Antwort auf: Leonard Cohen

#10010623  | PERMALINK

bullschuetz

Registriert seit: 16.12.2008

Beiträge: 2,238

bullschuetz

nail75

IrrlichtIch mag die Platte auch ziemlich gerne. Ja, wahnsinnig, überzogen, grotesk stellenweise. Aber mit ein paar wirklich herausragenden Tracks.

Welche wären das? Mir graut es zwar davor, das Album nochmals anzuhören, aber vielleicht lasse ich mich überzeugen.

Ich habe die Platte dieser Tage wieder gehört: ein faszinierend missratenes Ding! Die Stimme mit Effekten überfrachtet.

 

Zufällig bin ich in Sylvie Simmons‘ bisher recht toller Cohen-Biographie jetzt gerade bei „Death of a Ladies‘ Man“ angelangt – phantastisch schräges Zeug steht da über die Aufnahmesessions. Vor allem eine Passage aber (und in dieser Passage wiederum der Schluss) bringt frappierend genau auf den Punkt, was ich mir jüngst beim Wiederhören der Platte auch gedacht hatte:

„Offenbar hatte niemand Leonard gesagt, dass die Arbeiten abgeschlossen waren. Er ging davon aus, dass die erschöpften Parts, die er in den frühen Morgenstunden eingesungen hatte, allenfalls Rohfassungen waren, die er noch einmal würde einsingen können. Doch so war es nicht. Als Leonard sich das komplette, fertige Album zum ersten Mal anhörte, war er entsetzt. Was aus den großen Lautsprechern drang, war ein ausgebrannter Mann, ein völlig betrunkener Sänger, der über die Tonspuren irrte. Er bat Spector, noch einmal mit ihm ins Studio zu gehen, damit er den Gesang neu aufnehmen konnte, aber Spector weigerte sich. „In diesem letzten Augenblick“, sagte Leonard, „konnte Phil der Versuchung nicht widerstehen, mich fertig zu machen. Ich glaube, er erträgt es nicht, wenn andere Schatten in seiner Dunkelheit unterwegs sind.“ Der New York Times teilte Leonard mit, dass ihm an dem Album überhaupt nichts gefiel. „Die Arrangements stehen mir im Weg. Ich konnte die Bedeutung der Songs nicht rüberbringen.“

Und genau das quält mich auch so beim Hören: Wie kann man eine Stimme, die ja nicht mit extremer Dynamik, Range und Wucht glänzt, eine Stimme, bei der die Vielschichtigkeit so sehr im Detail der Phrasierung und in der Subtilität liegt, wie kann man so eine Stimme dermaßen zumüllen mit Effekten, so brutal waterboarden in überlauten, vordergründig schrillen, zum Teil vulgären, klischeesatten Arrangements?

 

--