Re: Jazz zwischen Kunst und Kommerz

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soulpope
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bullschuetz
Und daraus kann man dann zweierlei folgern: Wenn man die Motown-Musik großartig findet (was ich tue), kommt man nicht umhin, die Besonderheiten ihrer Entstehung zur Kenntnis zu nehmen und neben dem Talent der beteiligten Musiker als mitursächlich zu akzeptieren. Wenn man sich zu diesem Eingeständnis nicht durchringen will, bleibt einem nichts anders übrig, als die Motown-Musik sicherheitshalber lieber mal nicht so großartig zu finden und zu sagen: „Wenn diese armen Künstler nicht diesem Schweinekapitalisten Berry Gordy in die Hände gefallen wären, hätten sie noch viel, viel tollere Musik gemacht.“

Natürlich könnte man jetzt auch alternativ mutmaßen :

„Wenn diese armen Künstler nicht diesem Schweinekapitalisten Berry Gordy in die Hände gefallen wären, hätten sie möglicherweise gar keine (professionell produzierte) Musik gemacht.“

Das „System Motown“ gab es auch in kleineren Dimensionen (um jetzt beim Soul zu bleiben), als gutes Beispiel hier der „Fame Sound“, wo das Chef-Landei Rick Hall mit mit einer Partie von anderen Landeiern (Songwriter aka Dan Penn+Spooner Oldham, Musiker aka Fame Gang etc) einen Sound „zimmerten“, der zumindest im Süden am Puls der Zeit war – das Flieszband in Basisform waren die Demos, welche – ironischerweise oft unerreichbar für die eigentlichen „Stars“ – Dan Penn sang und die Gang mit dem „Haussound“ instrumental unterlegte…….Manches „ging auf“, Anderes nicht……und es gab genug SängerInnen, welch obzwar mit Talent gesegnet eben nie durch jene Tür im FAME Studio gingen (oder gehen durften ?!?!?), über der die Inschrift „FAME Studio – The Sound of Success“ (noch heute !!! btw vor ein paar Jahren, als yours truly dort wieder mal zu Besuch war….) eingraviert ist……

Rick Hall und seine Frau Linda (welche selbst heute noch immer bereit ist, darauf hinzuweisen, wie „bedroht“ die FAME Studios nicht sind…..) hatten die Hand auf ALLEN relevanten Disc-Jockeys/Radio Stationen des Südens und so…….rollte die Sache…..

Stellvertretend die verifizierte Anekdote, als der blinde Sänger Clarence Carter seine ersten Aufnahmesession im Fame Studio hatte und ihm ein „Souffleur“, der (während der Aufnahme !!!) den Text einflüstern musste, zuraunte „Sing Clarence, sing…this man (aka Rick Hall) can make you a rich man“……..nuff said.

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