Avantgarde: Trompete

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  • #68715  | PERMALINK

    Anonym
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    Nun also eine Neueröffnung zu Bill Dixon. Ich habe mich etwas umgesehen, aber unter den bestehenden Threads wollte mir keiner so recht geeignet scheinen. Da mag ich mich irren; mag es so hingehen.

    Zuerst und mit Begeisterung ist mir Dixon auf Taylors Conquistador!-Album aufgefallen; das war ziemlich zu Beginn meiner Jazz-Erkundigungen; ich bin dann weiter gelaufen und habe mir nach und nach das für mich Greifbare von ihm besorgt, von »Bill Dixon in Italy, vol. 1 & 2« (1980) bis zu den aktuellen »Tapestries for Small Orchestra«. Dixon lässt mich »langsam« werden, nicht in irgend einem feuilletonistischen Sinn, sondern, um es mit Musil zu sagen, so, dass ich Laune zum »Bedenken« bekomme, oder vielmehr: sie mir erhalte. Es wurmt mich beinahe selbst, dass ich da eher ins Unbestimmte abschweifen oder auch abgleiten muss: Es gibt ja diese Erinnerungen im Leben an – objektiv gesehen – nachweislichen Unfug, der aber so wichtig ist, wie das erste, als billige Kopie an die Wand gepappte Gemälde, das inzwischen auch eine Lithografie von Dixon hätte sein können. Mir geht es jedenfalls nicht so, dass ich den Dachbegriff »Ethos« nicht auf Dixon anwenden wollte. Bei Kunzler finde ich ihn dahin übersetzt, dass der Mann die »Rolle des Künstlers aus streng unkommerzieller Sicht« sehe, und das findet meine begrenzte musikalische Hausapotheke sonst nur bei Kurtág auch musikalisch realisiert. (Ich kürze ab um der Zuspitzung willen.) Ich weiß also Dixon nicht anders einzuordnen, als ihn auf einen der Schneegipfel zu setzen, von denen ja jeder schon gehört hat. Was, beispielsweise, soll man sagen zu »17 Musicians searching of a sound: Darfur«? Ein Requiem ohne Zweifel, aber sans Bourgeoisie.

    Das alles heißt also, dass ich selbst einstweilen wenige Details beitragen könnte – die ich mir aber sehr von Euch erhoffe –, dass ich nichts über Filiationen zu anderen Musikern sagen könnte, das ich nicht nur von den Covern ablesen würde und für angemessen hielte.

    Übrigens ist der Link auf Dixons Site zu seiner Diskografie leider »blind«, eine (aber wohl unvollständige) Übersicht findet sich bei allmusic. Zu »Odyssey« gibt es hier etwas, zur Victoriaville-Geschichte hier – ein Interview mag interessieren und ein Telefongespräch auch?

    Äußerungen Dixons, halbwegs wahllos und ohne Präferenz aus dem OFN-Interview gegriffen:

    »People know what they like and they know they want what they like done, and where they want it done, and by whom it’s to be done, how it’s to be done, and when and under what circumstances.«

    »I knew I was not going to be controlled. I knew there was a price for this, but I did not know there was as large a price as it turned out to be.«

    »[…] like everyone else, I have also been a prisoner to my experiences. Let me put it this way, and know that it is an oversimplification. For everyone for whom it has worked, there are the others that have managed to have it work yet another way. Thus, the way this ›system‹ works is predicated on the principle of ›letting some people in‹. […] In so many ways, it is like basketball.«

    »I don’t know how it is possible, aesthetically, to play with ten groups at one time.«

    »Who should determine who is doing major work and who is doing lesser work? I, myself, have never met anyone who considered himself or herself a minor person. Ellington could not have done what he did without all the people he had; yet, you hear some people say the best Ellington band was the band of 1941 or 1942. I don’t think Ellington thougt that way; otherwise he might have had the tendency to stop right there.«

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    #7556249  | PERMALINK

    redbeansandrice

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    vielen vielen Dank, dass du dir diese Mühe gemacht hast… ich kenn Dixon noch so gut wie gar nicht und werd mich bemühen, nächste Woche ein bißchen nachzuholen… (magst du vielleicht noch ein, zwei kleine Hinweise für den Einstieg geben?)

