blindfoldtest #24 – vorgarten

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  • #10230203  | PERMALINK

    vorgarten

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    pheebeehere we are now…

    oh, wie schön, danke für deine kommentare! ich bin gerade unterwegs, in kassel, bei diesem etwas ausgedehnteren kunst-event, und komme wohl erst dienstag zum antworten. ich löse dann aber auch bald auf, bevor gypsy auf reisen geht. kommentare von @friedrich sind dann eben da (was mich freuen würde) oder nicht.

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    #10230227  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Beiträge: 67,066

    vorgarten
    ich löse dann aber auch bald auf, bevor gypsy auf reisen geht.

    Kein Stress wegen mir, ich lese auch von unterwegs mit, werde eh erst danach wieder zum Hören und – allenfalls – ausgiebigeren Antworten kommen.

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #10230411  | PERMALINK

    friedrich

    Registriert seit: 28.06.2008

    Beiträge: 4,879

    vorgartenoh, wie schön, danke für deine kommentare! ich bin gerade unterwegs, in kassel, bei diesem etwas ausgedehnteren kunst-event, und komme wohl erst dienstag zum antworten. ich löse dann aber auch bald auf, bevor gypsy auf reisen geht. kommentare von friedrich sind dann eben da (was mich freuen würde) oder nicht.

    Lieber @vorgarten, habe ich Dich je im Stich gelassen? Btw: Kannst ja dann mal eine kurze Einschätzung des Kunst-Events geben.

    Aber zur Sache:

    Track #01

    Die gute alte Zeit. Das klingt musikalisch wie aus den 20er oder 30er Jahren, New Orleans, Kansas City, Chicago oder irgendwo da auf dem Wege. Aber die Aufnahme ist jünger, sagst Du? Der Begriff „jelly roll“ hat wohl diverse Bedeutungen mit sicher auch sexuellen Anspielungen (süß, weich und lecker halt). Ich mag diesen simplen tanzenden Rhythmus, das Volkstümliche. Schöne Soli, pralles Leben. Hört man wahrscheinlich am besten in feuchtfröhlicher Gesellschaft in der Kneipe.

    Track #02

    Da höre ich aber auch gleich einen Bruch: Erst der derb zupackende Track #01 und nun so ein apartes Stück Musik, bei dem man den Kopf nachdenklich zu Seite neigen und ganz ergriffen gucken möchte. Das ist eher Konzertsaal als Kneipe. Wenn #01 tanzte, dann schwebt #02. Ich finde das ganz hübsch, ich mag die Stimme an sich, es kann mich aber nicht packen (erst recht nicht nach #02). Mit kommt das etwas textlastig vor – den Text verstehe ich aber offen gesagt nicht. Wirkt auf mich auch etwas verkopft und ambitioniert.

    Track #03

    Und ab durch den time tunnel zurück in die Vergangenheit. Der Gesang (männlich? weiblich? egal?) reißt hier alles mit. Das klingt sowas von black, kennt keinen Unterschied zwischen Religion und Sex. „Yeah, yeah, yeah ohhh“ Singt er oder sie da auch „Touch me!“? Gerne!

    Track #04

    Das ist sicher technisch-musikalisch raffinierter und virtuoser als #03, aber mit dem rollenden Linien auf dem Piano und der tighten rhythm group, den rumpelnden drumbreaks, wirkt das ähnlich berauscht-berauschend wie #03. So stelle ich mir Art Tatum vor.

    Track #05

    Das ist ein viel sublimierter als #04. Latin touch, gelassen swingend. Wo kommt denn die Harfe her? Das Vibrafon perlt sehr schön. Hier ist eigentlich jedes Solo schön, das klingt wirklich so als wird die Staffel von einem zum anderen gereicht, ohne dass der Swing abreißt. Kleines Zitat von „It Ain‘t Necessarily So“? Sehr schönes Miteinander, wirkt spontan, aber auch gut geprobt. Irgendwo zwischen Swing und Bop.

    Track #06

    Und wieder ein abrupter Stimmungswechsel. Der Pianist scheint mehr für sich selbst als fürs Publikum zu spielen und die rhythm section kann sich vor Müdigkeit kaum noch aufrecht halten. Sehr afterhours. Ich glaube, nach dem 3. oder 4. Whisky und in entsprechender Stimmung könnte mir das gefallen.

    Track #07

    „Hallo Tanzbär!“, denke ich zuerst, wenn ich die Tuba höre, aber dann kommen diese fein arrangierten Bläser und die schönen Soli. Auch das swingt wieder in einem schönen Fluss daher. Mit dem Tuba-Solo – wann hört man sowas schon mal? – schließt sich der Kreis. Klingt so wie Brass Band meets Gil Evans. Gefällt mir gut.

    Track #08

    „Get down, baby!“ Ist das Kirche, Bordell oder Tanzboden? Egal! Wahnsinnig schwerer groove, alle hängen sich richtig rein und treiben die Betriebstemperatur ihres Instrument weit über den vom Hersteller empfohlenen Höchstwert. Da hört man Blues, Gospel, Jazz und Funk gleichzeitig. Das hält der beste Motor auf die Dauer nicht aus, aber für zweieinhalb Minuten ist das das Größte!

    Track #09

    Das ist cool! Auch hier wieder ein schleppender langsamer groove, aber viel zurückgenommener. Drum & Bass gefallen mir gut. Dann wird der Pianist dramatisch. Großes Kino. Vorhang, Applaus!

    Track #10

    Das ist etwas offensichtlich Religiöses. Gospelchor mit bluesiger Jazzbegleitung. Diese Kombi gefällt mir!

    Track #11

    So, hier willst du also einen diss on mir lesen? Aber so schlimm finde ich das gar nicht ;-) Das hat ja durchaus einen groove, steigert sich auch ins Berauscht-Berauschende, in sofern kann ich das nachvollziehen und auch verstehen, wieso das hier im Mix ist. Klar, mir wird das irgendwann – ich sag mal – zu unklar strukturiert und auch in der extrem hohen Reizdichte und das fast ständige Spielen am Limit schlicht zu anstrengend – und dann gebe ich auf. Mehr als 9 Minuten? Grundgütiger! So stelle ich mir Albert Ayler vor.

