Re: Electric Light Orchestra – Time

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pelo_ponnes

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wolfgang@PatrikTroll

In die Ecke des Prog würde ich das ELO nicht einordnen. Die Gruppe pflegte einen einzigartigen Stil aus Pop, Rock, Klassik und „Schmalz“. Das Album „Time“ ist seinerzeit nach den Mega Hits „Out Of The Blue“ und „Discovery“ ziemlich untergegangen, zu Unrecht, wie ich meine. Es enthält sehr gutes Songmaterial und ein spannendes Konzept. Eingängige Hooks, interessante Details in den Arrangements und mehrstimmige Gesangsharmonien. Allerdings sind die klassischen Streicher zu Gunsten der Keyboards völlig verschwunden, sie werden aber elektronisch gut imitiert.
Die Stärksten Stücke sind für mich „Prologue“, „Twilight“, „Ticket To The Moon“, Here Is The News“, 21st Century Man“, und „Epilogue“.

ELO waren immer progressiv in ihrer Haltung, sprich, es ging immer um die Erforschung von Klangwelten, das Ausschöpfen des Multitrackings, die Suche nach spannenden Akkordfolgen oder das Ausprobieren neuer Aufnahmetechniken (von so manchem völlig übersehen wegen der Eingängigkeit der Stücke). Prog als Stilbegriff im engeren Sinne ist allenfalls ein Album, nämlich ELO2. Das Debütalbum ist zwar auch auf Harvest erschienen, steht aber ziemlich für sich alleine.

Einzigartiger Stil trifft es sehr gut, wobei die Zutaten von überall her kamen. Zu oft unterschlagen wird mir die elektronische Komponente, die bei ELO nicht nur Nebensache war. Jedes Album seit ELO 2 setzt die Schwerpunkte etwas anders bezüglich der wachsenden Armada eingesetzter Keyboards. Bsp: OOTB legte den Fokus auf die Verbindung von Minimoog und ARP 2600, Discovery ist geprägt durch den Yamaha CS-80 als Hauptsynthie, dann bei Time OB-Xa, Secret Messages Yamaha DX7, usw . Nach Balance Of Power mit seiner Verbindung von analogen und digitalen Maschinen richtete Lynne bei seinen Arbeiten eher das Augenmerk auf die Schichtung/Panoramisierung von zahlreichen Akustikgitarren. Trotzdem gab er die Elektronik/Keyboardexperimente nicht völlig auf. Nur klinkte er sich lange Zeit komplett aus, was die Entwicklung digitaler Synthies anbelangte. Hört Euch Margarita von den Traveling Wilburys an, die ja immer an ihren Akustikgitarren festgemacht werden. Aber als Grundierung wurden auch auf diesem Album analoge Synthies eingesetzt, und bei Margarita sogar vordergründig. Wobei Lynnes Ehrgeiz allem Anschein darin bestand, sie organischer klingen zu lassen. So griff er auch in dieser Zeit bei Keyboardlastigeren Sachen (z. B. einiges mit Roy Orbison) gerne auf billige Casio-Keyboards zurück. Two Gunslingers von Tom Petty And The Heartbreakers ist wiederum geprägt vom OB-Xa. Seit der zweiten Hälfte der Neunziger hat sich Lynne ja von der „Nur Analog“-Devise verabschiedet. Zu Zoom-Zeiten setzte er dennoch vor allem auf die Siebziger-Synthesizer (bzw. Synth cards). Bei den Zoom-Konzerten 2001 fanden sich neben klassische Modelle auch brandneue Modelle wie bestimmte wie der Roland RS-5 64-Voice Synthesizer. Marc Mann hatte seinen V-2080 mit fünf [SR-JV80-Series] Expansion Boards gefüttert. Er benutzte d Sounds von „Orchestral, Bass & Drums, World, Keyboards of the ’60s and ’70s, and Synthesizer boards.“

Zu den Streichern: Streicher wurden bei ELO entgegen dem Klischee nicht nur neoklassisch eingesetzt, sondern Lynne erkundete in den Siebzigern schon früh verschiedene Varianten. Bsp: Showdown ist ein früher Song, der schon einen anderen Einsatz der Streicher (R&B, Soul) intendiert. Auf „Time“ gibt es übrigens neben Synthiestreichern durchaus auch ein paar Songs mit echten Streichern, die allerdings sehr in den Hintergrund gemischt wurden. Sehr effektiv trotzdem, zum Beispiel im Schlussteil von Twilight. Leise, aber nicht unwichtig.

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