Re: Kriterien der Jazzkritik

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otis
Moderator

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katharsis
In der klassischen Musik habe ich eben meine Probleme damit, wenn ein Journalist eine ganze Symphonie oder gar Oper zerreisst, weil angeblich keine Dramatik zu finde ist und das Libretto nichts taugt, demgegenüber aber die Arbeit, die Technik und das Wissen dahinter nicht sieht.

Bzgl. des Boleros ist das möglicherweise ähnlich gelagert. Kein Zweifel, das Werk muss man nicht mögen, aber vielleicht klingt die Interpretation von Philippe Jordan besser als die von Ansermet? Der eine dirigiert vielleicht träumerischer und mehr auf Effekt, der andere straffer und rhythmisch akzentuierter.

Wenn etwas „nichts taugt“, muss man es auch sagen dürfen. Von Mozart gibt es sehr belanglose Sachen, mit Miles‘ Concierto kann man mich jagen, (dagegen ist die Sinner Lady Gold, dabei liebe ich Miles u.nd Mozart), der Bolero ist perfekt gemachter Kitsch (mag ja sein, dass es akzeptable Einspielungen davon gibt, aber warum sollte man danach suchen). Und nun?

Will sagen, je größer der zeitliche Abstand desto weniger hinterfragbar erscheint mir ein Werk an sich. In der Auseinandersetzung mit Kunst geht es aber m.E. immer um die Bedeutung im Hier und Jetzt für jeden einzelnen Rezipienten, nichts ist an sich bedeutend. Wenn ich aber ein Werk nicht mehr hinterfragen darf, wird es leblos.
Der Jazz ist nun alt genug, er wird mehr und mehr kanonisiert und geht diesbzgl. Richtung Klassik. Daher meine Fragen nach den Kriterien der Jazzkritik, sind sie noch lebendig oder nur noch akademische oder essayistische Spielereien.

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