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Letzten Freitag Nacht habe ich in einem äußerst charmant verkommenen Art House Kino in der Brüsseler Innenstadt meinen Film des Jahres gesehen. Ich bin euphorisiert, erschöpft und erschlagen.
Wer in letzter Zeit die LP-Kaufdokumentation in diesem Forum verfolgt hat, wird vielleicht aufgefallen sein, dass ich mir jüngst die Werke „Unknown Pleasures“, „Closer“ und „Still“ von Joy Division besorgt habe. Zuvor kannte ich nur die Kollektion „Substance“, die mir zwar sehr gut gefällt, mich aber lange nicht zur Vertiefung animiert hatte. Es fehlte wohl vor allem an einer günstigen Gelegenheit, die mit dem Erscheinen der aktuellen Remasters nun gekommen war.
Das vorher gesagte mag verdeutlichen, dass ich weder fanatischer Anhänger der Band noch Intimus der Biographie von Ian Curtis bin. Wenn ich diesen Film nun (Ende Oktober zugegebenermaßen etwas voreilig) als Jahresliebling ausweise, dann hat das folglich nichts mit voreingenommenem Fantum zu tun. Ich maße mir auch nicht an zu beurteilen, inwiefern die einzelnen Charaktere richtig und gerecht beleuchtet wurden. Das Drehbuch beruht auf den Erinnerungen von Curtis‘ Witwe Deborah. Dass der Film u.a. von ihr und Tony Wilson (Gründer des Factory Labels) co-produziert wurde und der Soundtrack von Curtis‘ ehemaligen Bandkollegen New Order stammt, zeigt jedenfalls, dass der Regisseur Corbijn das Vertrauen derer genoss, die Curtis am intensivsten erlebt haben.
Was ich sagen kann, ist dass mich der Film – ungeachtet der Themenwahl und Motivation – als Film auf mehreren Ebenen tief beeindruckt und begeistert hat.Corbijn gelingt mit seinem Regie-Debüt „Control“ etwas, das ich gerade bei Filmbiographien für besonders hervorhebenswert erachte, nämlich ein (in diesem Fall leider nur tragisch kurzes) Musikerleben anhand von Schlüsselmomenten zu erzählen, zum Glück ohne hierbei zugleich in erzählerische Hektik zu verfallen (um bloß jeden relevanten Moment abgehakt zu haben), es an Tiefe in der Figurenzeichnung vermissen zu lassen oder den Film als inkohärentes Patchwork zu gestalten. Der Inszenierung gelingt es zudem bei aller teils schockierenden Intensität – etwa bei Curtis‘ epileptischen Anfällen -, einen respektvollen Abstand zu den Protagonisten zu halten; die Charaktere werden nicht psychoanalysiert, entblößt oder seziert, Corbijn verfällt niemals einem Deutungswahn, nichts suhlt sich in pseudodokumentarischem Echtheitssurrogat. Bei aller vorherrschenden künstlerischen Strenge und Bildästhetisierung ist das Werk andererseits auch nie kalt und gefühllos. Man nimmt als Zuschauer ohne Herzensschonung an allen Ängsten, Widersprüchen und Verfehlungen von Curtis teil, ohne ihn dabei letztlich verstehen zu können oder müssen. Die Rätsel und Zauber bleiben intakt.
Auch das Geheimnis, wie es eigentlich zu der Musik, den Texten und insbesondere dem eigenständigen Klang von Joy Division kam, wie zum Sprung vom aggressiven Bunt des Punk hin zum getragenen, schwermütigen Düstersound, bleibt ungelüftet, von simplen Kausalitäten bleibt man verschont. Zu erfahren ist allenfalls, dass Curtis Jugendzimmer-Fan von David Bowie war und Punk-Konzerte besuchte. Dafür nimmt man erstaunt zur Kenntnis, Curtis‘ Lieblingsfarbe war – blau, nicht schwarz, wer hätte das gedacht.