    Die Diskografie, die früher auf Dixons Homepage stand…

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    #7556251  | PERMALINK

    Anonym
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    redbeansandricemagst du vielleicht noch ein, zwei kleine Hinweise für den Einstieg geben?

    Du meinst einen Höreinstieg? Hattest Du nicht, redbeans, in irgend einem Thread von Andrew Hill gesprochen? Hoffentlich irre ich mich da nicht, ich habe im Forum gesucht, aber – weiß der Himmel, warum – den Beitrag nicht mehr finden können. Nun also, jedenfalls habe ich mir gleich von Hill die „Strange Serenade“ besorgt, obwohl die Platte, glaube ich, weder in Deinem Beitrag noch in einem anderen noch im Netz erwähnt bzw. freundlich bedacht wurde. Mich hat es nicht abgehalten, weil Hill hier mit Alan Silva und Freddie Waits spielt. Und über diese beiden möchte ich die Schleife zu Dixon binden, zu Dixon in Italy, auf denen Silva und Waits ebenfalls zu hören sind und ebenfalls 1980. Sofern Du Dixon in Italy verfügbar hast – wie beurteilst Du das Album im Vergleich zu „Strange Serenade“? Ich höre beide Male intensivste Kammermusik, wobei Dixon so weit es geht reduziert. Das möchte ich gar nicht bewerten; ich bin aber betroffen von dieser Intensität – Hills wie Dixons plus Silva und Waits (Natürlich, bei Dixon kommen noch Brooks, Haynes und Horenstein dazu.) Anders zu reden: Gerade kommt es mir so vor: Taylor + Mobley = Hill. Dieses Plus ist aber in seiner Unwägbarkeit gewiss nur meiner momentanen Begeisterung zu schulden.

    War die Abschweifung zu groß? Dixon ist ein großes Füllhorn, dachte ich jedenfalls, offen für alles.

    Danke, redbeans, für die Diskografie, die hatte ich gesucht und nicht gefunden. Da fehlt mir, zum Teufel, aber einiges!

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    #7556253  | PERMALINK

    Anonym
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    1980? Das war untertrieben, aber nicht von mir, wie ich gerade sehe:

    Dixon in Italy: 11.-13. Juni 1980.

    Hill Trio: Strange Serenade: 13.-14. Juni 1980.

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    #7556255  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Kenne Dixon noch sozusagen nicht…

    Das Album mit Taylor, das du erwähnst – kam aber erst spät zu meiner Sammlung… also nachdem ich schon „Unit Structures“ und etwa zwanzig weitere Taylor-CDs hatte, hat dementsprechend nicht dermassen welterschütternd gewirkt, aber ich leg’s bald mal wieder auf!

    Dann die frühe Session auf dem Savoy-Album von Shepp/Dixon (je eine Plattenseite, die CD enthält ein oder zwei alternates von der spannenden Dixon-Session).

    Und dann das Trio mit Taylor/Oxley, wo für mich Dixon aber nicht so recht reingepasst hat (während Taylor/Oxley im Duo fantastisch sind).

    Und natürlich darf nicht unerwähnt bleiben, dass er der Kopf hinter der „October Revolution in Jazz“ war – dazu scheint’s im Netz allerdings gar nichts zu geben…

    Hier gibt’s ein paar wenige Infos, v.a. zu „Odyssey“ (6 solo CDs?!):
    http://www.efi.group.shef.ac.uk/musician/mdixon.html

    In Anbetracht der neuen Box-Sets von CAM, dem jetzigen Besitzer der SoulNote/BlackSaint-Kataloge, ist zu hoffen, dass die Alben von Dixon (es wären 9, die bisherigen Boxen enthalten höchstens 6-7) in dieser Form neu rauskommen, da würde ich sofort zugreifen. Für ca. 20€ das Stück hab ich mich bisher nicht entschliessen können, zumal die meisten Alben ja nicht auf uneingeschränkte Gegenliebe stossen, wie mir scheint.

