Startseite › Foren › Kulturgut › Für Cineasten: die Filme-Diskussion › Berlinale 2011 – 10. bis 20. Februar
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AutorBeiträge
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Danke für die Swanberg-Kritiken, sehr schön geschrieben.
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WerbungIm Rahmen der Ingmar-Bergman-Retrospektive haben Kluese und ich gestern die Podiumsdiskussion mit Liv Ullmann und Peter Cowie besucht. Der Eintritt war frei, so dass wir bereits weit vor 18:00 Uhr vor dem Veranstaltungsraum warteten, der gerade mal 150 Sitzplätze bereitstellte (weitere 150 Besucher standen während der Diskussion). Für mich war es ein fast unbezahlbarer Moment, dieser Veranstaltung beiwohnen zu dürfen, zumal Ullmann gut aufgelegt war und ausführlich auf die Fragen antwortete. Sehr selbstironisch etwa ihre Bemerkung, dass sowohl sie als auch Bibi Andersson das Skript von „Persona“ erst viele Jahre nach den Dreharbeiten verstanden hätten. Persönlich hat mich gefreut, dass Bergmans verkanntes Meisterwerk „Herbstsonate“ etwas rehabilitiert wurde. Dass nicht einmal Bergman selbst diesen Film mochte, dürfte wohl vor allen Dingen mit atmosphärischen Störungen zu tun gehabt haben, da Ingrid Bergman es laut Ullmann öfter mal wagte, während der Dreharbeiten seine Herangehensweise als Regisseur infrage zu stellen. Ansonsten stellte sie Bergman während des 60-minütigen Interviews – vielleicht etwas zu positiv – grundsätzlich als einfühlsamen Regisseur dar, der einen respektvollen Umgang mit seinen Schauspielern pflegte.
Es gab jedoch auch ein paar Momente, die traurig stimmten. So erklärte Ullmann etwa, dass auch Bibi Andersson und Erland Josephson gern gekommen wären, jedoch leider zu krank dafür seien. Bei der abschließenden Fragerunde erkundigte sich jemand aus dem Publikum nach Ullmanns Rolle in „The Emigrants“, den sie als ihren liebsten Film überhaupt bezeichnete. An dieser Stelle griff dann auch noch einmal der Moderator ein, um anzukündigen, dass gerade eine DVD-Veröffentlichung dieses Films für den internationalen Markt vorbereitet wird. Wie bereits erwähnt ein unvergesslicher Abend für mich. Am Montag wird übrigens am selben Ort meine Lieblingsschauspielerin Harriet Andersson Rede und Antwort stehen.
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Danke, latho.
Merke: Am Samstagabend Swanberg zu schauen und zu verarbeiten, während es später und später wird und an Schlafen irgendwann nicht mehr zu denken ist, und am nächsten Morgen um halb zehn einen Film names „Schlafkrankheit“ sehen zu wollen – dass das nicht gut gehen kann, hätte man sich im Grunde denken können. Nun ja, jetzt sitze ich halt nicht im Kino. Bleiben für heute aber immerhin noch drei Filme – und jetzt die Zeit, die gestrigen Filme zu rezensieren.
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Maryse und Benoit sind ein Geschwisterpaar in der französischsprachigen Provinz Kanadas. Es ist Winter. Maryse schlittert in eine Krise: Ein Arbeitsunfall in der Fabrik, in deren Verwaltung sie arbeitet, bringt sie ins Grübeln (ein Arbeiter verliert dabei seinen Arm). Maryse tapert verwirrt und auf merkwürdig distanzierte Art und Weise über ihr eigenes Leben staunend durch ihre Tage. In Gesprächen wird sie zunehmend ungehalten, manchmal bricht es aus der sonst so zurückhaltendn Frau heraus. Sie hinterfragt auch ihre Ehe mit Alain.
Benoit ist der klassische Versager: Er wohnt noch bei seinem Vater, der und ohne viele Worte dem Tod der Mutter vor fünf Jahren leidet. Benoit macht alles falsch: Er spielt ohne Talent in seinem Zimmer E-Gitarre, bis der Vater ihn zum Aufhören zwingt, er hat eine unglückliche Affäre mit einer Frau, deren kleines Kind ihn hasst, er muss mitten in der Nacht seinen Vater holen, weil er das Schneemobil nicht wieder in Gang bekommt.
Auf einmal steht ein Mann vor Benoits Tür, der zuvor vor Maryses Haus aufgetaucht ist. Er sagt, er komme aus der Zukunft, wenn auch nur der recht nahen: sechs bis sieben Monate, schätzt er. Der Mann sagt, Maryse werde in einem Blizzard einen Unfall haben und dabei ums Leben kommen. Benoit müsse das verhindern.
