Antwort auf: blindfoldtest #23 – gypsy tail wind

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brandstand3000

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ZUVIEL KUNST, ZU WENIG MUSIK!
war meine erste banausen-reaktion.
da ich aber letzte woche auf montage in leipzig war, hatte ich in meiner freizeit wenig zu tun und habe mir alles 10 x aufmerksam bei spaziergängen durch die stadt auf dem mp3 player meines telefons angehört. jetzt zuhause höre ich den bft zum ersten mal über eine richtige anlage und muss einsehen, dass ich es mir und der musik damit etwas schwer gemacht habe. hier klingt vieles schon deutlich angenehmer. mein telefon und die billigen in-ear-kopfhörer heben die mitten hervor und sind naturgemäß etwas schwach im bass.
trotzdem war es interessant, mit dieser ziemlich ernsten musikzusammenstellung durch die sommerlichen wälder, parks und gassen leipzigs zu latschen. und, wie immer, durch häufiges hören habe ich einiges zu schätzen gelernt.
zu frei improvisierter musik muss ich noch sagen, dass ich die live immer gerne sehe, aber nie auf platte höre und ihr da kaum folgen kann/will. (in leipzig habe ich diese woche z.b. 2 konzerte mit einigen dieser Musiker besucht. hat spaß gemacht.)

so. und nach der ganzen hör-arbeit hatte ich aber immer noch nicht das gefühl, viel zur musik sagen zu können. und da ich auf der heimfahrt langeweile hatte, aber nicht auf dem telefon tippen wollte, habe ich gemogelt und schon mal vorgartens kommentare gelesen.
nach dieser länglichen präambel nun zu meinen dürren worten:

#1
minimal beginnings.
spätestens bei 1:26, wenn die streicher das 2-ton-thema übernehmen, denke ich nur noch an lalü-lala, martinshörner mit dopplereffekt. die verzahnten saxofone sind vielleicht moondog-inspiriert. bisschen wie filmmusik, bisschen Bernhard Herrmann. ich hab irgendwie eine kleinkunst-assoziation.

#2
erstes stück der abteilung „musikinstrumente gegen die betriebsanleitung gespielt“: der flügel.
wie sich aus dem schubbern auf den klaviersaiten aber ein maschineller beat entwickelt, ist richtig toll. dann zurück zum krrrch-krrch und dann ein bisschen geklingel. dann erstes geperle auf den tasten. hübsch. dann wird es sogar melodisch und auf hüpfend/stolpernde weise beschwingt. warum man dann zurück zu schubbern und klingeln muss, weiß ich nicht. die schlusstöne gedoppelt auf flügel und glockenspiel, ein bisschen wie ein signal zum sendeschluss im radio vergangener zeit.

#3
vor allem die konventionelleren stücke haben sehr auf meinem telefon gelitten. hier hat mich die offene hi-hat derartig genervt, dass ich kaum bis zur 2. hälfte durchgehalten habe, wenn der drummer endlich auf stöcke wechselt und die hi-hat etwas softer tritt. er ist auch waghalsig und etwas hyperaktiv, was gut ist, aber anstrengend.
bass und saxofon gefallen mir richtig gut und alles passt zusammen.

ziemlich viel auskomponiert (der ganze bass-teil am anfang, oder?)

so wie ich das höre, spielen sie einfach das stück, also durchgehend einen teil, die selbe abfolge, die sie variieren und aufschrauben. und dann wieder zuschrauben. schöne nummer. bin gespannt, wer die sind.

#4
liebe auf der rollschuhbahn.
die alleinunterhalter-assoziation bei orgel krieg ich nicht raus.
für mich das gefälligste stück des bft. da war ich sehr dankbar für. leider als verschnaufpause sehr früh im mix; hintenraus wird es doch anstrengend ;)
auf der anlage funktioniert das mit den basspedalen der orgel ganz gut, auf dem telefon hat mir der bass schon sehr gefehlt. ist natürlich nicht die schuld der gruppe, trotzdem hätten sie ihren bassisten nicht vor dem auftritt feuern sollen!
die melodie ist fast unerträglich schön, gerade wenn das 2. saxofon noch dazu kommt. eigenkomposition oder standard? hauptsax und orgel finde ich auf jeden fall ganz toll. geiler schmusesound! bin gespannt, wer die sind.

#5
der basser kann was. aber hier können ja alle was. bass und drums dann zusammen ganz groß!
auf dem telefon war das nun folgende piano so weit im vordergrund, dass der rest des stücks mich wieder schwer genervt hat. auf der anlage ist es besser, mir aber immer noch zu laut.
dann gehen alle auf ihre nervöse große fahrt und ich winke vom bahnsteig.

swingteil

tatsächlich. es gibt einen swingteil. ganz schön gut. aber da war ich immer schon in der inneren emigration wegen des telefon-pianos. ungerecht.
das thema mag ich leider auch nicht. oder ich mag es, wenn ich darüber nachdenke, aber nicht so sehr beim hören. weiß nicht warum. irgendwie so eine art „modernes jazz thema“, das ich nicht leiden kann.

