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AutorBeiträge
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Ich bekam so mit 14, 15 Jahren Otto – Das Buch und Otto – Das zweite Buch (?) zu fassen. Gelacht und immer wieder gewälzt. Waalkes selbst fand ich da schon nur noch mäßig lustig. Klar, noch früher als Kind hatte ich natürlich die ersten beiden Filme im Kino gesehen. Mehrfach. Und irgendeine Schallplatte kursierte bei uns auch. Als ich dann vor ein paar Jahren die ersten Sachen von Gernhardt las und auch seine Zeichnungen sah, kam mir das zunächst irgendwie bekannt vor. Nachdem ich von der Verbindung zwischen Gernhardt & Co. und Waalkes erfuhr … bis dahin hatte Waalkes noch so eine Art „Held der Kindheit-Bonus“. Vorbei.
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Ich brachte meine Vergangenheit im Handgepäck mit. Ihre lagerte irgendwo im Container-Terminal. Als sie ging, benötigte ich einen Seemannssack.Highlights von Rolling-Stone.de„Helter Skelter“ entstand, als die Beatles vollkommen betrunken waren
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WerbungEine Zeitlang gab`s bei 2001 einen dicken Reprint (wer hat den eigentlich und nicht zurückgegeben) der WimS, der Welt im Spiegel, einer Doppelseite in der „PARDON“. Autoren waren F.K.Waechter,F.W. Bernstein und Gernhardt. Vollendeter Nonsens, schwer zu kopieren.
www.mjucker.ch/animalerotica
Dazu gab`s, z.B. zum „Kragenbär“, kongeniale Zeichnungen von Bernstein.--
The highway is for gamblers, better use yurr sense Contre la guerreReinoEigentlich sollte jedem, der sich mit Satire beschäftigt, die Stoßrichtung des Gernhardtschen Sonetts klar sein: nämlich nicht das Sonett, sondern die abgefuckte Sprache des Kritikers. Wenn es denn überhaupt eine Stoßrichtung gibt. In erster Linie geht es um den komischen Kontrast von Form und Sprachniveau. Wer sich allerdings in seiner Ablehnung der Sonettform bestätigt fühlt, hat echt irgendwas nicht gerafft.
Einen schönen Kontrast gibt es auch zwischen Sprache und Titel des Gedichts – der Titel spielt ja auf die Suhrkamp-Kultur der Zeit an (bei diesem Verlag sind viele „Materialien zu…“ Schriftstellern oder einzelnen Werken erschienen). Der komische Effekt des Gedichts hat mehrere Aspekte, die hier schon genannt worden sind: den Kontrast von „hoher“ Form und vulgärer Sprache (literarische Tradition vs. Szenejargon) und den Widerspruch, das Sonett in Sonettform zu verabscheuen. Diese Methoden, die hier kombiniert verwendet werden, kommen bei Gernhardt auch getrennt vor.
So wird in dem Gedicht „Frage“ ein Selbstwiderspruch zwischen Form und Aussage in Szene gesetzt:
Kann man nach zwei verlorenen Kriegen,
Nach blutigen Schlachten, schrecklichen Siegen,Nach all dem Morden, all dem Vernichten,
Kann man nach diesen Zeiten noch dichten?Die Antwort kann nur folgende sein:
Dreimal NEIN!Die Pointe wird dadurch möglich, dass die Frage scheinbar ernst daherkommt – als Leser kennt man ja die Diskussion, ob nach Auschwitz noch ein Gedicht sich schreiben lasse.
In „Spätsommertag (15.9.79)“, einem Gedicht aus der Reihe „Der Sommer in Montaio. Stimmungsgedichte“, erinnern nur die letzten Zeilen jeder Strophe an das Sprachniveau, das man gewohnt ist (von Rilke beispielsweise), wenn es um „Tod und Leben/Die Zyklen der Natur“ geht; der Rest ist wieder Jargon:
Nun ist der Wein bereits am Sichverfärben.
Die ersten Blätter lappen leicht ins Gelbe.
Die Sonne hält voll drauf. Exakt dieselbe,
die erst ihr Grünen sah, sieht nun ihr Sterben.Und dennoch wäre es echt schwach zu glauben,
den ganzen Terror könne man vergessen.