    Muss mal schauen, ob ich die Wire-Nummer mit dem Interview habe… üblicherweise kaufe ich Ausgaben mit einer grösseren „jazz-related“ Story drin und lese sie dann doch nie…

    Auf Evidence gibt’s übrigens eine live CD, aufgenommen an einem Konzert zu Ehren der „October Revolution in Jazz“. Kenn ich auch noch nicht, aber könnte ganz interessant sein! (> Jazztime Kritik <)

    --

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    #7556257  | PERMALINK

    nail75

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    Ich kenne genau zwei Alben von Dixon als Leader, nämlich „Papyrus II“, das fand ich fragmentarisch und schwer hörbar und habe die CD deshalb verkauft und „Son Of Sisyphus“, das habe ich auf Vinyl und das gefällt mir wesentlich besser, ohne dass ich es deshalb für ein Meisterwerk halten würde. Die beiden VÖs haben mich aber nicht motiviert, mich ausgiebig mit Dixon zu beschäftigen.

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    Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.
    #7556259  | PERMALINK

    Anonym
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    Dank Dir, gypsy, für Deine Worte. »Welterschütternd« wäre wohl wirklich etwas zu viel gesagt, aber mal abgesehen von der Musik überhaupt auf »Conquistador!« ist mir da tatsächlich die trumpet sofort aufgefallen, was auch damit zusammenhängen kann, dass Taylors Spiel beim Hinzukommen Dixons, na ja, einmal ruhiger wird, modellierend mit weniger Anschlägen pro Minute, um es so zu sagen.

    Shepp mit Dixon habe ich leider noch gar nicht gehört, auch das Trio mit Oxley und Taylor nicht – lediglich die beiden »Papyrus«-Alben mit Oxley stehen hier. Meinst Du, nail, mit »fragmentarisch« womöglich genau das, was ich einfach als »reduziert« bezeichnet habe? Ich werde mir das noch einmal anhören – übrigens kursiert ja auch das Etikett des Minimalismus, und hier kann ich persönlich gerade nur anmerken, dass er mich als Stil noch gar nicht hat packen können, aber wenn er bloß die »Reduktion« der musikalischen Invention meint, wäre ich wohl einverstanden. Weniger fragmentarisch könnte vielleicht die »Thoughts« klingen, v. a. mit den ausladenden Mittelstücken (neben Dixon John Buckingham, Tuba; Laurence Cook, drums; Marco Eneidi, alto sax; Peter Kowald, William Parker, Mario Pavone – alle bass).

    Danke auch, gypsy, für den Hinweis auf die »October Revolution«-CD, das hört sich interessant an. »Odyssey« enthält m. W. 5 CDs mit Solostücken von Dixon, hauptsächlich Anfang der 70er bis Mitte 70 aufgenommen, wobei zum Teil auch Duos (tr/tr, tr/p) zu hören sind, mittels overdubbing. (Das Klavier spielt Dixon.) Außerdem gibt es auf CD 6 ein Interview und zusätzlich noch einige Essays und paintings von Dixon in der Box, die dummerweise aber auf 1000 Exemplare limitiert ist. Zusätzlich zu Deiner Link-Ergänzung findet sich bei OFN noch eine Charakterisierung – hier.

