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Sonic Juice
Das Buch von Deborah Curtis werde ich mir bei nächster Gelegenheit mal besorgen. Zur dortigen Darstellung von Annik kann Bender sicherlich etwas sagen.
In der Tat ist das Buch für einen Joy Division-Fan absolut lesenswert – und eigentlich „Pflichtlektüre“. Allerdings gerät man schnell in die Versuchung, Partei zu ergreifen – und zwar eindeutig pro Deborah Curtis. Zeichnet sie doch ein deprimierendes (zwischenmenschlich geprägtes) Bild, in dem Ian, Annik Honore, Tony Wilson und das Popbiz als solches zum Ende hin einen verdammt schäbigen Anstrich erhalten. Zum anderen erscheint einem Mrs. Curtis streckenweise als extrem bürgerlich orientierter Familienmensch, der nur wenig Verständnis für die Ambitionen ihres Ehemanns aufbringt.
Also, das Buch bitte mit Vorsicht geniessen. Auf der anderen Seite erhält man einen guten Einblick in die Historie der Band und in verschiedenste, die Karriere Joy Divisions‘ begleitende, gesellschaftliche Hintergründe des England der ausgehenden Siebziger Jahre.
Besonders auffallend und bemerkenswert ist, daß man diverse Persönlichkeiten ausmachen kann, die in Mrs. Curtis‘ Sichtweise der Dinge, einen eindeutig sympathischeren Anstrich erhalten als andere. Kurz, sie wertet. So wird der eindeutig bodenständigere Peter Hook einmal als typischer Gentleman beschrieben, während man bei Bernard Sumner den Eindruck gewinnt, er wäre ein bisserl ein Luftikus…
Ich möchte nur kurz eine mir als relativ wichtig erscheinende Passage aus dem Buch wiedergeben, die die Angespanntheit zwischen Ian Curtis, der Restband und der Rivalität zwischen Annik Honore und Deborah Curtis eindeutig beschreibt:
„Die anderen fühlten sich durch Anniks Anwesenheit nicht übermäßig gestört, sie hatten sich ja auf der Europatournee schon daran gewöhnt. Als es darum ging, sie in einem Hotel einzuquartieren, das gleichzeitig ein Bordell war, weigerte sie sich, mit der Begründung, es sei unmoralisch. Die anderen erwiderten, es sei viel unmoralischer einer Frau ihren Mann auszuspannen. Nach einem heftigen Wortwechsel hatte sie ihren Spitznamen „Belgischer Boiler“ mehr als verdient.“
Noch Fragen… ?
Mehr: „Aus der Ferne… – Ian Curtis und Joy Division“, Deborah Curtis, Die Gestalten Verlag Berlin, ISBN 3-931126-02-1, 1996
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I mean, being a robot's great - but we don't have emotions and sometimes that makes me very sad