Als Maryse beschließt, aus dem entlegenen Wochenendhaus des Vaters einen Anhänger zu holen, während ein Schneesturm angekündigt ist, besteht Benoit darauf sie zu begleiten. Offenkundig geht es ihm dabei aber nicht etwa darum, seine Schwester zu retten, sondern einen eleganten Ausweg aus dem Leben zu finden. Doch am Ende des gemeinsames Wochenendes der Geschwister hat sich das Blatt ein wenig zum Guten gewendet (Details werde ich jetzt natürlich nicht spoilern).
Der Film ist unterteilt in drei „accidents“: der Unfall in der Fabrik, ein Vogel, der vor Benoits Scheibe knallt, und ein Verkehrsunfall am Ende des Films. Eine Aufteilung, die für den Regisseur unvorhergesehene Folgen hatte. Eigentlich habe er einfach nur einen Film mit Kapiteln drehen wollen, weil er diese Struktur möge. Bei der Premiere am Vorabend aber, so erzählt er, habe er beobachtet, wie das Publikum an verschiedenen Stellen zusammengezuckt sei, weil es darauf gepolt gewesen sei, dass es ja zu einem weiteren „accident“ kommen müsse. Die tatsächlichen „accidents“ werden aber so beiläufig erzählt, dass der Effekt, den die Kapitelunterteilung nun unabsichtlich erzielt hat, dem lakonischen Erzählstil des Films entgegenläuft. Der gewagte Kunstgriff, in eine so durch und durch realistisch erzählte Geschichte ein Science-Fiction-Element zu verpassen fügt sich hingegen ohne Irritationen in den Film ein.
Kein großer Wurf, aber immerhin ein spröder, warmherziger kleiner Film, der schöne Bilder aus der trüben Weite der kanadischen Schneelandschaft findet.
* * *1/2
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Danke für die Berichte und Reviews. Ich lese das alles mit Interesse und bewundere Deinen Enthusiasmus, Witek.
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Twang-Bang-Wah-Wah-Zoing! - Die nächste Guitars Galore Rundfunk Übertragung ist am Donnerstag, 19. September 2019 von 20-21 Uhr auf der Berliner UKW Frequenz 91,0 Mhz, im Berliner Kabel 92,6 Mhz oder als Livestream über www.alex-berlin.de mit neuen Schallplatten und Konzert Tipps! - Die nächste Guitars Galore Sendung auf radio stone.fm ist am Dienstag, 17. September 2019 von 20 - 21 Uhr mit US Garage & Psychedelic Sounds der Sixties!Im übrigen auch dank an castles für seinen Bericht.
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If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
Beiträge: 0
lathoIm übrigen auch dank an castles für seinen Bericht.
Dem kann ich mich nur anschließen. Wäre auch sehr gerne dabeigewesen.
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Vielen Dank, latho und pinch. Bin jetzt sehr gespannt auf den morgigen Tag, an dem Harriet Andersson übrigens zusätzlich auch noch ihren 79. Geburtstag feiern wird.
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Wow, die Swanberg-Filme klingen toll, ich muss endlich mal was von ihm schauen.
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Arise now, ye Tarnished/Ye dead, who yet live/ The call of long-lost grace speaks to us allGibt es eine Möglichkeit schon erworbene Karten wieder zurückzugeben / in den Verkauf zu schleusen
oder muss ich mir ein schwarzes Gewand überstülpen und vor dem Film den Dealer spielen?
Könnte die Karte evtl. auch hier (Evtl. besser an einem anderen Ort des Forums!?) feilbieten.
Es handelt sich dabei um eine Karte für Fassbinders LOLA, Montag, 14.2. 15.30 Uhr CinemaxX 8, Potsdamer Platz.--
»Oh yeah, the world turned upside down.« »I hope I didn't brain my damage.«weilstein, Napo, wie fandet ihr die Swanberg-Filme?
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Griff (Ryan Kwanten) arbeitet tagsüber in der Versandabteilung eines nicht näher bezeichneten Unternehmens. Er ist ein verschüchterter stiller Mann Ende 20, der den ständigen Demütigungen seines Kollegen hilflos ausgesetzt ist. Er versucht seine Arbeit so unauffällig wie möglich zu verrichten. Doch abends wird aus dem schüchternen Büromensch ein Superheld, der die Stadt von ihrem Übel befreien will. Zumindest ist Griff davon überzeugt – und auch der Zuschauer glaubt es zunächst. Nur spärlich werden Hinweise gestreut, dass irgendetwas an dem Doppelleben nicht stimmt.
Erst als das Wachpersonal auf einem Überwachungsvideo sieht, wie nachts jemand in einem lächerlichen weißen Overall unter einem Schreibtisch in Griffs Großraumbüro herumkriecht, ist vollends klar: Der vermeintliche Unsichtbarkeitsanzug, den Griff sich gebastelt hat und den auch der Zuschauer als funktionsfähig bestaunen konnte, ist reine Einbildung. Griff lebt in einer Phantasiewelt. Aus verschiedenen bekannten Superhelden hat er sich sein eigenes fiktionales Doppelleben erschaffen – und sich so sehr darin eingelebt, dass es für ihn die reine Wahrheit ist.