Die Musik für die Live-Show-Sequenzen wurde von den Schauspielern in beeindruckend akkurater Weise neu eingespielt. Der Verzicht auf mit Originalaufnahmen von Joy Division unterlegte Liveszenen stellt sich, wie schon bei „Walk The Line“, als Gewinn an Glaubwürdigkeit dar. Die meist in würdiger Länge dargebotenen Songs sind durchaus bestens geeignet, dem Joy Division-Zweifler oder -Ignoranten zu neuem Interesse zu verhelfen, Vorurteile zu korrigieren, ja, Erweckungserlebnisse zu bescheren.
Die Schauspieler sind (fast) allesamt hervorragend, allen voran Sam Riley in der Hauptrolle – das Klischeelob, dass da ein absolut glaubhafter Mensch entsteht, der nicht gespielt wird, sondern „ist“, wäre hier nicht vermessen. Riley erreicht in seiner Darstellung eine Intensität, die den Zuschauer vom Anfang bis zum bittere Ende in eine emotionale Zange nimmt, so dass man tatsächlich bis zum vollständigen Verschwinden von Bild und Ton in den Sitz gedrückt verharrt und sich erst am nächsten Morgen wieder halbwegs von den Eindrücken erholt hat. Auch Samantha Morton als Curtis‘ Ehefrau ist fantastisch. Allenfalls die gewohnt knopfäugige Alexandra Maria Lara als Curtis‘ Liebschaft Annik Honore schien mir hier innerhalb eines für sie nicht passenden Umfelds zu agieren; aber ich will auch nicht unfair sein – wenn man sie aus früheren Rollen kennt, fällt es m.E. schwer, sie hier nicht als fremd zu empfinden, vielleicht auch, weil man ungewollt auf unwesentliche Details achtet („Wie wird wohl das Englisch einer rumänischstämmigen Deutschen klingen, die eine belgische Diplomatin spielt?“). Zugleich ist gerade diese Fremdheit in der Welt einer Rockband auch in der Rolle von Annik angelegt, somit mag es wiederum passen.
Corbijn erzählt in strengen, nüchternen und zugleich wundervoll poetischen Schwarz-Weiß-Aufnahmen, die immer auf Höhe der Menschen, der Straßen und Erdgeschosse bleiben, nie in den Himmel oder die Ferne schweifen. Wenn ich hier von Aufnahmen rede, dann ist das durchaus auch im Sinne von Fotographie zu verstehe, da der Film weitgehend auf ausschweifende Kameraschwenks und -fahrten verzichtet, die Personen werden gewissermaßen eingerahmt bzw. eingefangen, was ästhetisch völlig schlüssig die thematisierten Emotionen spiegelt. Nur in der letzen Einstellung bricht Corbijn mit diesem Prinzip. Auf deren atemberaubende Schönheit und zugleich niederschmetternde Traurigkeit, die Hoffnungsschimmer und Hoffnungslosigkeit in einem verblüffend schlüssigen Bild bündelt, kann ich hier nur hinweisen, möchte sie aber nicht näher beschreiben, da dies jeder Zuschauer selbst für sich entdecken sollte.
PS: Jetzt muss mir nur noch einer erklären, wie es Herbert Grönemeyer in die Thanks List vom Abspann geschafft hat.
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WerbungSonic Juice Dafür nimmt man erstaunt zur Kenntnis, dass Curtis‘ Lieblingsfarbe – blau war, nicht schwarz, wer hätte das gedacht.
ist nicht blau die Farbe der Melancholie?(…und des Wassers und Himmel) daher würds wieder passen.
wollt ihn mir auf der viennale anschauen.
hab ihn leider verpasst! (als nichtwiener kriegt man ja nix mit was grad so spielt)kennt wer den Film 24Hour Party People. da gehts ja auch um Joy Division und New Order. empfehlenswert? (wahrscheinlich schon oder)
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Sonic Juice
PS: Jetzt muss mir nur noch einer erklären, wie es Herbert Grönemeyer in die Thanks List vom Abspann geschafft hat.Hallo sonic juice, vielen Dank, sehr interessante Eindrücke. Zu Grönemeyer: soweit ich weiss hat er im Film einen Kurzauftritt. Schau mal hier:
http://www.ksta.de/html/artikel/1190968603533.shtml
Zitat: „Die größte Überraschung für das deutsche Publikum dürfte der kurze Auftritt von Herbert Grönemeyer sein, seit einigen Jahren ebenfalls Kunde des Fotografen Corbijn. Grönemeyer, mit klobiger Hornbrille kaum zu erkennen, spielt einen Arzt, der Ians Epilepsie zu behandeln versucht – mit vielen Medikamenten und bescheidenem Fachwissen.“
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When shit hit the fan, is you still a fan?fargoist nicht blau die Farbe der Melancholie?(…und des Wassers und Himmel) daher würds wieder passen.