    Track #12

    … hat einfach das Pech, das er direkt an Track #11 anschließt und bei mir der Kanal an Free Jazz vorläufig voll ist. Sorry! Ganz interessant ist das anscheinend völlig unvermittelte Nebeneinander zwischen Gesang und Piano und dem Rest der Instrumentierung. Ganz getragen das eine, völlig durchgeknallt das andere. Eigenartig …

    Puh, erstmal durchatmen!

    Track #13

    Das fängt nach der für mich schweren Kost von #11 und #12 sehr versöhnlich an. Eine Flöte – Balsam für Trommelfell und Seele! Wenn ich mal beiseite lasse, dass die Flöte eigentlich im Jazz sowieso nicht unbedingt die Königsdisziplin ist – das ist ein sehr schön und virtuos gespieltes Solo, sehr lebhaft, mit feinen Nuancen, hier und da ein angedeuteter Triller. Ich vermute mal, dass die Flöte das Hauptinstrument des – äh … – Flötisten ist. Kenne ihn aber nicht. Ausnahmsweise gefallen mir sogar das Bass- und das Drumsolo. Auch die beiden spielen sehr nuanciert und ideenreich. Schöne, leicht beschwingte Atmosphäre, gleichzeitig sehr virtuos.

    Track#14

    Erst mystisch-mysteriös, dann funky. Der groove packt mich sofort. Siebziger, I suppose, schon wegen der Produktion mit Streichern und Bläsern und des Sounds sowieso. Klingt auch mehr nach einer Produzentenarbeit als der eines Musikers. Huch, ist das eine Gitarre? Sowas kann sich nur ein Produzent ausdenken! Ich vermute dahinter irgendeine eigentlich kommerziell und hip gemeint Produzentenarbeit, für die man Top-Solisten geheuert hat. Und natürlich hat das Hip-Qualitäten – aber es ist auch sonst toll! Für einen Augenblick dachte ich, dahinter könnte der Chess-Clan stecken?

    Track#15

    Ist das Konzeptkunst? Ich vermute, die Qualität des trx liegt irgendwo im Verhältnis von Musik und Text (den ich leider nicht verstehe). Ich mag den Instrumentaltrack eigentlich ganz gerne, auch wenn er sich etwas cabaret-artig anhört. Das wirkt auf mich wie eine Performance mit einer Botschaft, die bei mir aber nicht so recht ankommt.

    Track#16

    Wieder was Lyrisches. Ich mag ja solch Arrangements mit sich aneinander reibenden Bläsern. Schöner Klangreichtum. Gestrichener Bass oder Cello, oder was ist das? Der trk schwebt oder wogt eher, rhythmisch was ganz anderes als die vorhergehenden trx. Wirkt auch gleich viel getragener, viel ernsthafter, fast mit einer Neigung zum Pathos. Schöne Sache!

    Track#17

    Der trk schließt sehr schön an #16 an, wird dann aber leicht funky. Ha, ich erkenne was: Da singt die Neumondtochter! Wenn man den Text googlet hat man auch gleich das Album und die Band. Mit M-Base und Steve Coleman bin ich nie warm geworden, auch wenn ich es echt versucht habe. Da denke ich immer: Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? Große Konzepte, die mit Musik aufgefüllt werden, die weniger ist, als die Summe ihrer Teile. Ich weiß, andere hören das anders. Dieses Stück ist aber vergleichsweise geradeaus gespielt und kommt daher recht gut bei mir an. Schöner Abschluss des BFT #24!

    Ich habe diesen BFT im Zusammenhang mit dem Bild der black community vor der Kirche gehört, das Du damit verbunden hast. Nach meiner Interpretation also, dass die Stücke im weitesten Sinne etwas Religöses / Spirituelles haben, was in der black music ja gleichzeitig oft etwas sehr Körperliches hat. Gott und Sex liegen da sehr nahe beieinander. Bei vielen Stücken meinte ich das hören zu können, bei anderen weniger. Und wo ich das hören konnte, gefiel mir das auch sehr gut. Bin gespannt, was Du Dir dabei gedacht hast!

    wahrEine Sache noch: Mir ist bei den letzten beiden BFTs aufgefallen, dass ich sie doch etwas zu lang fand. Mir wäre es lieber, man würde sich so ca. auf eine ¾ Stunde beschränken. Dann ist es zumindest für mich nicht so ein großer Angang, dazu was zu schreiben und schiebt es vielleicht nicht so lange vor sich her. Ist vielleicht aber auch nur mein persönliches Problem, weil ich mit LP-Längen sozialisiert wurde.

    Ich schließe mich dem Antrag von @wahr an!

    --

    „Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)
    #10230497  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
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    Registriert seit: 25.01.2010

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    Der nächste BFT für @wahr und @friedrich: „4:33“?

    Bzw. die Langfassung für @vorgarten und mich:

    B-)

    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #10231015  | PERMALINK

    friedrich

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    Beiträge: 4,879

    gypsy-tail-windDer nächste BFT für wahr und friedrich: „4:33“?
    Bzw. die Langfassung für vorgarten und mich:
    <iframe width=“500″ height=“375″ src=“https://www.youtube.com/embed/py_uEHL-la4?feature=oembed“ frameborder=“0″ allowfullscreen=““></iframe>

    Von 4:33 gibt es doch zahlreiche Versionen: in verschiedenen Instrumentierungen, mit Orchester oder solo, Studio- und Liveaufnahmen, als Death Metal-Cover, von einer human beat box, von Nola The Cat, ich habe sogar schon von 12″ Extended Mixes, Remixes und Radio-Edits gehört. Und – für Dich @gypsy-tail-wind als bekennenden Komplettisten bestimmt interessant – sicher auch Re-Issues („The Complete 4:33 Sessions“, oder so) mit bisher unveröffentlichten Aufnahmen (alternative takes, false starts …), Demoaufnahmen (die Rauschen ein bisschen) und Remasters.

    Ich wüsste also nicht, was einem BFT rund um 4:33 im Wege stehen sollte.