Blattmäßig läuft nichts mehr. Gebongt. Stattdessen
schwillt neues Leben, ach, zu prallen Trauben.Schließlich gibt es bei Gernhardt auch die Sonettform selbst, ganz ohne Sinn, nur zum artistischen Vergnügen (mir gefällt auch, wie hier das tote Bild vom „Wortschwall“ neu belebt wird):
Wortschwall
Erst tropft es Wort für Wort. Dann eint ein Fließen
Solch Tropfen in noch ziellos vagen Sätzen,
Die frei mäandernd durst’ge Ganglien netzen,
Aus welchen wuchernde Metaphern sprießenUnd wild erblühn. Und sich verwelkend schließen,
Nun Teil der Wortflut, wenn auch nur in Fetzen,
Das will vermengt zur Sprachbarriere hetzen,
Um sich von Satz zu Absatz zu ergießen,Bis tief ins Tal. Dort füllen Wortkaskaden
Ganz ausgewaschne, sinnentleerte Becken,
In welchen doch seit alters Dichter baden.Daß dies Bad sinnlos ist, kann die nicht schrecken:
Ein Wortschwall reicht, um die maladen Waden
Mit frischer Schreit- sprich Schreiblust zu begnaden.--
To Hell with PovertyGo1
So wird in dem Gedicht „Frage“ ein Selbstwiderspruch zwischen Form und Aussage in Szene gesetzt:Kann man nach zwei verlorenen Kriegen,
Nach blutigen Schlachten, schrecklichen Siegen,Nach all dem Morden, all dem Vernichten,
Kann man nach diesen Zeiten noch dichten?Die Antwort kann nur folgende sein:
Dreimal NEIN!Die Pointe wird dadurch möglich, dass die Frage scheinbar ernst daherkommt – als Leser kennt man ja die Diskussion, ob nach Auschwitz noch ein Gedicht sich schreiben lasse.
Möchte bescheiden fragen: welche Pointe?
Ich empfinde das als ernsthafte Stellungnahme.
Sehe zwar auch den Widerspruch, dass er trotz dieser Erkenntnis weiter dichtete – genau wie Brecht, der „Schlechte Zeiten für Lyrik“ schrieb, und somit diese Frage sogar schon vor Ausschwitz stellte, und trotzdem weiter Lyrik schrieb.--
Mit „Pointe“ meinte ich eben das Paradox, den Selbstwiderspruch, der eine komische Wirkung hat. Einer „ernsthaften Stellungnahme“ wird damit doch der Teppich unter den Füßen weggezogen. Bei näherem Hinsehen sind m.E. schon die ersten vier Zeilen verdächtig phrasenhaft (aber wenn man sie überhaupt nicht ernst nehmen könnte, wäre der komische Effekt auch dahin).
Das erwähnte Gedicht von Brecht hat einen ganz anderen Inhalt („In der gegenwärtigen Lage muss ich vom Elend der Welt reden, statt von den schönen Dingen des Lebens“) und es hat nichts Paradoxes an sich (zumal Kunst und Agitation oder politische Arbeit für Brecht stets vereinbar waren).
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To Hell with PovertyHaiksenMöchte bescheiden fragen: welche Pointe?
Ich empfinde das als ernsthafte Stellungnahme.
Sehe zwar auch den Widerspruch, dass er trotz dieser Erkenntnis weiter dichtete – genau wie Brecht, der „Schlechte Zeiten für Lyrik“ schrieb, und somit diese Frage sogar schon vor Ausschwitz stellte, und trotzdem weiter Lyrik schrieb.Natürlich ist es eine Pointe, in Reimform das Ende des Dichtens zu fordern. Wenn das ein ernsthaftes Statement wäre, hätte Gernhardt nicht gedichtet, nicht diese Zeilen, nicht sein restliches Werk.
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Noch mehr Comics für alle! Jetzt PDF herunterladen!Ich sehe ein: da hab ich mich wohl verlaufen!
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HaiksenIch sehe ein: da hab ich mich wohl verlaufen!
Gräme dich nicht, selbst Arnold Hau ging mal fehl:
[img]http://storage.imageloop.com/content/e387708a-1011-1378-b4a8-12313b0078b1/rw400x
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the pulse of the snow was the pulse of diamonds and you wear it in your hair like a constellationNein, deswegen gräme ich mich doch nicht.
Manchmal gibt es einfach unterschiedliche Ansichten,
aber in diesem Fall lag ich halt daneben.Doch wolltest du mir mit dem Verweis auf Hau sagen ich hätte mir vor dem Beitragschreiben nichts spritzen dürfen?
:roll:
Naja, fürs nächste Mal!--
Falsch interpretiert!
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Je suis Charlie Sometimes it is better to light a flamethrower than curse the darkness. T.P.ReinoNatürlich ist es eine Pointe, in Reimform das Ende des Dichtens zu fordern.
