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Gedanken zur eigenen Liste, Teil 2. Teil 1 ist dort.
13. Tim Buckley – Happy Sad
Mit „Happy Sad“ war’s eigentlch vorbei mit dem Buckley, dem man vielleicht bei Elektra zutraute, noch ein paar hübsche Singles abzuwerfen, die man aus den Vorgängeralben ohne weiteres hätte extrahieren können. Stattdessen wurden Songs gedehnt und gedehnt, bis sie zu Jazz wurden.
14. Timesbold – Ill Seen Ill Sung
Was mir bei Ill Seen Ill Sung immer spontan einfällt, ist „windschief“ und „Ofenrohr“. Ich weiß nicht genau, warum. Vielleicht liegt es an dem Dorf, vereist und kalt, auf das der bunte Hahn herunterschaut. Das verbindet sich mit der eigentümlichen Musik, die sich manchmal weigert, in die Gänge zu kommen, dann aber doch ein paar Mal die Kurve kriegt, ein paar Mal aber auch nicht, und ich weiß nicht, was ich besser finde daran. Ich höre Folk, ich höre Stromausfall, ich höre Funkloch, und ein Zusammenkommen der vielleicht gerade mal sechs Dorfbewohner, die dann, befreit von stromabhängigem Zivilisationssoma wie TV und Internet, sich langsam und erst noch schläfrig aus der Lethargie schälen. Dass die Geschichten, die sich bei solchen Gelegenheiten erzählt werden, nicht die superoptimistischten sind, versteht sich von selbst.
15. Michael Chapman – Fully Qualified Survivor
En bisschen wie Roy Harper auf „Stormcock“ (file under ‚Die besten fünften Platten‘), was lange Folk-Epen angeht, aber eben auch härter zupackende Tracks, auf denen ein Gitarrist E-Gitarre spielt, dem sich dann David Bowie annahm. Ich hatte die Platte mal vor ein paar Jahren in den Händen, spielte sie kurz im Laden an, war aber noch nicht bereit. Bereue jeden Tag, sie nicht gekauft zu haben.
16. Chrome – Half Machine Lip Moves
Zu Chrome habe ich schon ein bisschen was geschrieben in den unendlichen Forumsweiten. Immer ging es um hässliche Musik (so wie auch Jimi Hendrix hässliche Musik machen konnte), um Sci-Fi und Horror, um Deformierung, Can, die Stooges und Neu! Ich lass es dabei.
17. Ornette Coleman – The Shape Of Jazz To Come
Hier habe ich ein bisschen geschummelt. Ich kenne das Album eigentlich gar nicht. Ich kenne nur die „Beauty Is A Rare Thing – The Complete Atlantic Recordings“-6-CD-Box, auf der die Tracks von „The Shape Of Jazz To Come“ in der Reihenfolge ihrer Entstehung enthalten sind. Ich musste mir dann die Tracks neu ordnen, um das Album hören zu können. Was hörte ich? Mehr Stimmungen als Noten. Die fröhliche Dringlichkeit von „Eventually“, das schillernde übereinandergelagerte Motiv von „Peace“, das flutschige „Chronology“ – und natürlich zu Anfang das berührende, gleichzeitig treibende „Lonely Woman“. Man kann den Aufruhr nicht mehr ganz nachvollziehen, denn Colemans Musik damals nach sich zog. Das Gefühl bleibt zwar, dass er immer irgendwie haarscharf neben den Noten spielt, aber alles fügt sich so überzeugend in sich selbst ein, dass man loslässt im Bestreben, die Musik irgendwie systematisch erfassen zu müssen. Es bleiben Stimmungen übrig. Das ist vielleicht sein großes Verdienst: Jazz aus der herkömmlichen Logik der Noten befreit zu haben und stattdessen auf die innere Logik des Gefühls zu vertrauen, auch wenn man selbst gar nicht genau weiß, was man in der nächsten Sekunde spielen wird. Ich bin allerdings im Jazz auch nicht besonders bewandert, muss ich zugeben.
18. F.S. Blumm – Ankern
Die Bewegungen auf „Ankern“ sind nie schnell oder hektisch, ganz ruhig breiten sie sich in den Raum aus, warten lange bis sie vielleicht einem anderen Ton begegnen, beispielsweise einem Klavier, einer Trompete oder einem bescheidenen Schlagwerk, ehe sie eine Antwort oder eine Möglichkeit zur Zusammenarbeit in Erwägung ziehen. Haben sich die Töne erst einmal etwas näher kennengelernt, entwickeln sie manch anregende Diskussion, in denen darauf Acht gegeben wird, nicht zu viel durcheinander zu reden.
19. Movietone – The Blossom Filled Streets
Das klingt so privat, dass ich mich kaum traue, zuzuhören, befürchtend ich würde durch mein Stören die Musik augenblicklich zum Aufhören bringen. Musik der Zwischenräume, die sich zwischen Folk, Jazz und der dritten Velvet bewegt. Ein Austausch von Ideen und Eindrücken unter Menschen, die sich kennen, weil sie vielleicht am selben Ort wohnen, sich respektieren und öffnen, weil sie das Selbstbewusstsein haben, sich nicht in den Vordergrund spielen zu müssen. Ein ruhiges System, szenisch, räumlich, offen für alle.
20. Scientist – Scientist Rids The World Of The Evil Curse Of The Vampires
Der typische metallische Klang, den Scientist in Tubby’s-Labor aus den Originalen zu stanzen verstand, vertrieb hier allerlei Schreckensgestalten. Eine weitere Folge der von Tony McDermott griffig illustrierten Serie auf Greensleeves, in der Scientist die Welt rettet (bis sich alle Bösewichte dann in der letzten Folge gegen ihn zusammentun). Schade, dass es „Wetten, dass …“ nicht mehr gibt. Ich hätte mich als Kandidat beworben mit: „Ich wette, dass ich die Dubs aus King Tubby’s Studio mit verbunden Ohren King Tubby, Scientist oder Prince Jammy zuordnen kann“.