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Anonym
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vorgarten„offiziell“ wollten sie aber eigentlich alle eine neue lebensfreude vermitteln und keinen kult mehr um die traurigkeit machen.
Ein bisschen albern, dass ich hier auftauche, denn, entschuldige, friedrich, mein inneres Zeit-Raum-Gerüst lässt gerade keine Möglichkeit zu einem BFT, ich hinke immer noch Musik von vor Jahren hinterher … Aber ich lese und da ich gerade einen lyrischen Folterbericht auf dem Tisch habe – der zweifellos keiner ist -, werfe ich als Meldung, vorgarten, ein: Paulo César Fonteles de Lima, ein Band bei Matthes & Seitz Berlin erschienen. Das alles hat nichts mit Musik zu tun – es ist die Dokumentation einer Folter. Aber eben aus dem Land, Brasilien, um das es hier geht, und da stibitze und lure ich gerade etwas um die Wendung „kult der traurigkeit“. Es scheint so fern, in Ansehung des Horrors, des reingeputschten Horrors, der Niedertracht und der Infamie und der Ergötzung am Zuschinden der Körper, der Folter, dass man überhaupt noch traurig sein könne, geschweige sie kultig zu betreiben. Es wird ein Selbsterhaltungsreflex sein und vermutlich wird auch Paulo Fonteles noch getanzt haben, danach. – Bevor sie ihn erschossen haben.
Die Volksmusik dürfte einen Hang zur Traurigkeit haben, vielleicht auch nur zur Erschöpfung, die sich umso mehr aufbäumt und -quirlt zum Tanz, aus Verzweiflung, vielleicht auch nur hinstarrend, vielleicht auch würdevolle Resignation, wie das Kertész später eingeschätzt hat. Ich habe keine Ahnung, wie es mir dabei gehen soll, weil ich von irgendwoher die dumpfe Ahnung habe, dass jedes Kollektiv die Verblödung in sich trägt. Und zugleich wär’s mir nur recht, wenn es den Menschen gut ginge und – dennoch – die Lebensfreude schon in den Pflanzen bemerkbar würde. Aber auf Pflanzen ist auch kein sonderlicher Verlass.
Mir geht also einiges durch den Kopf bei den musikalischen Dingen hier, obwohl ich sie nur schlicht politisch und real einwechseln kann, weil ich sehr unorientiert bin. Man kann wohl auch so etwas wie den Sardana-Tanz der Katalanen hinzunehmen und sich dann fragen, ob die erste „Bewältigungswelle“ nach Franco in Spanien irgend etwas taugte. Aber man kann auch ratlos sein bei der Frage, was denn da überhaupt taugen soll. Und dann fängt man doch wieder an zu leben.
Und ich frage mich also immer noch, was „inoffiziell“ besser oder möglich oder gewollt und gewünscht wäre.
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