    Die Trompete als Instrument erschließt sich mir übrigens noch nicht sehr lange; auch sollte ich nicht »erschließen« sagen, sondern erst einmal so etwas wie »gefallen« oder »ansprechen«. Neben Dixon würde ich da im Augenblick vor allem Woody Shaw nennen. Wie wäre denn Dixons »Ton« überhaupt einzuordnen innerhalb des Trompetenkosmos?

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    #7556261  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Registriert seit: 25.01.2010

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    Hab gar nie daran gedacht, Dixon irgendwie in die grossen Jazz-Trompeter einzureihen, ehrlich gesagt… für mich kommen da nach Hubbard und Shaw irgendwie keine mehr… ich hab ein wenig Mühe, Avantgardisten da einzureihen, nicht spezifisch bei Trompetern sondern im Allgemeinen.

    Jacques Coursil wäre ev. noch jemand, den du mal anhören könntest (ich kenn nur ein paar der 60er Kaputtspielfreejazzaufnahmen als Sideman und „Clameurs“ von ’07).
    Und Leo Smith – das 4CD Set auf Tzadik mit den frühen Sessions auf seinem eigenen Label Kabell ist ganz toll – zwei CDs Solo, zwei mit kleinen Gruppen.

    Smith ist meiner Meinung nach ziemlich sicher einer der „grossen“ Trompeter, klingt allerdings in anderen Settings oft stark nach Miles Davis (hat auch eine Hommage an die electric Miles Zeit gemacht mit Henry Kaiser), aber diese frühen Aufnahmen sind toll! Danach würd ich mal sagen durchzogen aber fast immer spannend, auch wenn nicht immer erfolgreich…

    Wen gibt’s denn da sonst noch so, in Sachen Avantgarde-Trompeter? Don Cherry, Lester Bowie, Leo Smith, Bill Dixon… Alan Shorter (nur zwei Alben, „Orgasm“ und „Tes Esat“, erstere grossartig, zweitere… weiss nicht so recht) und Donald Ayler (als leader nur „In Florence“ soweit ich weiss, sonst mit Albert)… Norman Howard („Burn Baby Burn“ auf ESP ist sehr hörenswert!)… Wen vergess ich noch?
    Scheint mir schon ziemlich klar, dass das Saxophon DAS Instrument par excellence war – Posaunisten fallen mir auch nur ein paar wenige ein (Roswell Rudd, Grachan Moncur, Clifford Thornton auf der Ventilposaune).

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    #7556263  | PERMALINK

    redbeansandrice

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    gypsy tail wind
    Jacques Coursil wäre ev. noch jemand, den du mal anhören könntest (ich kenn nur ein paar der 60er Kaputtspielfreejazzaufnahmen als Sideman und „Clameurs“ von ’07)

    ich bin ja erst morgen wieder da, aber hier fehlt das beste vom Spätwerk (neben Clameurs noch zwei weitere Alben…) ;-): Minimal Brass auf Tzadik!

    --

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    #7556265  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    redbeansandriceich bin ja erst morgen wieder da, aber hier fehlt das beste vom Spätwerk (neben Clameurs noch zwei weitere Alben…) ;-): Minimal Brass auf Tzadik!

    Dachte ich mir, dass du dich dazu noch melden würdest… bin auch „Clameurs“ auch nur etwa zufällig gestossen, wie ich auf Dixon gestossen bin…

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    #7556267  | PERMALINK

    nail75

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    clasjazMeinst Du, nail, mit »fragmentarisch« womöglich genau das, was ich einfach als »reduziert« bezeichnet habe? Ich werde mir das noch einmal anhören – übrigens kursiert ja auch das Etikett des Minimalismus, und hier kann ich persönlich gerade nur anmerken, dass er mich als Stil noch gar nicht hat packen können, aber wenn er bloß die »Reduktion« der musikalischen Invention meint, wäre ich wohl einverstanden. Weniger fragmentarisch könnte vielleicht die »Thoughts« klingen, v. a. mit den ausladenden Mittelstücken (neben Dixon John Buckingham, Tuba; Laurence Cook, drums; Marco Eneidi, alto sax; Peter Kowald, William Parker, Mario Pavone – alle bass).
    […]
    Die Trompete als Instrument erschließt sich mir übrigens noch nicht sehr lange; auch sollte ich nicht »erschließen« sagen, sondern erst einmal so etwas wie »gefallen« oder »ansprechen«. Neben Dixon würde ich da im Augenblick vor allem Woody Shaw nennen. Wie wäre denn Dixons »Ton« überhaupt einzuordnen innerhalb des Trompetenkosmos?