Muss Dich enttäuschen, es ging da eher um die Farbe seines Lieblingsclubs, wenn ich mich recht erinnere.;-)
fargo
kennst den Film 24Hour Party People. da gehts ja auch um Joy Division und New Order.Leider noch nicht.
michael$chmidtHallo sonic juice, vielen Dank, sehr interessante Eindrücke. Zu Grönemeyer: soweit ich weiss hat er im Film einen Kurzauftritt.
Aha, danke!
Habe ihn ihm Film nicht erkannt.--
I like to move it, move it Ya like to (move it)Kompliment, Sonic. Macht mich sehr neugierig.
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FAVOURITESSonic JuicePS: Jetzt muss mir nur noch einer erklären, wie es Herbert Grönemeyer in die Thanks List vom Abspann geschafft hat.
Grausam übrigens das letzte Musikstück des Abspanns: eine Cover-Version von „Shadowplay“ gespielt von THE KILLERS. Ein Rausschmeißer im wahrsten Sinne des Wortes.
Ansonsten habe ich nicht viel hinzuzufügen, sondern kann die Eindrücke von Sonic Juice im wesentlichen bestätigen. Ein paar Details haben mich aber doch gestört, z.B. der Voice-Over-Einsatz samt Rezitation von Joy Division – Texten, das kam mir etwas übertrieben und überflüssig vor. Missfallen hat mir auch, dass die ominöse Wäschetrockenvorrichtung einmal kurz eingeblendet wurde (als Ian nicht in der Wohnung war) – unnötig…
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Klingt ja alles sehr positiv – ich freue mich auf den Film.
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.Ich war ja skeptisch als ich hörte, dass Corbijn eine weitere Musikerbiograhie verfilmt, aber vielleicht sollte ich ihn mir ja doch ansehen.
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If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.fargoist nicht blau die Farbe der Melancholie?(…und des Wassers und Himmel) daher würds wieder passen.
wollt ihn mir auf der viennale anschauen.
hab ihn leider verpasst! (als nichtwiener kriegt man ja nix mit was grad so spielt)kennt wer den Film 24Hour Party People. da gehts ja auch um Joy Division und New Order. empfehlenswert? (wahrscheinlich schon oder)
Wie viele Kilometer trennen dich von Wien? Zu meinen Glück ist Wiener Neustadt ja nicht besonders weit von Wien entfernt. Außerdem arbeite ich in Wien…
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Der Teufel ist ein Optimist, wenn er glaubt, dass er die Menschen schlechter machen kann. "Fackel" - Karl Kraus@sonic Juice: Danke für die ausführliche Schilderung. Wie man sich nur unschwer vorstellen kann, bin ich als Joy Division-Fan schon ganz hibbelig, den Film endlich zu sehen – und meine Gesichtsfarbe schwankt im Moment zwischen Grün und Gelb vor lauter Neid… In den Kinos in Deutschland läuft er wohl nicht vor Januar 2008 an.
