Re: Ella Fitzgerald – The First Lady of Song

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gypsy-tail-wind
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Besser gelingt die Live-Aufnahme aus Tokyo, die 1953 im Rahmen einer Jazz at the Philharmonic Tour entstand und später von Norman Granz auf seinem Pablo-Label als JATP in Tokyo – Live at the Nichigeki Theatre 1953 veröffentlicht worden ist. Das kopmlette Set von Ella sowie der Jam mit den All Stars findet sich auch am Anfang der oben abgebildeten schönen Pablo-Anthologie The Concert Years, in der auf vier CDs Live-Aufnahmen von 1953 bis 1983 versammelt sind (von 1953 geht’s da allerdings direkt nach Stockholm 1966, ebenfalls ein mit einiger Verspätung auf Pablo veröffentlichtes Konzert, von dem nur das Set mit Ellington enthalten ist, jenes mit dem Trio fehlt; dann folgen Auszüge von „The Greatest Jazz Concert in the World“ von 1967, auf CD2-4 bewegen wir uns durch die 70er, um schliesslich in der zweiten Hälfte der letzten CD noch Stücke von „Return to Happiness“ zu hören, das 1983 in Tokyo mitgeschnitten wurde).

Aber hier soll’s nur um die Tracks von 1953 gehen, ein tolles Set von neun Stücken, das mit „On the Sunny Side of the Street“ öffnet und eine entfesselte Ella Fitzgerald zeigt, die in Gegenwart der tollen Band richtiggehend aufblüht, quasi zu einem der guys in the band wird und wilde Improvisationen präsentiert. Pianist Raymond Tunia war damals anscheinend ihr regulärer Begleiter, dazu sind Herb Ellis, Ray Brown und J.C. Heard zu hören. Höhepunkte sind die Scat-Soli in „Lady Be Good“ und „How High the Moon“, aber auch Ellas Version von „Why Don’t You Do Right“ ist toll. In den Balladen („Body and Soul“, „I Got It Bad“) ist sie lyrisch, konzentriert bei der Sache, wird von Tunia aufmerksam begleitet. Auf „My Funny Valentine“ gibt’s ein paar Momente mit Herb Ellis, die fast schon an die künftigen Duos mit Joe Pass denken lassen. Am Ende des Sets steht eine sehr tolle Version von Arnett Cobbs „Smooth Sailing“, die mit ihrer Interpretation von „Airmail Special“ in Newport wohl zu den Höhepunkten solcher Vokal-Adaptionen von Instrumentals gezählt werden muss. Dann folgt die charmante Nonsense-Nummer „Frim Fram Sauce“ zum Abschluss (sie mag manchen vertraut sein, weil Diana Krall sie in den 90ern wieder ausgegraben hat… ja, auch ich hab sie zuerst von Krall gehört). Ella streut noch eine Zeile eines anderen Nonsense-Songs ein, „Two to Tango“ (den Lester Young in der Zeit als Sänger eingespielt hatte – aber die Version erschien auch erst viel später).
Als zehntes Stück hören wir dann noch „Perdido“, auf dem Oscar Peterson am Piano sitzt und die Bläser der JATP-Truppe dazustossen: Roy Eldridge & Charlie Shavers (t), Bill Harris (tb), Benny Carter & Willie Smith (as) und Ben Webster & Flip Phillips (ts). Ella singt zum Auftakt und fordert dann Ben Webster auf, der zu einem rockenden Tenorsolo ansetzt. Phillips folgt, spielt mit klareren Linien, weniger honkend, weniger intensiv, bis die anderen hinter ihm zu riffen beginnen und er auch einen Gang höher schaltet. Ich wage hier allerdings mal die These, dass auch so eine Wegwerf-Jam-Nummer mit viel crowd pleasing nicht ganz ungeeignet ist, to separate the men from the boys… Phillips bleibt ein (sehr guter) Epigone, Webster ist der grosse alte Meister.

Auf dem 2CD-Set finden sich neben Ellas Set und dem Jam auch kürzere Sets von Oscar Petersons Trio (mit Ellis und Brown), dem Trio von Gene Krupa (mit Benny Carter und Peterson), das obligate Drum-Solo (Krupa), sowie das Set der All Stars (gleiche Band wie mit Ella auf „Perdido“, Heard an den Drums), die zwei lange Jams spielen („Tokyo Blues“ dauert über 22 Minuten, „Cotton Tail“ unter 13) sowie ein langes, siebenteiliges Balladen-Medley. Aber das wäre mal Thema für einen JATP-Thread!

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