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Griff (Ryan Kwanten) arbeitet tagsüber in der Versandabteilung eines nicht näher bezeichneten Unternehmens. Er ist ein verschüchterter stiller Mann Ende 20, der den ständigen Demütigungen seines Kollegen hilflos ausgesetzt ist. Er versucht seine Arbeit so unauffällig wie möglich zu verrichten. Doch abends wird aus dem schüchternen Büromensch ein Superheld, der die Stadt von ihrem Übel befreien will. Zumindest ist Griff davon überzeugt – und auch der Zuschauer glaubt es zunächst. Nur spärlich werden Hinweise gestreut, dass irgendetwas an dem Doppelleben nicht stimmt.
Erst als das Wachpersonal auf einem Überwachungsvideo sieht, wie nachts jemand in einem lächerlichen weißen Overall unter einem Schreibtisch in Griffs Großraumbüro herumkriecht, ist vollends klar: Der vermeintliche Unsichtbarkeitsanzug, den Griff sich gebastelt hat und den auch der Zuschauer als funktionsfähig bestaunen konnte, ist reine Einbildung. Griff lebt in einer Phantasiewelt. Aus verschiedenen bekannten Superhelden hat er sich sein eigenes fiktionales Doppelleben erschaffen – und sich so sehr darin eingelebt, dass es für ihn die reine Wahrheit ist.
Sein Bruder Tim (Patrick Brammall) sorgt sich um Griff. Er ist extra aus Adelaide in seine Stadt gezogen, um ein Auge auf ihn zu haben und darauf aufzupassen, dass er nicht wieder in seiner Superheldenfiktion zu leben beginnt. Griff versteckt seine abendlichen Aktivitäten daher vor dem Bruder. Eines Tages bringt Tim seine neue Freundin Melody (Maeve Dermody) vor. Was Tim nicht weiß, ist dass Melody, die ebenso verschüchtert und verschroben wie Griff wirkt, auch in einer Phantasiewelt lebt, wenn auch in weitaus weniger starkem Ausmaß. Sie ist davon besessen, dass es physikalisch möglich sein müsse, durch Wände zu gehen, und sitzt stundenlang in ihrem Zimmer im Haus ihrer Eltern, um Berechnungen anzustellen und es immer wieder zu versuchen.
Griff und Melody merken gleich, dass sie etwas gemeinsam haben, und nach einigen Anlaufschwierigkeiten, die den sozialen Unzulänglichkeiten der beiden geschuldet sind, entwickelt sich eine Liebesgeschichte. Griffs nächtliche Ausflüge haben die Polizei auf ihn aufmerksam gemacht: Sie sucht einen Stalker, der nachts in einem albernen Kostüm durch die Straßen rennt und mit seinem merkwürdigen Verhalten für Aufmerksamkeit sorgt. Irgendwann kommt Tim dahinter, dass Griff wieder den Superhelden spielt und versucht Melody dazu zu bewegen ihm dabei zu helfen, Griff auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. Doch Melody hat eine ganz andere Sicht der Dinge.
„Griff the Invisible“ ist von der ersten bis zur letzten Minute ein großes Vergnügen. Wie Ford seine schrulligen Figuren in Szene setzt, wie er zunächst ein Verwirrspiel um den vermeintlichen Superhelden spielt, wie er Menschlichkeit mit feinem und kräftigerem Humor paart, wie er den Film dramaturgisch aufgebaut hat, wie er im direkten Vergleich Griffs Phantasiewelt und die Wirklichkeit zeigt, die dahinter steht, ohne seinen Helden dabei jemals der Lächerlichkeit preiszugeben – all das ist handwerklich überzeugend, hintergründig witzig und an manchen Stellen sehr berührend.
Eine große Sensation des Films ist für mich Ryan Kwanten, den ich nur als den grobschlächtigen, minderbemittelten, dauervögelnden Bruder aus der Vampir-Fernsehserie „True Blood“ kannte – und dem ich daher diese Rolle und ein so feines anrührendes Spiel nicht zugetraut hätte.
Fords Film ist zwar, obwohl keine Kinder oder Jugendlichen mitspielen, in der Sektion 14plus gut aufgehoben. Doch die Geschichte funktioniert genau so gut für ein erwachsenes Publikum. Das lege ich jetzt jedenfalls einfach mal so fest – denn wenn es anders wäre, müsste ich jetzt gestehen, dass ich mir bei einem Kinderfilm ein Tränchen verdrückt habe.
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