse mit den Tonträgern in Übereinstimmung zu bringen und hier etwas vorzustellen …

demon
#4
Hach… wie schön! Musik wie ein weiches Kissen! Und so eine Orgel gefällt mir. Allerdings finde das Saxofon(?) bei seinem Solo für diese Nummer bischen zu aufdringlich, fast hätte ich geschrieben: quietschig. Auch der Organist hätte bei seinem (kurzen) Solo ein etwas dunkleres Register (sagt man auch bei der Hammondorgel so?) wählen können. Just my 2c, und Jammern auf hohem Niveau!

Das ist halt ein Altsaxophon, das ist eben quietschig … nein im ernst, ich kenne diese Stimme sonst eigentlich nicht (nur aus dieser Combo, glaube ich, zwei Alben), die Orgel ist in der Tat in diesem Solo ziemlich hell, vorgarten hat sie auch kritisiert (im Gegenteil zum Sax), ich finde sie auch nicht gerade phantastisch hier, aber gut schon … und wie ich auch schon sagte: das ist alte Schule, Jahrzehnte von Erfahrungen im chitlin circuit und v.a. auch ausserhalb/darüber hinaus.

demon
#5
Ein Bass, solo gespielt, kling für mich immer geil. Nur was hier am Anfang des Stückes gespielt wird, das macht mich nervös bis ratlos. Als dann das Piano einsetzt, verstärkt sich dieser Eindruck noch. Doch irgendwann fällt mir auf: Wie Piano und Bass/Drums, miteinander „spielen“, das bekommt zunehmend eine sinnvolle harmonische Struktur und einen erkennbaren, tollen Rhythmus! Am Ende wird der Hörer dann wieder auf den Boden zurückgeholt. Ich als Laie hab‘ allerdings 3 Anläufe gebraucht, um das Stück so weit würdigen zu können.

Es gibt ja sogar einen „Swing-Teil“ hier … der Anfang ist eben manchmal – auch im ganzen Bogen dieses BFTs – ein Anfang. Und so mag er sich erst erschliessen, wenn man dann den Blick auf das Ganze hat. Dass so etwas für Hörer, die mit jüngerem Jazz nicht so vertraut sind, das auch nicht aus Live-Situationen kennen (wo man ja nicht nochmal von vorn beginnen kann als Hörer), schwierig sein kann. Darüber, also was hier „jünger“ heisst, ging oben die Diskussion los … ab wann quasi solche Dinge, wie wir sie hier vornehmlich hören, möglich bzw. auch gemacht wurden … man könnte auch mit den interessanteren Sachen – also nicht der Marsalis-Orthodoxie – der 80er vertraut sein und damit dann wenig Mühe bekunden, was in #5 abläuft

demon
#6
Das ist schlicht & ergreifend nichts für mich. Daraus kann ich beim Hören weder Spaß noch intellektuelle Erbauung gewinnen.

Schade, aber da kann man wohl nicht viel machen … vielleicht liest Du mal oben meine bisherigen Kommentare und sie ermöglichen einen anderen Zugang? Weiss man ja nie.

demon
#7
Au weia, das faängt ja noch schlimmer an als #5, aber ebenso wie dort entwickelt sich aus dem anfänglichen stachligen und provozierenden Chaos dann doch Musik. Und auch hier wieder ohne melodischen Inhalt (oder jedenfalls für mich nicht erkennbar), aber harmonisch stimmig und rhythmisch mitreißend. (Hab ich jetzt wirklich das Wort „mitreißend“ geschrieben? Wow!) Meine Herrn, das pustet die Ohren ordentlich durch! Dagegen war #5 ein laues Lüftchen. Ein Sonderlob gibt’s noch für den versöhnlichen, humanen Schluss! 5 Sterne!

