Re: The Kills

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friedrich

Registriert seit: 28.06.2008

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Ein großer Unterhaltungselektronikmarkt am Berliner Alexanderplatz verramschte letzte Woche das in CD-Format gebrannte Gesamtwerk von The Kills zu einem Einzelpreis von maximal € 6,99 pro CD. Ich wollte eigentlich was anderes kaufen, fand es aber nicht und so entwich ein locker sitzender Geldschein meinem Geldbeutel und ich erwarb die drei noch nicht in meinem Besitz befindlichen Alben von The Kills. Ein guter Anlass ein paar Zeilen zu schreiben.

Neben ein paar positiven Einschätzungen („eine Chance geben“, „recht gut“, „total gelungen“, sogar „genial“) gibt es hier im Thread aber auch einige sehr entschiedene Schmähungen („uninspiriert“, „benötige ich nicht“, „Mehr Attitude als musikalische Substanz, Platte ist schon wieder verkauft“). Als Künstler würde ich mich über solch kontroverse Äußerungen freuen! Seit einiger Zeit herrscht hier im Thread jedoch völlige Funktstille, und dass obwohl The Kills inzwischen vier Alben veröffentlicht haben, das letzte im Jahr 2011.

Im Herbst 2012 war außerdem in der Zeitschrift ELECTRONIC BEATS ein Interview mit Jamie Hince und Alison Mosshart aka The Kills abgedruckt, in dem sie sich zu Vergangenheit und Zukunft von R’n’R, Attitüden und Codes äußern.

Was weiß ich noch über The Kills? Nicht viel. Der Brite Jamie Hince und die Amerikanerin Alison Mosshart hatten unabhängig voneinander in den 90ern in verschiedenen Bands gespielt und liefen sich 2000 eher zufällig über den Weg. Sie beschließen ihre Vergangenheit abzuschütteln, erfinden sich als Hotel (Jamie) und VV (Alison) neu und gründen das Duo The Kills. Jamie (Jahrgang 1968) und Alison (1978) liegen vom Lebensalter 10 Jahre auseinander. Die beiden sind privat auch kein Paar. Um es vorwegzunehmen – es wurde hier im Thread aber auch schon erwähnt – Jamie Hince ist seit 2007 mit Supermodel Kate Moss liiert und seit 2011 mit ihr verheiratet. Klassisches Rockstar Rollenverhalten à la Mick Jagger und Bryan Ferry, wenn auch auf etwas niedrigerem Niveau.

Das Debutalbum von The Kills erschien 2003:

KEEP ON YOUR MEAN SIDE

Hotel: vox, guitars, drums, organ, harmonica, electric viola, drum machine. VV: vox, guitars, dictaphone

Die Besetzung und Instrumentierung lässt erahnen, dass wir es hier mit einer sehr heruntergestripten Version von Rock zu tun haben. Einen Bass gibt es überhaupt nicht, und auch die Drums sind auf das allernötigste reduziert – wenn sie nicht sogar durch eine sehr simpel klingende drum machine ersetzt werden. Umso mehr im Vordergrund steht dafür eine kratzige E-Gitarre, die meist nicht mehr als auf ein paar Akkorde reduzierte, aber umso effektivere Riffs produziert. Dazu singt VV mit ebenso zickiger wie sexy Stimme, hier und da aber auch Hotel.

Ein paar Vorbilder sind nicht zu überhören: Insbesondere bei den monotonen guitar drones von KISSY KISSY haben wohl Velvet Underground Pate gestanden, bei den gnadenlos wiederholten Riffs und dem bloßen Stampfen auf der bassdrum von PULL A U, FRIED MY LITTLE BRAINS oder HITCHED fühlt man sich fast an archaischen Electric Blues aus den 50ern erinnert, Captain Beefheart mit seinen Blues-Grotesken scheint nicht weit zu sein und wenn man sich den schlampigen und zerschlissenen, auf 8-track aufgenomenen Sound anhört und das collagierte booklet ansieht, auf dem sich das Duo im heroin chique präsentiert, könnte einem sogar EXILE ON MAIN STREET in den Sinn kommen. Was The Kills bei all diesen Rückbezügen aus der Retro-Ecke rausreißt, ist die gnadenlose Reduktion ihrer Musik auf Haut und Knochen. Da spielen sicher auch Punkeinflüsse mit einer do-it-yourself-Attitüde eine Rolle und auch The Jesus & Mary Chain scheinen den Kills keine Unbekannten zu sein, vor allem wirkt die Musik dadurch aber sehr entschlackt, direkt und – man möchte fast sagen – garstig. Irgendwie fies.

Klar, da werden viele R’n’R-Klischees verarbeitet – und ich gehe davon aus, dass The Kills das sehr bewusst tun -, aber in dieser reduzierten Art ist das großartig und je weiter The Kills sich von dem üblichen guitar, bass and drums-Sound entfernen, desto besser sind sie. Ein tolles Debut.

CAT CLAW: http://www.dailymotion.com/video/x2k21l_the-kills-cat-claw_music#.UPxS8KXL9d0

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„Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)