#6
irgendwie habe ich sogar ganz allgemein probleme mit klavieren. ich mag akkorde. aber einzeltöne? von denen können mir pianisten mit ihren 10 fickrigen fingern einfach zu schnell zu viele spielen.
der hier ist fraglos super, aber strengt mich unendlich an.

#7
ahh, ein posaunenchor. vielen dank, das tat jetzt not. (ich weiß, dass das keiner ist.) das getröte vom sax mag ich auch. und wie der groove sich drunterschiebt ist auch wieder super. das rockt krautig los. mag ich. dass krch-krch von der e-gitarre auch. kann sich der flügel bitte zurückhalten? dankeschön. tolles bläserarrangement! alles komplett. alles spitze. aber nein, dass trottelige piano (dass den ganzen kladderadatsch zugegebenermaßen wahrscheinlich komponiert und chef-mäßig arrangiert hat) meldet sich bei 5:22 mit einem kleinen musikhochschul-thema. ein bisschen wie bei indie-bands, die zu viel wollen, z.b. sufjan stevens. obwohl der toll ist. und das hier ist ja auch gut. aber da fehlt friedrich der sagt: weniger ist mehr.
und das 2. verstolperte funky thema bei 7:53 gefällt mir auch schon besser. leider etwas kurz. dann wieder ein sehr schöner bläser-ausklang, der mich an das AEoC erinnert.
wie wertvoll jetzt die ganze

steigerungslogik

ist, weiß ich auch nicht, aber das macht schon spaß. falls vorgarten richtig liegt, war ich bei dem konzert ja auch. würde schon passen.

#8
zurück zur freien impro.
der anfang so, wie vielleicht siebenachtel aller freien improvisationen anfangen, dann wird aber zügig losgelegt. bisschen standard vielleicht, sag ich nach absicherung von vorgarten. sorry.
wie fand ich es selbst, auf sonnigen waldwegen an der kläranlage vorbei zwischen leipzig-gohlis und leipzig-lindenau? keine ahnung. wenig hängengeblieben. wenn die ballade kommt, finde ich’s ganz schön. gerade den bass.

wie abgesichert sie alle vier in etwas landen, das lange vorher feststand.

das weiß ich nicht. ich würde ihnen das als in der improvisation entstanden abnehmen. aber ist natürlich eine interessante frage: wenn leute oft zusammen spielen, wie frei improvisieren sie dann noch?

#9
ach, das pianola…
wieder eine art „modern jazz“, die ich nicht leiden kann. in meiner rotzig-uniformierten art denke ich da an ECM in den 80ern, was immer das heißen soll.

darüber habe ich bei diesem bft sowieso nachgedacht: das scheint ja alles relativ aktuell zu sein. aber vieles könnte so doch auch aus den 80ern stammen, oder? seit wann gibt es z.b. die heutige form frei improvisierter musik? hat jazz ein „ende der geschichte“? also wie in allen bereichen von kultur, spätestens seit den 80ern ist alles so verzweigt und differenziert, dass es nur noch variationen gibt? postmoderne? ende der ironie? etwas platt. die experten, euer einsatz bitte!

bei häufigem hören gewinne ich schon spaß an den instrumentalisten, aber mögen tu ich’s immer noch nicht.

#10
darauf ne coole ballade.

abstrakter blues

gefällt mir gut. toll zurückgelehnt, ohne lasch zu sein. bei meinen ca. 10 bft durchläufen, war ich hier aber schon so ermattet, dass ich nicht mehr viel mitgekriegt habe. mein spaziergang näherte sich dann auch wieder dem hotel, und die sonne war schon recht heiß. es lohnt sich die stücke nochmal einzeln zu hören :)

#11
ich mag auch vor allem gruppen, das zusammenspiel verschiedener instrumente. solo-sachen haben für mich oft etwas von fingerübung, bzw. schlicht üben. mit ner band find ich alles besser. also grundsätzlich.
das saxofon hier ist toll gespielt, hör ich auch gerne, mehr fällt mir bisher nicht ein.

#12
leider wieder kunst. nicht meine tasse tee. wenn ich vorgarten lese, bekomme ich eine ahnung. wenn ich mich hinein versenke, komme ich auch ein bisschen rein, aber ich versenke mich eben selten.
sehr traurig.
freue mich darauf, was du darüber schreibst.

#13
komposition und arrangement gefallen mir irgendwie nicht. filmsoundtrack passt. klingt für mich nach einem tango-film aus den 90ern. klingt nach filmförderung. das, was ich bei #1 mit kleinkunst meinte, hier in gefällig. die tangoschule muss schließen, der jugoslawische tangolehrer wird abgeschoben, alle weinen. das ist alles gemein und ungerecht.
tatsächlich erreicht mich die sehnsucht des tracks, aber irgendwie hab ich keinen bock.

