Re: Herbert Grönemeyer "12"

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djrso
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So, damit Cord sich noch einmal so richtig wundern kann (;-)) , hier dann doch noch eine zusammenhängende und ausführlichere Besprechung der Platte. Viel Gutes kann ich aber auch jetzt nicht berichten, leider….

Schon der Opener der neuen Platte von Herbert Grönemeyer lässt Schlimmes befürchten. So ist „Stück vom Himmel“ als weltumspannende Gesellschaftskritik zu verstehen, die in dramatische Streicherarrangements verpackt an den Mann und die Frau gebracht wird. Zusätzlich machen haarsträubende Formulierungen wie „Bibel ist nicht zum Einigeln“ oder „Religionen sind zu schonen“ ( Warum eigentlich ? ) den Einstieg in „12“ auch nicht unbedingt leichter. Warum gerade dieses Stück als erste Single ausgekoppelt wurde, wird rätselhaft bleiben, zumal das Folgestück „Kopf hoch, tanzen“ möglicherweise die bessere Wahl gewesen wäre, obwohl sich hier, wie bei seinem Vorgänger, eine eingängige, schöne Melodie schmerzlich vermissen lässt. Ein Problem, dass sich fast über die gesamte Länge der Platte erstreckt.

Ein recht nettes Liebeslied gelingt Grönemeyer mit „Du bist die“ aber bereits bei „Marlene“ fragt man sich ein ganze Weile, um was es hier eigentlich geht. Da ist die Botschaft im darauf folgenden „Flüsternde Zeit“ schon wesentlich klarer, allerdings nervt hier die doch recht aufdringliche Fußball-Metaphorik. Musikalisch geht der Titel in Ordnung, wenn auch hier ein paar markantere Ecken und Kanten wünschenswert wären.

„Leb in meiner Welt“ beginnt recht angenehm, steigert sich aber mit fortschreitender Spielzeit in unerträglichen Schwulst und zu weiche Streicherteppiche. Selbst wenn das folgende „Ich versteh´“ um Einiges erträglicher ist, bleibt auch dieser Titel weitestgehend unspektakulär im Gedächtnis haften.

Den ersten Höhepunkt erlebt „12“ mit dem Titel „Ohne dich“. Hier stimmt so ziemlich alles : Das musikalische Arrangement wirkt stimmig und nicht zu überladen, der Gesang bleibt über die ganze Spielzeit des Liedes verständlich und die Aussage des Textes kommt kurz und knackig an. Auch das folgende „Spur“ versteht mit seiner straffen, leicht rockigen Struktur noch zu gefallen. Doch schon bei „Zieh´ deinen Weg“, das hier mit noch so gespitzten Ohren immer nach „Zieh dein Weg“ klingt, wird evtl. aufkeimendes Hörvergnügen schon wieder durch allzu belanglose Musik, Grönemeyers langgezogene Artikulation und seltsame Betonung, sowie die zu sehr gewollt wirkende Botschaft des Textes niedergetrampelt.

Einen letzten Funken Hoffnung verbreitet noch „Zur Nacht“, welches wunderbar spartanisch nur mit akustischer Gitarren-Begleitung beginnt und auch ansonsten kaum Anlass zur Kritik gibt. Warum die Platte nicht idealerweise mit diesem Track endet, bleibt wiederum im Dunklen, mit „Liebe liegt nicht“ schließt sich jedenfalls noch ein weiteres Stück an. Doch auch dieses Lied kann den insgesamt wenig positiven Eindruck, den die Platte hinterlässt, nicht mehr in eine andere Richtung lenken.

Insgesamt bietet „12“ mit den Stücken „Ohne dich“, „Spur“ und „Zur Nacht“ einfach zu wenige Highlights. Des Weiteren drängt sich der Eindruck auf, dass vom Grundsatz her wirklich brauchbare Intentionen zu schwerfällig, krampfthaft und verschwurbelt vermittelt werden. Zudem fehlen der Platte, wie bereits eingangs erwähnt, über weite Strecken interessante und eingängige Melodie-Ideen, zu viele der zwölf Stücke dümpeln musikalisch nur vor sich hin. Darüber hinaus sind an vielen Stellen die Streicherschichten schlicht zu dick aufgetragen und Grönemeyers markanter Gesangsstil kommt manches Mal gefährlich in die Nähe einer äußerst unschönen Selbstkarikatur. Somit kann „12“ ( evtl. zu hoch ? ) gesteckte Erwartungen nicht erfüllen und stellt somit eine der bisher schwächsten Platten Grönemeyers dar, die abschließend nur mit ** zu bewerten ist.

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Doe maar gewoon... dan doe je al gek genoeg!