    ;-)

    zuletzt geändert von friedrich

    --

    „Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)
    #10231637  | PERMALINK

    vorgarten

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    pheebeehere we are now…

    vielen dank fürs mitmachen & deine schönen kommentare!

    pheebee
    #1
    Klingt sehr alt, wie Ragtime-Zeitalter. Das hat was. Ich mag die Melodie, das Trompetenspiel gemeinsam mit Posaune und das Klarinettensolo.

    schön. ist bereits aus den 1960ern, aber hat die selbstverständlichkeit von barrelhouse und new orleans quasi konserviert. die sängerin hier ist auch die bandleaderin, das zumindest ist äußerst ungewöhnlich.

    pheebee#2
    Für mich schwer zu beschreiben, was hier passiert. Tolle Stimme jedenfalls. In Anbetracht der Länge hab ich irgendwie noch auf eine Pointe gewartet, aber die kommt dann nicht. Trotzdem spannend, die Stimme mit der Harmonika kommuniziert.

    ein pointe oder dramatische entwicklung gibt es nicht, das ist ein stehendes bild. die harmonika (wohl eher eine melodika, singt sie ja auch, aber in den credits steht’s anders) wird von der sängerin gespielt.

    pheebee#3
    Battle of Jericho. Schon ein Klassiker oder ? Ich glaube, ich habe mal eine Version von Mahalia Jackson aus den 50ern gehört, die eine Halleluja-Gospel-Version daraus gemacht hatte. In jüngerer Zeit gab es auch eine Version von Hugh „Dr.House“ Laurie davon. Keine Idee allerdings, von wem dies hier ist. Ist die Gitarre da mittendrin eigentlich typisch für so eine Aufnahme ? Fast hätte ich die überhört…

    „joshua fit the battle of jericho“ ist ein spiritual, komponiert von afroamerikanern unter sklaverei-bedingungen in der ersten hälfte des 19. jahrhunderts. mahalia jackson ist hier auf jeden fall die richtige spur, wir haben es hier mit einer unmittelbaren „konkurrentin“ zu tun. die e-gitarre ist natürlich in einem derartigen musikalischen umfeld das absolute alleinstellungsmerkmal. die aufnahme hier ist allerdings auch schon aus den 1960ern, insofern war sie längst in der popmusik etabliert.

    pheebee#4
    Das wirkt auf mich jetzt etwas zu gehetzt. Virtuoses Piano und Schlagzeug, find ich gut, aber solche Musik klingt mich oft so, als hätten die Musiker es sehr eilig da durchzukommen, als hätten sie anschließend noch was besseres vor. Nach mehrmaligem Hören lässt es sich aber besser an, also, Musik, die ich zumindest nicht mit wenigen Durchläufen begreife.

    ja, das ist sehr dicht und eigentlich nur ein kurzer jam. die bebop-komposition ist allen musikern geläufig und man spielt das mal eben schnell für ein vergnügungssüchtiges europäisches publikum. eine kurze muskelübung sozusagen.

    pheebee#5
    Das ist wieder besser. Tolle Gitarre, abgelöst von Vibraphon, bis das Stück an sein Anfangthema zurückkehrt. Das hätte gerne länger sein können. Spielt die Harve das „Theodor im Fußballtor“ Thema an ? Man kennt das doch nun wirklich, der ist da ein russischer Komponist angesprochen ? Komm nicht drauf, weil es so kurz nur statt findet.

    noch eine neue idee zum harfenzitat ;) @nicht_vom_forum hat es herausgefunden, sein wichtigster beitrag hier ;-) prokoviev, peter & der wolf, ist das stichwort.

    pheebee#6
    Spielt hier ein Barpainist ? Oder sogar mehr als nur einer ? Ich sehe edel gekleidete Menschen, auch Paare, an kleinen Tischchen oder an einer glänzenden Mahagoni-Bar sitzen, die Whisky on the rocks oder Southern Comfort mit Ginger Ale schlürfen, während im Hintergrund etwas dazu pianiert wird. Zuerst fand ich es etwas langweilig, aber mit der Zeit gefällt mir das durchaus.

    „barpainist“ ist eine schöne wortneuschöpfung, hier aber gänzlich unangebracht, finde ich. das beschriebene szenario passt aber wohl ganz gut. hier ist allerhand showerfahrung am werk, aber es wird (trotzdem) äußerst ernst genommen.

    pheebee#7
    Das ist toll. Mein Highlight bis hierher. Das schraubt sich ohrwurmend durch die Gehörgänge ins Hirn und brennt sich in die graue Festplatte ein. Tuba höre ich jetzt auch nicht so oft, das ist auffällig an den Stück.

    schön. liegt wahrscheinlich am thema, das sogar fernsehtauglich war. aber das arrangement holt auch wirklich alles an schönheit heraus, was geht.

    pheebee#8
    Zuerst dachte ich, das hätte als Beitrag in einen deutschen Wirtschaftwunderfilm der 50er gepasst. Orgel und Gebläse im Wechsel, judengliche pre-Rock’n’Roll Generation vs. von Krieg gezeichneter Erwachsenengenaration. Aber nein, dann wird das doch zu drängelnd und aufdringlich. Schön, wie sich das im Verlauf verändert.

    es verdichtet und intensiviert sich, quasi nach drehbuch, aber ungemein gekonnt. hier sind profis am werk.

    pheebee#9
    Gatschung, gatschung, everbody shnippy, würde Otto sagen. Das dramatisch werde Klavier ist dann aber doch eine Überraschung.

    das otto-zitat kann ich nicht einordnen ;-) aber das klavier ist von anfang an dramatisch. eine andere strategie als in #6, aber die beiden hätten (haben?) sich bestimmt gut verstanden.

    pheebee#10
    Lord have mercy on me ? Da kann ich jetzt wenig zu sagen, denn ich bin insofern befangen, als die Version von Junior Kimbrough aus den 90ern mit seinem fast 10 Minuten Blues nicht erreicht werden kann, aber anderes Genre, nicht vergleichbar.

    kimbrough habe ich jetzt nachgeholt, das ist in der tat toll, aber wohl nicht das gleiche stück. aber die musikalischen und textlichen elemente sind bei sowas natürlich generisch und nach belieben zusammensetzbar.

    pheebee#11
    Oha. Jetzt wird aufgedreht. Hätte ich als Jugendlicher Jazz gehört, hätte ich meine Eltern damit in den Wahnsinn treiben können. Ich hab das zuhause auf der Anlage laufen lassen und laut aufgedreht und meine besorgten Töchter wollten dezent wissen, ob ich nun wahnsinnig sei. Das zerrt schon gewaltig an den Ketten, aber trotzdem faszinierend, denn ich bleibe bis zum Schluß dran, weil ich wissen möchte, wie weit die Herrschaften es hier noch treiben wollen. Geiles Schlagzeugsolo ist die Belohnung. Hart.