    Ja, ich denke, dass wir dasselbe meinen. Ein Papyrus besteht ja in der Realität oft genug aus Fragmenten, das würde insofern passen. ;-)

    Ich kann Dixon nur schlecht einordnen. Obwohl er mit Cecil Taylor und Archie Shepp gespielt hat, erinnert er mich weder an sie oder an Miles Davis noch an europäische „Minimalisten“ wie Enrico Rava oder Tomasz Stanko. Letztere habe ich erwähnt, um mein Problem mit seiner Musik zu verdeutlichen. Im Rahmen des atmosphärischem ECM-Jazz (um das jetzt mal so klischeehaft wie möglich auszudrücken) mag ich den Minimalismus gerne, er lässt der Musik viel Freiraum, um ihre Schönhheit zu entfalten. Im avantgardistischen Jazz mag ich die wilde Ekstase lieber, die mich mitreißt, und wenn ein Musiker so minimalistisch spielt wie Dixon, dann fühle ich mich schnell verloren, weil ich keinen Zusammenhang erkennen kann.

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    Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.
    #7556269  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Bobby Bradford und Lester Bowie als „Gegenpole“? Die können/konnten ganz schön expressionistisch sein!

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    #7556271  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

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    Dixon als Trompeter zu rühmen, gypsy, war gar nicht meine Absicht – das könnte ich ja auch gar nicht und das ist ja meine (Zusatz-)Frage: wie Ihr ihn beurteilen würdet im Verhältnis zu anderen? Da werde ich jetzt einmal nach den von Dir genannten Coursil, Smith und den anderen suchen – allerdings interessiert mich der elektrifizierte Miles zurzeit überhaupt nicht. Lass es mich so sagen: Man muss sich ja auch immer eine Menge vom Leib halten, um die Ohren offen zu halten für den jeweiligen Hör(zu)stand; später darf dann natürlich anderes anklopfen. (Ich weiß bspw. nicht, ob das Hill-Trio mit »Strange Serenade« vor einem Jahr ein solches Fressen für mich gewesen wäre, wie es das gerade ist.)

    Mein eigentliches Interesse gilt eher Dixon als Komponist – das finde ich überhaupt eine kitzlige Frage, nämlich: Wann endet das Arrangement und wann beginnt die Komposition? – die Komposition, die sich gerne auch in der Improvisation zeigen darf. Und dann, in der Klassik ist das ja institutionell handgreiflich: Wie steht es im Jazz denn um die Unterscheidung von Komposition und Interpretation (das Arrangement ist ja nur ein Weg, diese Unterscheidung aufzuheben, oder, in anders gewürzten Worten, sie kreativ auszuhebeln). Da ist es natürlich gut, zunächst einmal viel Material – viele Aufnahmen und verschiedene Musik – präsent zu haben, um überhaupt mitreden zu können.