„Ohne melodischen Inhalt“ finde ich eine schwierige Aussage … beim Intro von #2 könnte ich damit noch was anfangen, aber hier oder bei #5 (oder auch #6) überhaupt nicht. Da ist doch der Posaunenchor, danach das Ensemble … dass man das Altsax-Solo unmelodiös findet, mag ja sein … aber gut, es dauerte etwas und dann kamen fünf Sterne, das ist doch super! Ich hörte diese Gruppe im Konzert (@vorgarten und @brandstand3000 waren auch dabei) und fand das Set super (die beiden etwas weniger, glaube ich) – auf CD ist das alles etwas schwieriger, wie so oft …

Aber um nochmal etwas Allgemeiner zu werden: Das alles ist wohl oft auch eine Frage der Vertrautheit – und dann auch der Vorlieben und des Geschmacks … und mir ist sehr wohl bewusst, dass die Zusammenstellung gerade für einen Gelegenheitsjazzhörer wie Dich (das soll keine Beleidigung sein bitte!) eine Herausforderung ist!

demon
#8
Der Kontrast zwischen der chaotischen ersten und der ruhigeren zweiten Hälfte ist mir bisschen zu wenig Inhalt für 10 Minuten Musik. 10 Minuten Lebenszeit verschwendet! Das können auch paar „schöne Momente“ in der zweiten Hälfte nicht rausreißen. Die nächste Nummer, bitte!

Der Track kommt insgesamt nicht gut weg … mir gefiel das Album beim Wiederhören, als ich die Stücke zusammenstellte, plötzlich erstaunlich gut, ohne dass ich das alles schon fassen könnte … muss es wohl bis zur Auflösung noch ein paar Male hören.

demon
#9
Geht doch! Hier wird einem wenigstens was geboten! Auch wenn das Stück für mich in weiten Teilen etwas ziellos dahinmäandert.

Auch der Track kommt nicht so gut weg, und hier hatte ich auch so halb damit gerechnet. Finde aber den Bass ziemlich toll – achte mal darauf, wenn Du den Track nochmal hören magst!

demon
#10
Hatte ich das letzte Stück „ziellos“ genannt? Das nehme ich mit Bedauern zurück; das Wort passt hier viel besser.

Hä? Das ist ein Blues, da sollte sich doch eigentlich fast jeder zurechtfinden, es ist zudem so zweifellos in der Jazztradition verankert wie #3 und #4, und da ist eine super Stimme am Tenorsaxophon – daher irritiert mich Deine Reaktion so sehr, dass ich mich frage, ob wir vom selben Track reden ;-)

demon
#11
Hübsche Fingerübung…

Tja … die Herablassung oder das Desinteresse, mit dem Solostücken begegnet wird, die nicht von einer Gitarre oder einem Klavier kommen, verwundert mich immer wieder. Jeder Bläser steht dann sofort im „Üben“- oder „Show-Off“-Verdacht, oder es ist Leerlauf. Ist das alles nru eine Frage von Konventionen, Gewohnheiten? Ein Kontrabass solo ginge besser?

demon
#12
Scheint darauf angelegt zu sein, Menschen mit wenig Hör-Erfahrung in diesem Genre einfach nur zu provozieren. Das macht mich nervös bis wütend. Gottseidank ist es jetzt aus.

Das ist schade, das ist doch völlig entspannte Musik mit einer Trompete mit einem bezaubernden Ton … aber gut, Geschmack und so, muss man nicht drüber streiten, bloss nochmal die Anregung, obige Kommentare nachzulesen und ev. nochmal ein Ohr voll zu nehmen?

demon
#13
Nach #12 eine Wohltat! Sehr stimmungsvoll, toller Sound, musikalisch sehr gehaltvoll, abwechslungsreich. Das deutet eine ganze Welt von Gefühlen an! Ein versöhnlicher Abschluss der Kompilation – D A N K E , Flurin!

:-)

Danke Dir!

(Falls irgendwo ein Satz mittendrin abbricht, bitte um Hinweis/Reklamation – der Post war seit 7:30 nebenher in Arbeit … auf Arbeit ;-) )

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