    tut mir leid, dass ich für familiäre irritation gesorgt habe. ich habe sowas als jugendlicher gehört und in der tat meine eltern damit in den wahnsinn getrieben (aber als ich auszog, wollten die ständig meckernden nachbarn doch noch einen sampler von mir). toll ist hier tatsächlich, dass das auf 10 minuten spannend bleibt, und daran haben die subtil durchprügelnden drums sicher ihren größten anteil.

    pheebee#12
    Track #11 Reprise ? Oder eine Variante mit Stimme ? Was ist das für eine Sprache ? Geniales fade-in + fade-out. Nicht so spannend wie das vorherige, klingt eher wie eine Kollage und ist irgendwie nicht so recht was für mich, wie ich vermute und wie man daran sehen kann, dass mehr Fragen als Antworten vorliegen.

    fragen können ja auch produktiv sein. eine kollage ist das irgendwie schon, weil ein teil hier auch schon unabhängig aufgenommen wurde. das hört man natürlich und deswegen ist es nicht so aus einem guss & live wie #11. aber dennoch eine gültige musikalische aussage, finde ich.

    pheebee#13
    Das ist jetzt wieder hübsch. Eine schöne Melodie erleichtert auch etwas nach so viel wilder Improvisation zuvor. Klingt entspannend und leicht, aber ohne belanglos zu sein. Jedes Instrument hat seinen auftritt, schönes Basssolo zwischendurch. Gefällt.

    schön.

    pheebee#14
    Was ist das ? Spielt hier eine Prog-Band ? Da ist aber auch ein leichter Funk-Bass mit drin. Ich höre jedenfalls überwiegend Rockinstrumentierung. Dann kommt auch noch eine Flötensolo dazu. Merkwürdig auch durch die halb gesprochenen Worte zu Beginn und am Ende. Kommt aber gut, klingt nach mehr.

    auch schön.

    pheebee#15
    Geht progig weiter. Komisch, bei der Stimme muss ich an Mike Watt denken, eigentlich von Hause aus ein Hardcore-Punker. Aber Watt verwendet auf seinen Soloalben ähnliche Strukturen. Bin verwirrt…

    mike watt kenne ich nicht, das hier ist auf jeden fall ein paar jahre älter. um die strukturen (und jemanden, der sowas arrangieren kann) geht es hier aber.

    pheebee#16
    Schönes Klavier, klingt fliessend. Hat die Trompete am Ende Blähungen ? Zuerst mag das mir mit dem Schlagwerk nicht so recht harmonieren, aber im Verlauf ergibt das doch irgendwie Sinn.

    blähungen sind in diesem alter noch nicht so richtig kontrollierbar, aber es ist natürlich anders gemeint ;-) das schlagwerk hat ziemlich viel hall und überhaupt geht hier vieles durcheinander, was normalerweise nicht harmonieren kann, aber hier tut es das auf fast magische weise.

    pheebee#17
    Zum Schluß noch mal was zum Wohlfühlen. Schöne Melodie, ich höre da auch etwas gospel-artiges durch, muss zum Schluß an Summertime denken.

    ja, ein neuer gospel, geschrieben und aufgenommen anfang der 1990er. die sängerin hat eine zeitlang dort gelebt, wo die dame aus #1 zuhause war, daher schließt sich hier vielleicht ein kreis. innovation und traditionsverpflichtung gehen hier gut zusammen, finde ich.

    pheebeeVielen Dank für die Zusammenstellung. 80 Minuten, die Spaß gemacht haben, auch wenn ich etwas gebraucht habe, um alles mehrmals hören zu können und sebst beim Schreiben der Kommentare kamen immer wieder neue Gedanken hinzu oder alte sind abgelöst worden.
    Die Aufarbeitung der Auflösung wird sicher nicht minder „arbeitsintensiv“ als das Hören um Kommentieren.
    Bin und bleibe neugierig.

    bin gespannt, was du zur auflösung sagen wirst. und ob du davon etwas weiterverfolgen wirst. melde dich gerne noch mal dazu.

    --

    #10231663  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,009

    danke auch dir @friedrich für die schönen kommentare. ich beantworte die noch schnell und löse dann im verlauf des nachmittags auf. sämtliche fäden werden dann rot angestrichen und die abrupten stimmungswechsel hoffentlich auch erklärt.

    friedrich
    Track #01
    Die gute alte Zeit. Das klingt musikalisch wie aus den 20er oder 30er Jahren, New Orleans, Kansas City, Chicago oder irgendwo da auf dem Wege. Aber die Aufnahme ist jünger, sagst Du? Der Begriff „jelly roll“ hat wohl diverse Bedeutungen mit sicher auch sexuellen Anspielungen (süß, weich und lecker halt). Ich mag diesen simplen tanzenden Rhythmus, das Volkstümliche. Schöne Soli, pralles Leben. Hört man wahrscheinlich am besten in feuchtfröhlicher Gesellschaft in der Kneipe.

    new orleans, von diesen leuten seit den 1940ern gespielt, vom prallen leben hat wohl zumindest die bandleaderin einen begriff. „feuchtfröhlich“ würde natürlich jede_r lektor_in streichen, aber das ist entertainment und der tanz betrifft nicht nur die vom glöckchen begleiteten knie, sondern auch die doppelten bedeutungen im kopf. insofern: alles richtig.

    friedrichTrack #02
    Da höre ich aber auch gleich einen Bruch: Erst der derb zupackende Track #01 und nun so ein apartes Stück Musik, bei dem man den Kopf nachdenklich zu Seite neigen und ganz ergriffen gucken möchte. Das ist eher Konzertsaal als Kneipe. Wenn #01 tanzte, dann schwebt #02. Ich finde das ganz hübsch, ich mag die Stimme an sich, es kann mich aber nicht packen (erst recht nicht nach #02). Mit kommt das etwas textlastig vor – den Text verstehe ich aber offen gesagt nicht. Wirkt auf mich auch etwas verkopft und ambitioniert.

