Re: The Kills

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friedrich

Registriert seit: 28.06.2008

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Wird höchste Zeit, hier mal weiter zu machen.

NO WOW (2005)
Alison Mosshart alias „VV“, Jamie Hince alias „Hotel“: vocals, instruments

„Bei KEEP ON YOUR MEAN SIDE haben wir die Musik auf Haut und Knochen reduziert. Bei NO WOW haben wir auch die noch weggelassen.“ Ein Satz, von dem ich mir wünsche, er wäre mir selber eingefallen. Gesagt hat ihn aber Jamie Hince, die eine Hälfte von The Kills. Treffender kann man das zweite Album der Kills nicht beschreiben.

Ich meine mal gelesen zu haben, dass Jamie und Allison ursprünglich vorhatten, nur mit einem Moog Synthesizer und einer rhythm box ausgerüstet ins Studio zu gehen. Der Moog ging aber kaputt, Ersatz war auf die Schnelle nicht zu beschaffen und so musste man auf die bewährte Kombination der rhythm box mit E-Gitarre zurückgreifen. Schade eigentlich, denn das Ergebnis des ursprüngliche Vorhabens hätte man gerne gehört. Dennoch scheint das ursprünglich vorgesehene Konzept auf NO WOW Spuren hinterlassen zu haben, denn die Platte klingt im Vergleich zum Vorgänger deutlich reduzierter und abstrakter, ja elektronischer. Auf dem Titelstück knattert Anfangs nur eine primitive rhythm box, die The Kills vermutlich irgendwo auf dem Flohmarkt aufgetrieben haben, und auch die minimalistisch eingesetzte Gitarre klingt eher wie ein loop. „You’re gonna have to step over my dead body / before you walk out that door“ singt VV mit cooler trotziger Stimme. Eine Weile wird man durch dieses Understatement auf die Folter gespannt. Dann explodiert dieses Stück aber mit einer reinkrachenden E-Gitarre. Dieser nackte, karge, kratzige Sound, irgendwo zwischen Garagenrock und frühem Elektropop à la Suicide, prägt die ganze Platte. Keine Verzierungen, keine Gefälligkeiten. RODEO TOWN ist da mit seiner süßen Melodie und Country-Anklägen (!) (“If I’m so evil / why are you satisfied?“) fast nett geraten. Meist klingt das aber wie eine Demoaufnahme, die später noch ausgeschmückt werden soll – aber gerade das tun The Kills nicht, sondern lassen das schmucklose Gerüst so stehen wie es ist und geben NO WOW damit einen ganz eigenen Klang mit harten Kanten, holzschnittartigen Riffs und monotonen Rhythmen.

NO WOW klingt wie Kratzen, Beißen, Haareziehen auf engstem Raum. Da muss man ein bisschen aufpassen, dass man sich beim Hören keine blauen Flecken, Schürfwunden oder andere Blessuren holt. Das wirkt arty, asketisch und agressiv zugleich, mehr cool und zickig als spaßig. Aber das ist hier in seiner spröden Konsequenz beeindruckend.

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„Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)