Um ein paar aufgekommene Punkte abzuhaken:
In der Tat dürfte Ian Curtis‘ Lieblingsfarbe Blau gewesen sein, daher richtete er sich auch ein blau gestrichenes „Arbeitszimmer“ zum Komponieren und Dichten ein (nachzulesen in „Touching From A Distance“/“Aus der Ferne“, dem Buch von Deborah Curtis). Hierbei dürfte mutmasslich David Bowie’s Song „Sound And Vision“ Pate gestanden haben…
„24 Hour Party People“ ist in der Tat empfehlenswert. Der Film handelt allerdings primär von Tony Wilson und seinem Wohl und Wehe und dem Auf und Ab seines Factory-Labels. Joy Division und die Happy Mondays werden als die beiden Hauptacts des Labels dargestellt – und manche Anekdote dürfte wohl ein wenig geflunkert oder übertrieben sein. Ein im Film vorkommendes Zitat Wilsons sagt wohl alles: „If you have to choose between the truth and the legend – print the legend.“ Zum Abschluss dieser Szene ist Howard Devoto (ex-Buzzcocks) zu sehen, der im Film eine Nebenrolle als Putzmann gibt, und kundtut, sich an ein bestimmtes im Film gezeigtes Vorkommnis nicht erinnern zu können…
Joy Division werden bei aller Dunkelheit und Depression, die sie üblicherweise umgibt, nicht als die Düstermänner par excellence gezeigt, sondern als eine Band, die durchaus auch ihren Spass hatte. So ist zu sehen, wie Joy Division eine launige Coverversion von „Louie Louie“ spielen.
Recht unterhaltsam wird auch die Produktion der „Blue Monday“-Maxi abgehandelt und die „Hacienda“ und der Madchester-Rave-Boom kommen auch nicht zu kurz. Einen Kurzauftritt hat in „24 Hour Party People“ der ehemalige Stone Roses-Drummer als Eisenbahnschaffner.
Und Martin Hannett wird als der Sicko dargestellt, der er wohl auch tatsächlich war. Leider wurde die Szene, in der Morrissey Wilsons Auto entert und um einen Plattenvertrag fleht, aus dem Film herausgenommen – und ist lediglich in den Special Features auf der Bonus-DVD zu sehen.
Ich würde mal sagen: ****1/2 für „24 Hour Party People“--
I mean, being a robot's great - but we don't have emotions and sometimes that makes me very sadBender Rodriguez
Joy Division werden bei aller Dunkelheit und Depression, die sie üblicherweise umgibt, nicht als die Düstermänner par excellence gezeigt, sondern als eine Band, die durchaus auch ihren Spass hatte.Das ist übrigens ein Satz, der auch noch in meine Besprechung gehört hätte. Der Film ist nämlich stellenweise wirklich amüsant und heiter und zeigt Joy Division glücklicherweise nicht als mythisch verklärte Paten des Dunkelrocks.
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I like to move it, move it Ya like to (move it)Schöne Beschreibung, Sonic! Ich habe den Film auch schon vor ein paar Wochen beim Filmfest Hamburg gesehen und war auch angetan, wenngleich nicht ganz so begeistert wie du.
Sonic Juice
Corbijn gelingt mit seinem Regie-Debüt „Control“ etwas, das ich gerade bei Filmbiographien für besonders hervorhebenswert erachte, nämlich ein Musikerleben anhand von Schlüsselmomenten zu erzählen, zum Glück ohne hierbei zugleich in erzählerische Hektik zu verfallenGenau. Vor allem fallen die Zeitsprünge kaum auf, das ist alles sehr geschickt miteinander verwoben.
Bei aller vorherrschenden künstlerischen Strenge und Bildästhetisierung ist das Werk andererseits auch nie kalt und gefühllos.
Richtig, allerdings fand ich schon, dass Corbijn nicht gerade dazu beigetragen hat, Curtis sehr viel menschlicher zu machen. Die Bilder, auch natürlich durch dieses kontrastreiche schwarz/weiß, trugen doch sehr dazu bei, seinen „Ikonenstatus“ noch weiter zu untermauern, wie er da lässig mit einer Kippe die Straße runtermarschiert etc.
INteressant, was Corbijn nach dem Film betonte, dass in Curtis‘ Haus keine einziges Bild an den Wänden hing, weil er das nicht wollte, und sie auf solche feinen Details sehr geachtet haben.
Die meist in würdiger Länge dargebotenen Songs sind durchaus bestens geeignet, dem Joy Division-Zweifler oder -Ignoranten zu neuem Interesse zu verhelfen, Vorurteile zu korrigieren, ja, Erweckungserlebnisse zu bescheren.