    irgendwie mache ich diese trennung nicht ganz mit, zwischen apart und derb (beide haben etwas von beidem, finde ich), zwischen konzertsaal und kneipe. aber zwischen tanzen und schweben schon. dieses stück (@brandstand3000 nannt es „arty“) geht natürlich weiter zurück, auf die frage, wie man das unmittelbare lebenssetting in musik überführt, das wohl beide damen sehr gut kennen, aber die coolness haben sie gemeinsam. musik hat für beide als ausdrucksform etwas unmittelbar selbstverständliches, und das hört man auch, finde ich.

    friedrichTrack #03
    Und ab durch den time tunnel zurück in die Vergangenheit. Der Gesang (männlich? weiblich? egal?) reißt hier alles mit. Das klingt sowas von black, kennt keinen Unterschied zwischen Religion und Sex. „Yeah, yeah, yeah ohhh“ Singt er oder sie da auch „Touch me!“? Gerne!

    der gesang ist weiblich (schräg, dass so viele hier sich unsicher sind), religion und sex und kampf und exil sind in der tat untrennbar verbunden. was du als „touch me“ hörst, ist wohl nur die ungewöhnlich aussprache von „joshua“. ich hatte ein bisschen erwartet, dass du weißt, wer das hier ist. habe aber keine ahnung, wieso.

    friedrichTrack #04
    Das ist sicher technisch-musikalisch raffinierter und virtuoser als #03, aber mit dem rollenden Linien auf dem Piano und der tighten rhythm group, den rumpelnden drumbreaks, wirkt das ähnlich berauscht-berauschend wie #03. So stelle ich mir Art Tatum vor.

    art tatum kenne ich zu wenig, aber schön, dass du hier auch den rausch hörst (oder hast). genau das fand ich nämlich in der zusammenstellung auch.

    friedrichTrack #05
    Das ist ein viel sublimierter als #04. Latin touch, gelassen swingend. Wo kommt denn die Harfe her? Das Vibrafon perlt sehr schön. Hier ist eigentlich jedes Solo schön, das klingt wirklich so als wird die Staffel von einem zum anderen gereicht, ohne dass der Swing abreißt. Kleines Zitat von „It Ain‘t Necessarily So“? Sehr schönes Miteinander, wirkt spontan, aber auch gut geprobt. Irgendwo zwischen Swing und Bop.

    freut mich, dass dir das so gut gefällt, mit eher leichten, swingenden sachen kennst du dich ja gut aus, wie dein bft zeigte.

    friedrichTrack #06
    Und wieder ein abrupter Stimmungswechsel. Der Pianist scheint mehr für sich selbst als fürs Publikum zu spielen und die rhythm section kann sich vor Müdigkeit kaum noch aufrecht halten. Sehr afterhours. Ich glaube, nach dem 3. oder 4. Whisky und in entsprechender Stimmung könnte mir das gefallen.

    die rhtyhm section ist vielleicht die wachste ihrer zeit, aber ihre zurückhaltung hier ist schon mehr als respektvoll. es ist halt klar, wem hier der spotlight gehört. soll ich mal mit whisky vorbeikommen? (letztes mal wurde eher metaxa benötigt, wenn ich mich recht erinnere.)

    friedrichTrack #07
    „Hallo Tanzbär!“, denke ich zuerst, wenn ich die Tuba höre, aber dann kommen diese fein arrangierten Bläser und die schönen Soli. Auch das swingt wieder in einem schönen Fluss daher. Mit dem Tuba-Solo – wann hört man sowas schon mal? – schließt sich der Kreis. Klingt so wie Brass Band meets Gil Evans. Gefällt mir gut.

    schön beschrieben. ein bisschen schade, dass das kavier hier immer überhört wird, das finde ich sehr interessant im vergleich zu dem aus #6. aber das arrangement und die tuba sind natürlich der hinhörer hier.

    friedrichTrack #08
    „Get down, baby!“ Ist das Kirche, Bordell oder Tanzboden? Egal! Wahnsinnig schwerer groove, alle hängen sich richtig rein und treiben die Betriebstemperatur ihres Instrument weit über den vom Hersteller empfohlenen Höchstwert. Da hört man Blues, Gospel, Jazz und Funk gleichzeitig. Das hält der beste Motor auf die Dauer nicht aus, aber für zweieinhalb Minuten ist das das Größte!

    genau!

    friedrichTrack #09
    Das ist cool! Auch hier wieder ein schleppender langsamer groove, aber viel zurückgenommener. Drum & Bass gefallen mir gut. Dann wird der Pianist dramatisch. Großes Kino. Vorhang, Applaus!

    o ja, der applaus und der vorhang werden hier vehement eingefordert, was auch ein späte rache ist, der wurde nämlich institutionell verwehrt. wundert mich auch, dass man nicht sofort erkennt, wer hier am werk ist.

    friedrichTrack #10
    Das ist etwas offensichtlich Religiöses. Gospelchor mit bluesiger Jazzbegleitung. Diese Kombi gefällt mir!

    schön.

    friedrichTrack #11
    So, hier willst du also einen diss on mir lesen? Aber so schlimm finde ich das gar nicht Das hat ja durchaus einen groove, steigert sich auch ins Berauscht-Berauschende, in sofern kann ich das nachvollziehen und auch verstehen, wieso das hier im Mix ist. Klar, mir wird das irgendwann – ich sag mal – zu unklar strukturiert und auch in der extrem hohen Reizdichte und das fast ständige Spielen am Limit schlicht zu anstrengend – und dann gebe ich auf. Mehr als 9 Minuten? Grundgütiger! So stelle ich mir Albert Ayler vor.

    ayler hätte die hier wahrscheinlich noch weggepustet, aber klar, das ist hier kein easy listening. es braucht aber irgendwie die länge, finde ich, wenn auch nur, um zu zeigen, dass solch eine spannung tatsächlich gehalten werden kann.

    friedrichTrack #12
    … hat einfach das Pech, das er direkt an Track #11 anschließt und bei mir der Kanal an Free Jazz vorläufig voll ist. Sorry! Ganz interessant ist das anscheinend völlig unvermittelte Nebeneinander zwischen Gesang und Piano und dem Rest der Instrumentierung. Ganz getragen das eine, völlig durchgeknallt das andere. Eigenartig …
    Puh, erstmal durchatmen!

