Re: Richard Wagner

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otis
Moderator

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Beiträge: 22,557

NesZur Person eher einen * weniger.
In seinen Ansichten war er schon sehr extrem, auf eine mir unangenehme Art und Weise.
Zu seiner Musik: merkte ich ja schon an, dass das nicht meine Art der Klassik ist, die ich bevorzuge.
Zu schwülstig, zu lang, zu breit.
Mir geht da schlicht was ab, etwas, was mir Bruckner zum Beispiel eher gibt, obwohl ich Bruckner auch *als schwerer* empfinde.

Wenn Wagner schwülstig ist, ist Bruckner der geborene Oberschwulst und Tschaikowsky ungenießbar.
Wagner war menschlich ein kleiner, narzisstischer, kleinbürgerlicher Knilch. Wohl auch schlichtweg ein Kotzbrocken.
Musikalisch war er dagegen vorneweg. Eine nicht seltene Kombination.
So wenig Wagners Antisemitismus wegdiskutiert werden kann, so sehr war der in mancher Hinsicht aber auch ein Synonym für eine feindliche Außenwelt,von der er glaubte, dass sie ihn in seiner Kunst behindere.
Ich selber habe große Probleme mit Lohengrin und Meistersingern. Der Holländer ist musikalisch eher langweilig für mich. (Tannhäuser, wenn denn irgendwas, in Ansätzen „schwülstig“. Nie ganz gehört) An den Parzifal habe ich mich nach wie vor nicht wirklich herangetraut, wohl aber gehört. Es graust allein der Gedanke an einen wie auch immer gearteten „Karfreitagszauber“.
Aber Tristan und Ring kann ich guten Gewissens den Rang nicht absprechen (und natürlich nicht den Wesendonck-Liedern)

Apropos Wagner/Hitler: hier wird m.W. sehr verkürzt. Hitler war glühender Wagnerverehrer, aber nicht wegen seiner Schriften, sondern wegen seiner Musik. H. ging in jungen Jahren in Wien beinahe jeden Abend in die Oper, hatte offenbar wirklich eine musikalische Ader. Dem nachzuspüren ist nicht uninteressant. Später ließ H. Wagner eher fallen. War er überhaupt häufiger in Bayreuth zu den Festspielen?

Wenn Barenboim sich heute für Wagner einsetzt (auch in Israel), so wäscht das Wagner nicht rein, aber trennt seine Musik wenigstens etwas von der Person, was gerechtfertigt ist, zumal W. auch ein Kind seiner Zeit war (siehe auch Dostojewski). Wagners intensive Zusammenarbeiten mit jüdischen Musikern und Dirigenten waren ja keine ideologischen Ausrutscher oder Notlösungen.
Insgesamt eine schwer aufzublätternde Geschichte.
Jedenfalls liefert W. Gründe genug, grundlegend abgelehnt zu werden, seine Musik allerdings genauso viele gute Gründe, ihn anzuerkennen.

PS: Wer mir Parzifal von jeder (christlichen) Erlösungs-Thematik loslösen und nahebringen kann, dem eine Solti-Walküre-Kassette.

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