BONUS-RUNDE

die boni hab ich nur 3 oder 4 x gehört. Mehrfach auf einer Bank im sogenannten „Palmengarten“, einem etwas runtergekommenen Park am Fluss, in dem hauptsächlich Trauerweiden stehen. und keine palmen. zur musik betrachtete ich gaukler (straßenpunks), die in einem trockenen bassin jonglieren übten. am folgenden tag übten studentinnen im bikini rad schlagen. da fühlte ich mich aber zu dirty-old-man, um genau hinzusehen. doof.

zuerst dachte ich auch, ach, über die längere strecke von 15 minuten kann ich mich besser auf die improvisationsreisen einlassen. war aber relativ. bin oft einfach weggedriftet.
trotzdem B#1 und B#2 gefallen mir ziemlich gut.

B#1
ein auftakt, als würde jemand aufstehen, dann gehts los. super sounds. die düsteren schläge auf die flügelsaiten. die komischen dröhn- und quitsch-sounds wahrscheinlich vom schlagzeuger der feucht über felle und becken schmiert. top-soundscape. bin voll dabei. und habe auch gerätselt, ob es nur ein pianotrio, oder vielleicht pianotrio + extrapiano oder + percussion ist. lieblingsstelle: wenn bei 3:39 die bierflasche umfällt.
dann wirds immer musikalischer. den schlagzeuger find ich super. den bassisten auch. selbst das piano! hier stimmt auch das lautstärkenverhätnis! :)

kaputten-spieluhr

ist wieder gut. das gestake mag ich auch. die will ich live sehen. freue mich auf die auflösung.

B#2
das mag ich tatsächlich auch. das leicht bescheuerte mitgesinge des gitarristen im ich-kann-micht-anders-gestus. das thema ist zwar modern, aber gefällt mir auch. das suchende transportiert sich schön. die hohen abgestoppten basstöne. das gewollt unbeholfene geklöppel und gegonge. mittagspause auf der offenen station.
wenn sie ins spielen kommen, hat es für mich was nett folkiges. auch so ein kraut-feeling. 70er NRW. das saxofon dazu, beat vom bass und gepauke auf den toms. sehr angenehm. lockeres gesteigere, die insassen kommen auf die beine, noch ein tänzchen vor den nächsten pillen. die kommen dann in form der e-gitarre. toll, wie die verhallt von hinten rein und drüber geht. ab 9:10 wirken die pillen dann. waren vielleicht doch ein bisschen überdosiert. wurst. wegdösen in flageoletts.
da lass ich mich auch einliefern.

B#3
ein flügel ist ein flügel ist ein flügel. oder zwei. ganz gute sounds, aber nicht mein ding. da spüre ich wieder die länge. zur zeit hab ich was gegen klaviere (so ein unsinn) und mag lieber saxofone.

B#4
na, da hab ich ja grade was gesagt. aber hier greift wieder meine solo-regel. wow, über die strecke geht das in richtung chinesische wasserfolter. am anfang gefällt es mir richtig gut. betörend, in der rhythmischen wiederholung und harmonischen entwicklung echt hypnotisch. ich dachte auch, ich höre hier eine frau atmen. da ich sonst keine kenne, dachte ich gleich an die verstorbene heidelbergerin, aber wenn vorgarten sie nicht erkennt, ist sie es wohl nicht :)
steigerungen und durchhaltevermögen sind absolut beeindruckend. aber auch das hab ich eher zum ende meiner spaziergänge gehört, als ich schon das gefühl bekam, einen sonnstich zu haben. da passte es perfekt.

B#5
leidet unter der programmierung. so spät im bft dachte ich, nur mehr vom selben. dann noch die enttäuschung: das ist gar nicht 21 minuten lang, nur 15 wie der rest. dann kommt noch ein hidden track. so hab ich es mir erst gestern im zug etwas genauer angehört, und eigentlich finde ich es ziemlich gut. für mich ist wieder der schlagzeuger die hauptshow, deshalb finde ich es gut, dass der rest relativ gleichmäßig durchdengelt. wieder super sound. könnte von mir aus von den selben leuten wie B#1 stammen :) ist da ein bläser dabei? das instrumente-gerate bei frei improvisierter musik ist schon lustig. soll das so klingen? oder ist nur die heizung kaputt? ist das kunst, oder kann das weg? irgendwann ruft einer noch, hey, find ich gut. war das bei diesem stück? finde die stelle grade nicht mehr. (nee, war bei B#1.) das ende ist auch super! live killt das bestimmt. spielen freie improvisateure live die hits von ihrer platte??

B#Hidden track
fühlt sich jetzt an wie eine klavierminiatur, ist aber auch 4 minuten :)
an dieser stelle gefällt mir das sehr gut. kontext ist king. toll, wie es sich vom nocturn-melancholischen zum sonnig-fröhlichen hochschraubt. durch ein paar dissonante harmonieverschiebungen mit bluenotes und beschwingteres, humoristisches spiel. toll. erinnert mich an die methode in #2.

das fazit, lieber gypsy, gefallen hat mir wenig, aber ich fands große klasse. dein bft kam jetzt vor allem so krass wegen friedrichs schmuse-bft zuvor. immer dieser kontext.
ich bin sehr gespannt, später ausführlicheres von dir zu den stücken zu lesen.
schon mal vielen dank für diesen fordernden bft. muss auch mal sein :) gerne wieder, gerne noch härter! gerne wie du willst.

zuletzt geändert von brandstand3000

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