    ok, dann kommt der erwartete diss eben verspätet und trifft ungerechterweise dieses schöne, spontane und beseelte experiment ;-)

    friedrichTrack #13
    Das fängt nach der für mich schweren Kost von #11 und #12 sehr versöhnlich an. Eine Flöte – Balsam für Trommelfell und Seele! Wenn ich mal beiseite lasse, dass die Flöte eigentlich im Jazz sowieso nicht unbedingt die Königsdisziplin ist – das ist ein sehr schön und virtuos gespieltes Solo, sehr lebhaft, mit feinen Nuancen, hier und da ein angedeuteter Triller. Ich vermute mal, dass die Flöte das Hauptinstrument des – äh … – Flötisten ist. Kenne ihn aber nicht. Ausnahmsweise gefallen mir sogar das Bass- und das Drumsolo. Auch die beiden spielen sehr nuanciert und ideenreich. Schöne, leicht beschwingte Atmosphäre, gleichzeitig sehr virtuos.

    endlich mal ein stimmungswechsel, der gefällt. wie gesagt: die antihaltung der flöte im jazz gegenüber werde ich nie begreifen, aber hier passt ja offenbar alles. freut mich.

    friedrichTrack#14
    Erst mystisch-mysteriös, dann funky. Der groove packt mich sofort. Siebziger, I suppose, schon wegen der Produktion mit Streichern und Bläsern und des Sounds sowieso. Klingt auch mehr nach einer Produzentenarbeit als der eines Musikers. Huch, ist das eine Gitarre? Sowas kann sich nur ein Produzent ausdenken! Ich vermute dahinter irgendeine eigentlich kommerziell und hip gemeint Produzentenarbeit, für die man Top-Solisten geheuert hat. Und natürlich hat das Hip-Qualitäten – aber es ist auch sonst toll! Für einen Augenblick dachte ich, dahinter könnte der Chess-Clan stecken?

    das hast du wohl gut und treffend beschreben. ist nicht der chess-clan, sondern der argo-cadet-clan, aber am deutlichsten hier wird schon die handschrift des produzenten. wobei der kopf der band und des albums sich hier ganz schön was vorgenommen hat und das hauptinstrument nicht ganz einfach in den jazz zu integrieren ist (weil weiblich codiert? wahrscheinlich). ist hier aber auch nochmal in einer fernöstlichen variante zu hören, also noch mal mehr verschiebung zur hipness. eine weitere zusammenarbeit von produzent und solistin trägt tatsächlich die hipness sogar im namen. manchmal finde ich das zu kommerziell und respektlos, aber hier funktioniert es super.

    friedrichTrack#15
    Ist das Konzeptkunst? Ich vermute, die Qualität des trx liegt irgendwo im Verhältnis von Musik und Text (den ich leider nicht verstehe). Ich mag den Instrumentaltrack eigentlich ganz gerne, auch wenn er sich etwas cabaret-artig anhört. Das wirkt auf mich wie eine Performance mit einer Botschaft, die bei mir aber nicht so recht ankommt.

    die botschaft ist echt nebensache. es geht eher um humor, in dem sich arrangement und text treffen. das mag hier kaum jemand, schade.

    friedrichTrack#16
    Wieder was Lyrisches. Ich mag ja solch Arrangements mit sich aneinander reibenden Bläsern. Schöner Klangreichtum. Gestrichener Bass oder Cello, oder was ist das? Der trk schwebt oder wogt eher, rhythmisch was ganz anderes als die vorhergehenden trx. Wirkt auch gleich viel getragener, viel ernsthafter, fast mit einer Neigung zum Pathos. Schöne Sache!

    das ist ein bass, mit viel dominanz im mix. den bassisten würde ich wohl jederzeit heraushören. aber bei dir wird es ein aha geben, wenn ich hier den produzenten verrate (um den es mir anfänglich aber gar nicht ging, genausowenig, wie um den in #14).

    friedrichTrack#17
    Der trk schließt sehr schön an #16 an, wird dann aber leicht funky. Ha, ich erkenne was: Da singt die Neumondtochter! Wenn man den Text googlet hat man auch gleich das Album und die Band. Mit M-Base und Steve Coleman bin ich nie warm geworden, auch wenn ich es echt versucht habe. Da denke ich immer: Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? Große Konzepte, die mit Musik aufgefüllt werden, die weniger ist, als die Summe ihrer Teile. Ich weiß, andere hören das anders. Dieses Stück ist aber vergleichsweise geradeaus gespielt und kommt daher recht gut bei mir an. Schöner Abschluss des BFT #24!

    yes, treffer. coleman würde jetzt sagen: die komplexität liegt ja schon in den (afrikansichen) primärquellen, die für unsere ohren popgeschichtlich geradegebügelt wurden. und so geradeaus ist das hier auch nicht, aber die spiritual-hommage gibt natürlich einen starken und eingängigen rahmen vor.

    friedrichIch habe diesen BFT im Zusammenhang mit dem Bild der black community vor der Kirche gehört, das Du damit verbunden hast. Nach meiner Interpretation also, dass die Stücke im weitesten Sinne etwas Religöses / Spirituelles haben, was in der black music ja gleichzeitig oft etwas sehr Körperliches hat. Gott und Sex liegen da sehr nahe beieinander. Bei vielen Stücken meinte ich das hören zu können, bei anderen weniger. Und wo ich das hören konnte, gefiel mir das auch sehr gut. Bin gespannt, was Du Dir dabei gedacht hast!

    das spirituelle war eigentlich ein nebeneffekt und das bild ein kleines ablenkungsmanöver. aber wenn man weiß, dass die religiösen inhalte mal als kommunikationsmedium gedient haben und entsprechend getwistet wurden (von menschen, die lange zeit noch nicht mal kirchen besuchen durften), ist das mit sexuellen doppeldeutigkeiten ja nicht grundsätzlich anders. mir ging es hier aber eigentlich um ausdrucksmöglichkeiten für menschen, die in diesem zusammenhang noch mal weniger selbstverständlich waren. danke für’s mitmachen, auflösung folgt!

    --

    #10231665  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Ach, die Neumondtochter? Passt wohl – leider, oder so halb leider – irgendwie ins Bild, denn da ist mir vieles zu glatt … zwei oder drei ihrer Alben sind da, aber seit wenigstens einem Jahrzehnt nicht mehr angehört.