Sein Bruder Tim (Patrick Brammall) sorgt sich um Griff. Er ist extra aus Adelaide in seine Stadt gezogen, um ein Auge auf ihn zu haben und darauf aufzupassen, dass er nicht wieder in seiner Superheldenfiktion zu leben beginnt. Griff versteckt seine abendlichen Aktivitäten daher vor dem Bruder. Eines Tages bringt Tim seine neue Freundin Melody (Maeve Dermody) vor. Was Tim nicht weiß, ist dass Melody, die ebenso verschüchtert und verschroben wie Griff wirkt, auch in einer Phantasiewelt lebt, wenn auch in weitaus weniger starkem Ausmaß. Sie ist davon besessen, dass es physikalisch möglich sein müsse, durch Wände zu gehen, und sitzt stundenlang in ihrem Zimmer im Haus ihrer Eltern, um Berechnungen anzustellen und es immer wieder zu versuchen.
Griff und Melody merken gleich, dass sie etwas gemeinsam haben, und nach einigen Anlaufschwierigkeiten, die den sozialen Unzulänglichkeiten der beiden geschuldet sind, entwickelt sich eine Liebesgeschichte. Griffs nächtliche Ausflüge haben die Polizei auf ihn aufmerksam gemacht: Sie sucht einen Stalker, der nachts in einem albernen Kostüm durch die Straßen rennt und mit seinem merkwürdigen Verhalten für Aufmerksamkeit sorgt. Irgendwann kommt Tim dahinter, dass Griff wieder den Superhelden spielt und versucht Melody dazu zu bewegen ihm dabei zu helfen, Griff auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. Doch Melody hat eine ganz andere Sicht der Dinge.
„Griff the Invisible“ ist von der ersten bis zur letzten Minute ein großes Vergnügen. Wie Ford seine schrulligen Figuren in Szene setzt, wie er zunächst ein Verwirrspiel um den vermeintlichen Superhelden spielt, wie er Menschlichkeit mit feinem und kräftigerem Humor paart, wie er den Film dramaturgisch aufgebaut hat, wie er im direkten Vergleich Griffs Phantasiewelt und die Wirklichkeit zeigt, die dahinter steht, ohne seinen Helden dabei jemals der Lächerlichkeit preiszugeben – all das ist handwerklich überzeugend, hintergründig witzig und an manchen Stellen sehr berührend.
Eine große Sensation des Films ist für mich Ryan Kwanten, den ich nur als den grobschlächtigen, minderbemittelten, dauervögelnden Bruder aus der Vampir-Fernsehserie „True Blood“ kannte – und dem ich daher diese Rolle und ein so feines anrührendes Spiel nicht zugetraut hätte.
Fords Film ist zwar, obwohl keine Kinder oder Jugendlichen mitspielen, in der Sektion 14plus gut aufgehoben. Doch die Geschichte funktioniert genau so gut für ein erwachsenes Publikum. Das lege ich jetzt jedenfalls einfach mal so fest – denn wenn es anders wäre, müsste ich jetzt gestehen, dass ich mir bei einem Kinderfilm ein Tränchen verdrückt habe.
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Heute Bergmans „Beröringen“ sowie die Panorama-Filme „Rundskop“ und „Bu-dang-geo-rae“ gesehen. Besprechungen folgen wahrscheinlich morgen.
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KlueseGibt es eine Möglichkeit schon erworbene Karten wieder zurückzugeben / in den Verkauf zu schleusen
oder muss ich mir ein schwarzes Gewand überstülpen und vor dem Film den Dealer spielen?
Könnte die Karte evtl. auch hier (Evtl. besser an einem anderen Ort des Forums!?) feilbieten.
Es handelt sich dabei um eine Karte für Fassbinders LOLA, Montag, 14.2. 15.30 Uhr CinemaxX 8, Potsdamer Platz.Karten zurückgeben kann man nicht, man kann sie in der Tat nur weiterverkaufen. Deine Karte kann ich dir nicht abnehmen.
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Witek DłEine große Sensation des Films ist für mich Ryan Kwanten, den ich nur als den grobschlächtigen, minderbemittelten, dauervögelnden Bruder aus der Vampir-Fernsehserie „True Blood“ kannte – und dem ich daher diese Rolle und ein so feines anrührendes Spiel nicht zugetraut hätte.
Ist auch recht sehenswert in RED HILL, falls Du einen Abstieg in Fangefilde erwägst.
Ansonsten: Keep ‚em coming!
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"This is a present from a small, distant world, a token of our sounds, our science, our images, our music, our thoughts and our feelings. We are attempting to survive our time so we may live into yours." Voyager Golden Record -
Schlagwörter: Berlinale
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