Re: ROLLING STONE Januar 2010

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mep

Registriert seit: 12.05.2008

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… so / die aktuelle Ausgabe hat dann für mich doch tatsächlich noch einmal einen etwas versöhnlicheren Charakter; endlich nach den eher schwierigen letzen Nummern des RS. Letztlich bleibt es aber doch immer noch etwas anstrengend, wenn man auf den ersten dreizig Seiten nahezu keinen Artikel ohne Wortauslassungen, Verdoppelungen und grundsätzlichen stilistischen Ungenauigkeiten findet. Und die Aufteilung der einzelnen Bereiche sollte nun wirklich doch noch einmal etwas genauer überdacht werden. Viele Artikel hängen gerade durch die ungemeine Straffung des Kulturgutbereichs richtiggehend in der Luft. Aber gerade wenn sich der RS auf seine ureigenen Qualitäten besinnt, auf Tiefe und Anspruch der Besprechungen, dann findet sich immer noch viel Schönes zwischen den Zeilen und Seiten …

Und wenn man den richtigen Künstlern mit den richtigen Fragen den nötigen Platz im Heft lässt, dann kann man sich getrost auch auf einige wenige Themen fokussieren. Tocotronic, Madonna, James Ellroy – keine Wünsche offen. Auch die kürzeren Artikel treffen in diesem Monat viel schöner den Ton einer interessanten Auseinandersetzung mit den jeweiligen vorgestellten Werken, als nur der reinen Ansammlung eines Datenaufzählens zu gleichen, wie dies doch leider in den letzten Monaten immer wieder der Fall gewesen war. Gerade die zwei Seiten über die Coen – Brothers zeigt, dass man sich auch in überschaubaren Rahmen mit dem filmischen Werk einer ganzen Dekade aussagekräftig beschäftigen kann, ohne sich in einer reinen Reklamehaftigkeit zu verlieren. Eine kleine Schönheit, diese beiden Seiten…

Die Illustrationen sind frisch, die Farbdramaturgie originär und gleichzeitig diskursbildend. Und die CD – Zusammenstellung immerhin überraschend…

Allerdings ist der Dekadenrückblick dann doch etwas dürftig und unergiebig für mich ausgefallen. Die Stärken der Essays liegen meist in den persönlichen Tönen, die durch die Gastautoren miteingebracht werden. Aber die thematische Ausrichtung der Texte scheint mir doch recht unmotiviert. Ein Text über die plötzliche Evidenz von Menschen, die doch tatsächlich in der Öffentlichkeit unumwunden Kopfhörer tragen. Das hätte bestimmt auch schon Orwell richtig aus dem Häuschen bringen können. Ein Text über das Fernsehen, das verdummende. Das nur auf Quote und nicht auf Sinnschaffung zuarbeitet. Nicht nur eine Binsenweisheit, sondern auch eine irreführende Auffassung; wenn denn dem wenigstens noch so wäre. Vielmehr reagiert inzwischen ja eher der Quotient und nicht die reine Quote. Je billiger produziert werden kann, und dabei trotzdem nicht auch noch der letzte Zuschauer sich schaudernd abwendet, desto eher wird ein Programm inzwischen produziert. Vielleicht sollte man sich doch wenigstens einen kurzen Moment überlegen worüber man denn eigentlich schreiben möchte; nicht nur irgendwie die Anschläge füllen, weil man der Thematik an sich eigentlich schon misstraut…

Vielleicht war es ja gar kein vergeudetes Jahrzehnt; vielleicht viel eher eine Dekade ohne Bewusstsein, ohne eigene Stellung. Ohne Utopie. Und ohne das Scheitern einer solchen …

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STANdground.