    Auch interessant, warum ein bestimmtes Instrument eher ins Ohr zu gehen scheint (»das Saxophon DAS Instrument par excellence«) als andere. Ganz beliebt bei Instrumentalisten ist ja der Hinweis darauf, dass ihr Instrument der menschlichen Stimme so sehr ähnele. (Ich nehme an, das haben sogar ein paar Elektroniker gesagt.) Ich glaube, es war Aaron Copland, in dessen Einführung in die (klassische) Musik ich Zitate zu allen möglichen Instrumenten in diesem Sinne gefunden habe: am Ende war es dann die Orgel, die der menschlichen Stimme … Aber um den Ball, den ich mir gerade selbst ins Tor schieße, doch noch wegzufausten: Dixon hat irgendwo bemerkt, dass die Wahl der Instrumente für die Musik egal sei. Darüber kann man m. E. gar nicht ordentlich streiten, sondern es nur feststellen. Theoretisch bin ich Dixons Meinung, praktisch kann ich manchen Ton bestimmter Instrumente einfach nicht hören. Mir scheint wichtiger, den kompositorischen Impetus, der sich in dergleichen hingestreuten Meinungen äußert, wahrzunehmen. Es ist ein Unterschied, ob man »für ein Instrument« bzw. auf der Basis eines Instruments komponiert oder – ob man komponiert. Nehme ich an. Und auch da ließen sich etliche Facetten anmerken, bestimmt.

    Und so frage ich mich, nail, ob Dein Eindruck, Dixon erinnere Dich nicht an Taylor oder Shepp, obwohl er mit ihnen gespielt habe, nicht auch daher rühren könne, dass Dixon weniger »Interpret« als Komponist ist? Bei dem Minimalismus als Stil dachte ich übrigens eher an Leute wie Riley, Glass und Nyman; den »atmosphärischen ECM-Jazz« (doch, Eicher hat schon eine Neigung zum Klischee, nämlich zu seinem eigenem, finde ich, allerdings ist das womöglich auch eine Voraussetzung dafür, hin und wieder echte Körner aufzupicken – das weiß ich nicht) kann ich mit Dixon allerdings gar nicht in Verbindung bringen (mag daran liegen, dass ich weder Ravo noch Stanko kenne oder sie mir noch nicht aufgefallen sind). Darüber, ob das minimalistische, fragmentierte, reduzierte Spiel den Zusammenhang verlieren lässt, muss ich noch mit Hörproben nachdenken. Gerade scheint mir, dass ein Zusammenhang genauso verloren gehen kann in der »wilden Ekstase« wie in der Zurückhaltung. Aber irgend etwas stimmt bei dieser Gegenüberstellung nicht (ich meine natürlich nicht, dass Du jene eben lieber hast), denn in beiden kann doch der Zusammenhang für den einen verloren gehen, und der andere findet es anders. Aber da Du also von wilder Ekstase sprichst: Ich hab es schon erwähnt, die Darfur-Platte ist Ekstase, wenn auch fragmentarisch, wenn auch eine Art umgekehrter Ekstase.

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    #7556273  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Also langsam machst du mich wirklich gwundrig, wie wir hier sagen… :-)
    Muss mir mal was neueres von Dixon suchen gehen…

    Zu Leo Smith: die Kabell-Alben (bzw. eben das Tzadik 4CD-Set) hat überhaupt gar nichts mit electric Miles am Hut! Ich hab das nur erwähnt, weil mir letztlich Miles für Smith zumindest trompetentechnisch eben doch ein wichtiger Einfluss scheint und weil dieses „Yo Miles“-Projekt dasjenige ist, wo man das am deutlichsten (nämlich schon im Band-Konzept) hören/sehen kann.

    Und Rava und Stanko würd ich jetzt mal generell weder mit Smith noch mit Dixon oder Coursil vergleichen wollen. Auch wenn beide (also Rava und Stanko) auch freiere Sachen gemacht haben oder ab und zu noch immer machen (zumindest Stanko) so sehe ich sie an ganz einem anderen „Ort“.

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    #7556275  | PERMALINK

    redbeansandrice

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    gypsy tail windHab gar nie daran gedacht, Dixon irgendwie in die grossen Jazz-Trompeter einzureihen, ehrlich gesagt… für mich kommen da nach Hubbard und Shaw irgendwie keine mehr… ich hab ein wenig Mühe, Avantgardisten da einzureihen, nicht spezifisch bei Trompetern sondern im Allgemeinen.

