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Ekkehard Jost schreibt in Free Jazz: Stilkritische Untersuchungen zum Jazz der 60er Jahre (Wien 1975 – ich hab die Ausgabe von Schott, Mainz 1975 – hier gibt’s Vorreden und die Einleitung) im 5. Kapitel („John Coltrane 1965-1967“) ziemlich ausführlich über die Session zu Coltranes Album Ascension und macht dabei einige allgemeinere Anmerkungen zum Problem der Trompete in der neuen Musik jener Zeit, die mir durchaus erwähnenswert scheinen:
Es mag aufgefallen sein, dass bisher kaum von den an Ascension beteiligten Trompetern, Freddie Hubbard und Dewey Johnson, die Rede war. In der Tat ist die Rolle der Trompete hier – wie generell im Free Jazz – problematisch. Anders als dem Saxophonisten stehen dem Trompeter Mittel der klanglichen Verfremdung und Ausweitung kaum zur Verfügung. Die growl-Töne, welche Hubbard in anderem Zusammenhang spielt, stellen eher eine Verlegenheitslüsung dar als ein musikalisch relevantes Element. Die Ausweitung des Tonbereichs in die überblasenen Register, welche der Saxophonspielweise erhebliche Impulse geben konnte, kommt bei der Trompete nicht zur Geltung, denn diese ist – wie alle Blechblasinstrumente – von Natur aus ein überblasendes Instrument. Der Tonumfang, der von Cat Anderson und anderen „Höhen-Trompetern“ erschlossen wurde, konnte auch dem Free Jazz-Trompeter keine neuen Inspirationen vermitteln. Noch weniger waren die Versuche mit dem sogenannte „Unterblasen“ erfolgreich: Töne, die man auf der Trompete unterhalb des geläufigen „Grundtones“ zwar erzeugen kann, erwiesen sich in der Regel als zu unflexibel, um eine wirkliche Bereicherung des Klanges zu ergeben. Nur allzu bezeichnend für diese Situation ist der Gruff Don Ellis‘ zur Vierteltontrompete sowie seine Einbeziehung mannigfacher artifizieller, auf elektro-akustischem Wege produzierter „Klangeffekte“, aber auch Don Cherrys und Lester Bowies Multi-Instrumentalismus.
Der Wille zur Exploration der Klangfarbe als eines der wesentlichsten Antriebsmomente zur stilistischen Erneuerung stellt so die Trompeter des Free Jazz for quasi unlösbare Aufgaben. Umso verständlicher mag es sein, wenn die Soli von Freddie Hubbard und Dewey Johnson etwas konfus und richtungslos anmuten. In dem gewaltigen Klanggebäude der Gruppenimprovisationen von Ascension tragen ihre Stimmen gewiss wesentlich zur Färbung des Gesamtklanges bei, gegen die emotionale Kraft der solistischen Alleingänge der Saxophonisten jedoch scheinen sie farblos. Es bedurfte eines anderen musikalischen Kontextes, um der Trompete unter Beibehaltung ihrer natürlichen Klangeigenschaften einen Platz im Free Jazz zu geben, wie in den Kapiteln über Don Cherry und das Art Ensemble of Chicago zu zeigen sein wird.~ Ekkehard Jost, Free Jazz, Mainz 1975, 109f.
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