Die schönere Pointe ist noch:
„Dreimal NEIN!“--
FAVOURITESHaiksenDoch wolltest du mir mit dem Verweis auf Hau sagen ich hätte mir vor dem Beitragschreiben nichts spritzen dürfen?
Ich wollte lediglich dieses Hau-Bild im Thread unterbringen, und da mit dem „Irrweg“ der loseste Zusammenhang gegeben war, musstest du es ausbaden! Ich hätte auch noch ein anderes zum Thema „I abuse the booze to try to free the muse“, wenn du also so nett wärst?
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the pulse of the snow was the pulse of diamonds and you wear it in your hair like a constellationCarrot FlowerIch wollte lediglich dieses Hau-Bild im Thread unterbringen, und da mit dem „Irrweg“ der loseste Zusammenhang gegeben war, musstest du es ausbaden! Ich hätte auch noch ein anderes zum Thema „I abuse the booze to try to free the muse“, wenn du also so nett wärst?
Ich muß doch sehr bitten!
Von „abusing“ kann gar keine Rede sein. Höchstens mal ein Fäßchen Wein oder Scotch nach dem Aufstehen.
Und wer will schon, dass die Muse sich aus dem Staub macht? Die lassen wir mal schön im goldenen Käfig.So, Anlass genug dein Bild hochzuladen?
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Carrot FlowerArnold Hau
Das hier zum Gegenstand der Erörterung gewordene Wortkunstwerk „Frage“, das die Fragwürdigkeit des Gedichts überhaupt in gleißendes Licht rückt, stammt ja, wie zu erwähnen bisher versäumt wurde, aus dem Nachlass jenes großen, verkannten Dichters und Denkers Arnold Hau, der hier mit vollem, ja vollstem Recht eine verdiente Würdigung erfährt.
Folgende kleine Anekdote über den großen Meister erscheint mir charakteristisch:
„Der späte Hau wandelte sich immer stärker vom Künstler zum Künder. Eindringlich warnt er am Mittag des 2. November vor der nahenden Dunkelheit. Ungläubiges Gelächter schlägt ihm entgegen, doch keine sechs Stunden später ist es soweit: Die bestürzten Lacher können ihre Hand nicht mehr vor Augen sehen.“
Doch auch im letzten Jahr vor seinem rätselhaften Verschwinden schuf Hau noch bedeutende Werke wie seine lyrische Hommage an Friedrich Nietzsche. Der Herausgeber bemerkt dazu einleitend:
„Berlin 1961. Arnold Hau schließt sich immer stärker von der Welt ab. (…) Doch er zeichnet und schreibt weiter. Er liest Swedenborg und äußert sich anerkennend über Ludwig Ganghofer. Wer ihn sieht, weiß, dass er jemandem gegenübersteht, der eine Botschaft hat. Doch welche Botschaft? Das fast schroffe lyrische Portrait Nietzsches, das in dieser Zeit entsteht, scheint Hau’s Distanz zu diesem großen Verkünder zu zeigen, der einst auch seine Jugend beeinflusste. Hat er, Hau, noch tiefere und höhere Dinge zu sagen?“Hommage à Nietzsche
Ein kantiger Kopf
Augen
Die ewig flatterten
Sein Mund öffnete sich nicht leicht.
„Wer viel einst zu verkünden hat…“
Kein Plauderer
Nur selten tanzte er.
So saß er in Kehlmanns Ballhaus.
„Die Bergziegen bei Basel haben eine Art
von Stein zu Stein zu springen,
dass einem schlecht werden kann“
Sagte er gern
Und: „Die Lagerfähigkeit dieses Biers
ist unbegrenzt“
Oder: „Macht es wie die Eieruhr
zählt die heitren Stunden nur.“
Kein Drama
Kein Roman
Nur diese Sprüche.
Kaum etwas schriftlich hinterlassen.
Und doch:
Wer einmal
Sei es im Urlaub
Sei es zu Hause einen solchen Spruch gehört hat, wird ihn
so schnell nicht vergessen.(Aus: F.W. Bernstein, R. Gernhardt & F.K. Waechter – Die Wahrheit über Arnold Hau)
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To Hell with Poverty
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
Beiträge: 0
Go1 … jenes großen, verkannten Dichters und Denkers Arnold Hau, der hier mit vollem, ja vollstem Recht eine verdiente Würdigung erfährt.
Vollstoff würdigenswert, Go1, ist aber auch Dein Verdienst: mal wieder an Arnold Hau erinnert zu haben. Ein Riese!
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