    Smith ist meiner Meinung nach ziemlich sicher einer der „grossen“ Trompeter, klingt allerdings in anderen Settings oft stark nach Miles Davis (hat auch eine Hommage an die electric Miles Zeit gemacht mit Henry Kaiser), aber diese frühen Aufnahmen sind toll! Danach würd ich mal sagen durchzogen aber fast immer spannend, auch wenn nicht immer erfolgreich…

    Wen gibt’s denn da sonst noch so, in Sachen Avantgarde-Trompeter? Don Cherry, Lester Bowie, Leo Smith, Bill Dixon… Alan Shorter und Donald Ayler (als leader nur „In Florence“ soweit ich weiss, sonst mit Albert)… Norman Howard… Wen vergess ich noch?

    Barbara Donald, wenn man ihn hier zuzählen mag Charles Tolliver, diesen Dewey Johnson… Manfred Schoof zu nennen ist nicht abwegig zumal er heute Geburtstag hat… irgendwelche Japaner vielleicht noch… Bernard Vitet… noch mehr halbe Hardbopper Ted Curson, Ted Daniel, Roy Burrowes…

    ich find das mit der großen Reihe der Trompeter eigentlich schon im Hard Bop etwas schwierig… also, bei den Tenorsaxophonisten hat man Hawkins, Young, Coltrane, das sind die wichtigsten Solisten gewesen und damit hat man auch die wesentlichen Arten Tenorsaxophon zu spielen bemerkenswert gut abgedeckt…(ok, Sonny Rollins sollte man dazunehmen und/oder Charlie Parker) bei den Trompetern hat man wohl Armstrong, Gillespie, Davis… aber schon in den fünfziger Jahren find ich es schwierig, damit das wesentliche abzudecken, Navarro/Brown waren als Einfluss fast wichtiger als die drei… viele der lyrischen Trompeter kommen genauso sehr aus dieser St-Louis/Freddie Webster Schule (also haben einen viel volleren/hübscheren Sound als Miles Davis… Prototyp wär Clark Terry)… deshalb steht man irgendwie vor der Wahl: Ist die große Ahnenreihe der Trompete diese drei Musiker, vielleicht Navarro/Brown als vierten? dann wüsst ich tatsächlich nicht so recht, wen man dazunehmen sollte – ist ja auch eine sehr sehr große Sache… wenn man das Fenster weiter aufmacht, Hubbard, Byrd, Dorham, Shaw, die ganzen Leute die „wirklich auf den Platten zu hören sind“ mit hineinnimmt, dann kann man eigentlich auch beliebig fortsetzen…

    andere Gedanken:
    grad Miles Davis hat ja auch so etwas wie die Rolle des Trompeters, der genauso sehr als Signalgeber/Dirigent/Arrangeur neben der Band steht, wie Teil der Band ist, „populär“ gemacht – passt ja auch zum Instrument, bei Pianisten und Schlagzeugern gibt es das auch, bei Tenorsaxophonisten wüsst ich keinen, die stehen eigentlich immer mittendrin, da sind die Aufgaben viel integrierter… anders gesagt: dadurch, dass die meisten Erfinder des Free Jazz Saxophon spielten, Charlie Parker Saxophon spielte, sind die Ahnenreihen bei den Saxophonen vergleichsweise einfach zu ziehen, während man bei anderen Instrumenten immer diese Umwege über Ayler/Coltrane… drin hat…

    bei mir fängt jetzt „Opium/For Franz“ von Franz Koglmann mit Dixon und Steve Lacy langsam an einzusickern (stream, Dixon nur auf Track 3 (?), details, leider in miesem Sound) (Steve Lacy schon verfolgt, clasjazz?), Koglmann ist wohl auch gar nicht so ein abwegiger Bezugspunkt für Dixon…

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