Nun ja, von solchen Erlebnissen würde ich ganz sicher nicht sprechen. Aber immerhin weiß ich jetzt, dass sie nicht nur mit Synthies gearbeitet haben, sondern auch einen richtig rauhen Punk-Sound hatten. Die so von den Darstellern gespielten Songs haben mir schon gefallen.
Allenfalls die gewohnt knopfäugige Alexandra Maria Lara als Curtis‘ Liebschaft Annik Honore schien mir hier innerhalb eines für sie nicht passenden Umfelds zu agieren;
Das ist das Problem, wir kennen sie schon zu gut als Hitler-Sekretärin etc, ein Engländer wäre da wohl nicht so voreingenommen. Trotzdem ein deutlicher Schwachpunkt. Sie ist einfach keine gute Schauspielerin, letztendlich beherrscht sie nur zwei Gesichtsausdrücke.
Interessant fand ich, dass der Film wohl nicht zu 100% auf Debbie Curtis‘ Buch basiert, irgendwo las ich, dass Annik Honore da doch wohl sehr schlecht wegkommt, wovon im Film ja keine Rede sein kann. Allerdings hat Honore bzw. Lara die einzige fies kitschige Dialogzeile im Film. „I’m Afraid, Ian.“ Er: „What are you afraid of?“. Annik: „I’m afraid of falling in love with you.“ Passt überhaupt nicht zum Rest des Films, da hats mich richtig geschüttelt.
PS: Jetzt muss mir nur noch einer erklären, wie es Herbert Grönemeyer in die Thanks List vom Abspann geschafft hat.
War auch nicht leicht zu erkennen, der Auftritt. Ich hätte es vielleicht auch nicht erkannt, wenn Corbijn nicht vorher drauf hingewiesen hätte und von seinem „guten Freund Herbert“ sprach.
Jan, danke für die Kommentierung. War sicherlich interessant, Corbijn bei der Vorführung zu sehen.
Bitte noch abstimmen!JanPP
Nun ja, von solchen Erlebnissen würde ich ganz sicher nicht sprechen. Aber immerhin weiß ich jetzt, dass sie nicht nur mit Synthies gearbeitet haben, sondern auch einen richtig rauhen Punk-Sound hatten. Die so von den Darstellern gespielten Songs haben mir schon gefallen.
Dann könntest Du es bei weiterem Interesse mal mit „Substance“ versuchen, da sind auch die frühen, noch stark punkbeeinflussten Songs von „Warsaw“ zu hören.
JanPP
Richtig, allerdings fand ich schon, dass Corbijn nicht gerade dazu beigetragen hat, Curtis sehr viel menschlicher zu machen. Die Bilder, auch natürlich durch dieses kontrastreiche schwarz/weiß, trugen doch sehr dazu bei, seinen „Ikonenstatus“ noch weiter zu untermauern, wie er da lässig mit einer Kippe die Straße runtermarschiert etc.Nun ja, diese Einstellung, in der er mit hochgeschlagenem Kragen und Kippe die Straße herunterläuft und man dann plötzlich sieht, dass auf seinem Rücken „HATE“ gekritzelt ist, zeigt ihn ja eigentlich noch als pubertären Burschen, der sich an der Punk-Mode orientiert und seinen eigenen Weg noch finden muss, das hatte ja auch etwas komisches. Insofern habe ich das nicht als übermäßige Stilisierung empfunden. Zumal man während des gesamten Films von etwaigem Star-Rummel kaum etwas bemerkt und man gerade ab der Zeit, in der er seinen eigenen Stil gefunden hat, mit solchen plakatwürdigen Momenten jenseits der Bühne nicht mehr allzuoft konfrontiert wird.