    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #10231669  | PERMALINK

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    gypsy-tail-windAch, die Neumondtochter? Passt wohl – leider, oder so halb leider – irgendwie ins Bild, denn da ist mir vieles zu glatt …

    vielleicht nochmal den einen track auf colemans debüt anhören, das ja mittlerweile eingetroffen zu sein scheint („no good time fairies“). über glätte mag ich, zumindest was ihre persönlichkeit und ihre stimme angeht, nicht diskutieren. was die produktion der blue-note-alben angeht (und nochmal anders: die einiger jmts) – geschenkt. man mag mir eine sängerin, die sich in seit den 1980ern in die afroamerikanische tradition stellt, nennen, die mehr tiefe hat. (das jetzt nicht als duell-angebot, ich respektiere ja andere meinungen, aber mir scheint das bislang ein eher oberflächlicher eindruck zu sein…)

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    #10231679  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    gypsy-tail-windAch, die Neumondtochter? Passt wohl – leider, oder so halb leider – irgendwie ins Bild, denn da ist mir vieles zu glatt …

    vielleicht nochmal den einen track auf colemans debüt anhören, das ja mittlerweile eingetroffen zu sein scheint („no good time fairies“). über glätte mag ich, zumindest was ihre persönlichkeit und ihre stimme angeht, nicht diskutieren. was die produktion der blue-note-alben angeht (und nochmal anders: die einiger jmts) – geschenkt. man mag mir eine sängerin, die sich in seit den 1980ern in die afroamerikanische tradition stellt, nennen, die mehr tiefe hat. (das jetzt nicht als duell-angebot, ich respektiere ja andere meinungen, aber mir scheint das bislang ein eher oberflächlicher eindruck zu sein…)

    Klar ist das ein oberflächlicher Eindruck – und auf dem Coleman-Album gefällt sie mir wohl besser als überall sonst („Blue Light ‚til Dawn“ und „New Moon Daughter“ – die sind für mein Empfinden eher noch mehr Gemischtwarenladen als das Verve-Album von Allen, ist ja auch in etwa dieselbe Zeit – und dann das Miles-Tribute-Album). Es hat mich damals einfach nicht gereizt, ihr Schaffen weiter zu verfolgen, über ihre Tiefe sagt das gar nichts aus. Am besten fand ich damals wohl ein frühes Standards-Trio-Album auf JMT (mit … Mulgrew Miller? Oder sonstwem im Vergleich eher mainstreamigem), das halt sehr gradlinig war, aber natürlich auch konservativer als das meiste andere von ihr, am übelsten irgendein eigenes JMT-Album – die beiden kamen mir aber nur als Leihgaben in die Finger und gerade letzteres kann ich nicht mehr identifzieren (es sei denn, dass wären ihre einzigen Leader-Einträge bei JMT).

    Ein Duell ist da nicht nötig, dafür bin ich emotional schlicht nicht nah genug dran (man duelliert sich ja nicht wegen etwas, das einen nicht gross interessiert) – aber wenn Du konkrete Hinweise auf Alben hast, die ich antesten könnte, nehme ich sie gerne auf, bzw. lege nach meinem morgen beginnendenden langen Wochenende in München auch die Blue Note-Alben wieder mal ein – ist wirklich eine Ewigkeit her, und an der Stimme lag es nicht so sehr (die Stimme war mir aber auch nicht genug, um weiterzuhören), eher an den Produktionen, den eben: Gemischtwarenläden. Vielleicht war sie einfach zur falschen Zeit da (oder eher: ich nähere mich dieser Zeit zwar allmählich an, aber das wird sich nie wie home turf anfühlen, befürchte ich, sondern a taste acquired, wie man sagt – das ist dann halb biographisch bedingt, halb aber auch dadurch, dass mich solche Produktionen nur in seltenen Fällen richtig überzeugen – und klar, das betrifft zum Teil auch die Blue Notes von Allen, die ich damals teils kannte aber nicht kaufen mochte, das holte ich ja gerade erst nach, nachdem ich da inzwischen auch einen besseren Zugang gefunden habe).

    --

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    #10231689  | PERMALINK

    vorgarten

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    kann ich alles nachvollziehen. neben den beiden ersten blue notes (die ich immer noch sehr mag), wären meine anspieltipps vor allem das debüt POINT OF VIEW, das von dir erwähnte standard-album BLUE SKIES, ihren maßgeblichen m-base-eintrag JUMP WORLD, dann vielleicht noch GLAMOURED. neben diversen kurzen gastauftritten finde ich sie aber auch auf wyntons BLODD ON THE FIELDS ziemlich toll.

    so, jetzt wird aufgelöst.

    --

    #10231695  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    vorgartenkann ich alles nachvollziehen. neben den beiden ersten blue notes (die ich immer noch sehr mag), wären meine anspieltipps vor allem das debüt POINT OF VIEW, das von dir erwähnte standard-album BLUE SKIES, ihren maßgeblichen m-base-eintrag JUMP WORLD, dann vielleicht noch GLAMOURED. neben diversen kurzen gastauftritten finde ich sie aber auch auf wyntons BLODD ON THE FIELDS ziemlich toll.
    so, jetzt wird aufgelöst.

    Alles klar – danke! Und ich bin gespannt und entschuldige mich, dass er Atem und die Zeit nicht für eine weitere Runde reichte.

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    #10231703  | PERMALINK

    vorgarten

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    liebe gemeinde,

    die auflösung erfolgt stück für stück. es kann gerne dazwischengerufen werden!

    bft#24

    der rote faden war eigentlich: wichtige weibliche beiträge zum jazz. das schrieb jetzt gypsys bft in diesem punkt fort, aber meine auswahl war ja schon vorher fertig. einige musikerinnen waren da sofort gesetzt, dann kamen noch persönliche favoritinnen hinzu, schließlich noch fundstücke aus einer recherche. (wichtige fehlen natürlich, marian mcpartland, bessie smith, billie holiday natürlich, ohnehin viele sängerinnen). die beiträge waren aber alle so ausgewählt, dass sich diskussionen von männlich vs. weiblich eigentlich von selbst verbieten.

