Re: Katastrophe bei der Duisburger Love Parade

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dengel

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Spiegel Online:

Die Katastrophe bei der Love Parade provoziert schwere Vorwürfe gegen den Veranstalter und die Stadt. Die Staatsanwaltschaft hat sich eingeschaltet, prüft die Genehmigungsunterlagen – nach SPIEGEL-ONLINE-Informationen warnte die Polizei vor der Millionenparty, scheiterte aber mit einem umfassenden Sicherheitskonzept.

Duisburg – Wie riskant war das Sicherheitskonzept für die Love Parade? Polizei und Feuerwehr in Duisburg hatten nach SPIEGEL-ONLINE-Informationen eine eigene, weiterreichende Planung für die Millionenparty entwickelt – mit der sie sich allerdings in der Stadt nicht durchgesetzt haben.

Nach Angaben aus der Duisburger Polizeiführung wollten die Experten die Teilnehmer „großflächiger“ anreisen lassen und unbedingt verhindern, dass es zu einer Nadelöhrsituation kommen kann. Der Plan hätte einen weitaus größeren Personaleinsatz erfordert und sei von der Stadtverwaltung schließlich verworfen worden. Tatsächlich bildete sich dann an diesem Samstag ein Nadelöhr, mit fatalen Folgen – in einem langen Tunnel, der zu dem Festivalgelände am Alten Güterbahnhof führte, steckten viele Teilnehmer fest. Jugendliche überrannten ein Gitter, stürmten eine ungesicherte Treppe und auf einen Mast, einige stürzten ab. Daraufhin brach nach Angaben der Polizei die Massenpanik aus, in der 19 Menschen zwischen 20 und 40 Jahren starben und mehr als 300 verletzt wurden.

Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft und der Polizei haben am Sonntagmorgen die Planungsunterlagen für die Techno-Party beschlagnahmt. Man habe die Akten übergeben, sagte der Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) bei einer Pressekonferenz im Duisburger Rathaus. Sicherheitsdezernent Wolfgang Rabe sagte, sein ganzes Dezernat wolle „lückenlose Untersuchungen“. Es liegen Strafanzeigen vor, laut der „Neuen Ruhr/Neuen Rhein Zeitung“ unter anderem von einem Feuerwehrmann, der genau vor der Gefahrenstelle gewarnt hat, an der das Unglück passiert ist.

Veranstalter gibt Ende der Love Parade bekannt

Die Deutsche Polizeigewerkschaft teilte mit, dass die Sicherheitskräfte massive Vorbehalte hatten. Das Gelände der Love Parade sei viel zu klein gewesen, sagte Vizelandeschef Wolfgang Orscheschek. Die Menschen seien „Opfer materieller Interessen“ geworden. Die Stadt sei bei der Planung der Love Parade vom Veranstalter so in die Enge getrieben worden, dass sie trotz „eindringlicher Warnungen aus dem Sicherheitsbereich“ nur habe Ja sagen können.

Ähnlich äußerte sich Love-Parade-Gründer Dr. Motte, der mit der Party in Duisburg nichts zu tun hat: „Die Veranstalter sind schuld“, sagte er dem „Berliner Kurier“. Es sei ein Skandal, die Menschen nur durch einen einzigen Zugang auf das Gelände am alten Güterbahnhof zu lassen. „Da ging es doch nur ums Geldmachen. Die Veranstalter haben nicht das geringste Verantwortungsgefühl für die Menschen gezeigt.“

Bei der Pressekonferenz im Rathaus drückte Rainer Schaller sein Beileid aus. Er ist sowohl Organisator der Love Parade als auch Geschäftsführer der McFit-Kette, des Hauptsponsors. „Wir werden alles unternehmen, um die schnelle und lückenlose Aufklärung dieser Tragödie zu unternehmen“, sagte er – und verkündete dann das Aus für die Love Parade angesichts der Tragödie. Zu Details sagte er nur, die Stadt habe keine Bedenken gesehen. Außerdem sei das Gelände in Duisburg größer gewesen als das in Dortmund.

Auf Fragen, wieso der Eingang zu dem Gelände gut eine Stunde lang gesperrt war, so dass es zu dem Stau in dem Tunnel kam, antworteten die Verantwortlichen bei der Pressekonferenz, das müsse im Detail in den weiteren Verfahren geklärt werden. Duisburgs Polizeipräsident Detlef von Schmeling sagte, man habe „verschiedentlich gesperrt“ an einzelnen Stellen. Nach seinem jetzigen Wissensstand habe es aber während der Panik Bewegungsmöglichkeiten auch auf der Rampe vom Tunnel auf das Gelände gegeben. Nach der Klarheit über die Panik habe man eine zweite Eingangsrampe aufgemacht.

Sicherheitsforscher verteidigt sein Konzept: „Das Werk von Einzelnen“

Das endgültige Sicherheitskonzept hat der Duisburger Panikforscher Michael Schreckenberg mitverantwortet. Er verteidigte im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE die Planung. Der Tunnel, in dem es zur Massenpanik gekommen war, sei groß genug ausgelegt gewesen, sagte der Professor für Physik von Transport und Verkehr, der mit seinem Kollegen Kai Nagel als einer der Pioniere der Stauforschung gilt. Mit stürzenden Menschen hätten die Organisatoren nicht rechnen können: „Das ist das Werk von Einzelnen.“ So etwas könne man nicht vorhersehen. „Das ist ein tragisches Unglück, dagegen kann man sich bei einer Masse nicht wappnen.“

Ähnlich verteidigte sich noch am Samstagabend der Oberbürgermeister Sauerland (CDU). Die Ermittlungen der Polizei müssten nun „den genauen Ereignishergang zutage fördern“, sagte er. Die Stadt habe aber „im Vorfeld mit dem Veranstalter und allen beteiligten Partnern ein stichhaltiges Sicherheitskonzept ausgearbeitet“: „Wenn Sie jetzt hören, was wohl die Ursachen sind, dann lag es nicht am Sicherheitskonzept, was nicht gegriffen hat, sondern wahrscheinlich an individuellen Schwächen.“

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