Richtig ist sicher, dass der Film Curtis nicht durch zu viele Nähe und Erklärungswillen entschlüsselt, das halte ich aber für eine weise und würdige Entscheidung.JanPP
Interessant fand ich, dass der Film wohl nicht zu 100% auf Debbie Curtis‘ Buch basiert, irgendwo las ich, dass Annik Honore da doch wohl sehr schlecht wegkommt, wovon im Film ja keine Rede sein kann. Allerdings hat Honore bzw. Lara die einzige fies kitschige Dialogzeile im Film. „I’m Afraid, Ian.“ Er: „What are you afraid of?“. Annik: „I’m afraid of falling in love with you.“ Passt überhaupt nicht zum Rest des Films, da hats mich richtig geschüttelt.Das Buch von Deborah Curtis werde ich mir bei nächster Gelegenheit mal besorgen. Zur dortigen Darstellung von Annik kann Bender sicherlich etwas sagen.
Mit dem Kitsch hast Du sicherlich nicht unrecht, gehört nicht gerade zu den stärksten Szenen des Films.
Ich hatte mich übrigens gewundert, wie gut und unschuldig Annik wegkommt, gerade wo Debbie doch am Drehbuch mitgeschrieben hat und co-produzierte. Da frage ich mich auch, was aus Annik geworden ist, hat sie auch ein Buch geschrieben? Ob sich die beiden Lieben von Curtis wohl mal ausgesprochen haben?
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I like to move it, move it Ya like to (move it)Sonic Juice
Das Buch von Deborah Curtis werde ich mir bei nächster Gelegenheit mal besorgen. Zur dortigen Darstellung von Annik kann Bender sicherlich etwas sagen.
In der Tat ist das Buch für einen Joy Division-Fan absolut lesenswert – und eigentlich „Pflichtlektüre“. Allerdings gerät man schnell in die Versuchung, Partei zu ergreifen – und zwar eindeutig pro Deborah Curtis. Zeichnet sie doch ein deprimierendes (zwischenmenschlich geprägtes) Bild, in dem Ian, Annik Honore, Tony Wilson und das Popbiz als solches zum Ende hin einen verdammt schäbigen Anstrich erhalten. Zum anderen erscheint einem Mrs. Curtis streckenweise als extrem bürgerlich orientierter Familienmensch, der nur wenig Verständnis für die Ambitionen ihres Ehemanns aufbringt.
Also, das Buch bitte mit Vorsicht geniessen. Auf der anderen Seite erhält man einen guten Einblick in die Historie der Band und in verschiedenste, die Karriere Joy Divisions‘ begleitende, gesellschaftliche Hintergründe des England der ausgehenden Siebziger Jahre.
Besonders auffallend und bemerkenswert ist, daß man diverse Persönlichkeiten ausmachen kann, die in Mrs. Curtis‘ Sichtweise der Dinge, einen eindeutig sympathischeren Anstrich erhalten als andere. Kurz, sie wertet. So wird der eindeutig bodenständigere Peter Hook einmal als typischer Gentleman beschrieben, während man bei Bernard Sumner den Eindruck gewinnt, er wäre ein bisserl ein Luftikus…Ich möchte nur kurz eine mir als relativ wichtig erscheinende Passage aus dem Buch wiedergeben, die die Angespanntheit zwischen Ian Curtis, der Restband und der Rivalität zwischen Annik Honore und Deborah Curtis eindeutig beschreibt:
„Die anderen fühlten sich durch Anniks Anwesenheit nicht übermäßig gestört, sie hatten sich ja auf der Europatournee schon daran gewöhnt. Als es darum ging, sie in einem Hotel einzuquartieren, das gleichzeitig ein Bordell war, weigerte sie sich, mit der Begründung, es sei unmoralisch. Die anderen erwiderten, es sei viel unmoralischer einer Frau ihren Mann auszuspannen. Nach einem heftigen Wortwechsel hatte sie ihren Spitznamen „Belgischer Boiler“ mehr als verdient.“
Noch Fragen… ?
Mehr: „Aus der Ferne… – Ian Curtis und Joy Division“, Deborah Curtis, Die Gestalten Verlag Berlin, ISBN 3-931126-02-1, 1996
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I mean, being a robot's great - but we don't have emotions and sometimes that makes me very sadDanke, Bender!
Bender Rodriguez
Noch Fragen… ?Eine hätte ich noch: von Annik hat man seit dem 18. Mai 1980 nichts mehr gehört?
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I like to move it, move it Ya like to (move it) -
Schlagwörter: Joy Division
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