    dann kam aber was anderes hinzu, worauf ich schon in der alice-coltrane-recherche gekommen war: dass die kirchen, eigentlich die ganze pentecoastal-, baptisten- und methodistenkultur in den usa, hauptsächlich weiblich dominiert sind (durch sängerinnen, chorleiterinnen und organistinnen), und dass dieses setting über lange zeit quasi der einzig mögliche zugang von (schwarzen) frauen zum jazz darstellte. nachtclubs waren ihnen z.t. versperrt, bigbands haben oft keine frauen angestellt, die homosozialen netzwerke fühlen sich ja durch die anwesenheit von nur einer frau gestört (die aussagen aus der jazz composers guild z.b.: zoten reißen nur solange, bis carla kommt). weswegen es im jazz natürlich auch hauptsächlich sängerinnen und pianistinnen gibt.

    daraus ergibt sich musikalisch aber vielleicht auch die trance-affinität und das von der orgel kommende arpeggien-geprägte klavierspiel (das als these, die u.a. franya berkman aufgestellt hat). dann wäre man nicht in der wohlfeilen aussage „frauen können das alles auch und genau so gut“, mit der man ja heute anträge für jazzfestivals schreiben kann, sondern in der vielleicht interessanteren, dass es durch bestimmte rahmenbedingungen eben doch spezifische erfahrungen entstehen, die sich wiederum stilistisch ausprägen, sich dann noch aufeinander beziehen, eine kommunikation herstellen etc. dass da oft noch rassismus- und geschlechtsungleichserfahrungen zusammen wirken und sich formen des heraus-sehnens noch mal anders manifestieren, ist ja klar.

    wenn man so will, ging es im bft#24 also um transzendenzbegabte musikerinnen.

    den anfang macht:

    #1



    sweet emma barrett: jelly roll blues
    .
    sweet emma barrett and her new orleans music.
    emma barrett (voc, p), alvin alcorn (co), jim robinson (tb), louis cottrell (cl), emanuel sayles (bj), placide adams (b), paul barbarin (dm).
    made in new orleans, 520 st louis street, 1963.

    glöckchenklingeln, hypnotischer gesang, ausschwingende new-orleans-konservierungsband. der bft beginnt mit einer der frühest aufgenommenen instrumentalistinnen im jazz (1923), dabei ausgesprochen weltlich mit einem anzüglichen sexverweigerungssong. trance und verführung sind trotzdem da. alles mögliche ist da, gleichzeitig.

    „sweat emma“ barrett
    1897-1983
    home church: new orleans, french quarter; trauerfeier in der st. raymon roman catholic church, new orleans
    klavierspielen selbst beigebracht, hat nie noten lesen können, markenzeichen: die glöckchen am knie, das double entendre (wenn sie mal gesungen hat), beides hier zu sehen/hören:

    pianistin bei papa celestin’s original tuxedo jazz orchestra, 1923 eine der ersten aufgenommenen weiblichen instrumentalistinnen, ab den 40ern eigene bands, ab den 60ern schlüsselfigur der preservation hall, diverse aufnahmen. auftritt im „cincinatti kid“ mit steve mcqueen:

    --

    #10231705  | PERMALINK

    vorgarten

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    #2

    amina claudine myers trio: plowed fields
    the circle of time.
    amina claudine myers (voc, p, harm), don pate (b), thurman barker (dm).
    rec. 1983 milano.

    die trance geht weiter, als ein in der mittagssonne schimmerndes erinnerungsbild mit zikaden, windspielen und anderen unübersetzbaren sounds. eine harmonika dreht frei und wird nicht mehr in den chicago-avantgarde-jazz mit little instruments und männerdominaz eingebunden. der klang von hühnerfüßen im hof.



    amina claudine myers

    geboren 1943.
    home church: blackwell, arkansas (baptisten). dann organistin und leiterin von kirchenchören in dallas: „I got introduced to a lot of music in dallas, especially gospel. I got a good musical education while living in dallas”. letzter kirchenjob 1975 in chicago, vor dem umzug nach new york.

    auftrittsverbote für frauen in clubs. gerücht, sie spiele „so hart wie ein mann“ (myers: „hat lester bowie männermusik gemacht? ich weiß ja nicht…“).

    musiklehrerinnenausbildung. zum aacm kan sie durch überredung (von ajaramu shelton). jahrelang mit eigenem trio unterwegs, vor allem in europa. eigene gospelkompositionen. „ich weiß, dass die rapper auch frauenfeindliche texte fabrizieren, mit denen ich nicht einverstanden sein kann. aber ich schätze ihre kreativität. ich akzeptiere musik, wenn sie schöpferisch, energiegeladen und leidnenschaftlich ist.“

    --

    #10231709  | PERMALINK

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    #3

    sister rosetta tharpe & the sims-wheeler vintage jazz band: jericho
    orchestra sims-wheeler. ian wheeler (cl), ken sims (tp), marc duncan, wayne chandler, jimmy garforth.
    live at 1er festival de jazz d’antibes juan-les-pins de 1960.

    the godmother of rock ‘n roll. zu einer zeit, in der die epigonen bereits gut im geschäft sind. ein kurzes gitarrensolo nur, aber das muss man sehen. jedes „jericho“ mit sengender hitze geschmettert. es geht um alles und das ist eine show. and the walls come tumbling down.

    sister rosetta tharpe

    1915-73.
    home church: cotton plant, arkansas. church of god in christ (schwarze baptisten-gemeinde seit 1894). mutter baumwollpflückerin, mandolinespielerin, predigerin. vater baumwollpflücker und sänger.

    tharpes einfluss auf die entwicklung des rock ‘n roll wurde jahrzehntelang nicht ernst genommen, auch, weil sie nur gospel-material sang & spielte.

    auftritte als sängerin & gitarristin mit vier jahren (als little rosetta rubin). mit ihrer mutter auf kirchentour im süden. mitte der 20er jahre umzug mit ihrer mutter nach chicago, landesweite auftritte. erste gospelkünstlerin, die einen plattenvertrag erhielt (1938 bei decca), die in weißen clubs auftrat (cotton clubm, harlem’s apollo), die eine aufsehenerregende europa-tournee absolvierte. 1938 schon auftritt in der carnegie hall. aggressives e-gitarrenspiel war völlig unüblich angesichts der religiösen inhalte ihrer musik. elvis‘ mutter war großer fan. er auch.

    das gitarrensolo ist unglaublich. man beachte auch die frauen in der reihe hinter ihr, sie ist eine von ihnen.

    --

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