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Holger Schmidtim Ernst : ich lese hier gerne mit, selbst – ELO ist nicht meine Musikrichtung.
Das ist etwas, was mir durch das Album jetzt auch noch mal klarer geworden ist als je zuvor, selbst wenn es vielleicht schizophren klingt: Obwohl ich mich nach wie vor als Jeff-Lynne-Fan betrachte, ist ELO ganz offensichtlich nicht meine favorisierte Baustelle. Die spontane Begeisterung für „One Step At A Time“ endet z.B. genau dort, wo der Refrain einsetzt. Auch „Love & Rain“ und „When The Night Comes“ – überall wo es anfängt, zu sehr nach alten ELO-Mustervorlagen zu riechen, kriegt die Freude einen Dämpfer. Klingt alles doch sehr kalkuliert auf die erfolgserprobte Formel getrimmt. Ging mir schon mit „Point Of No Return“ ganz ähnlich. Umgekehrt haben mich bei ELO immer die Songs am meisten begeistert, die am wenigsten mit dem typischen und von Einigen jetzt immer noch vermissten orchestralen Bombast zu tun hatten. Ganz zu schweigen von den herrlich abgedrehten Sachen aus der „Idle Race“-Zeit. Für mich waren das alles nur Vor- und Zwischenstufen, Entwicklungsstadien eines Stils, der sich dann mit dem Solo-Debüt 1990 erstmals in vollendeter Reinkultur entfalten konnte.
ZOOM empfinde ich als den letztlich nicht ganz aufgegangenen Versuch, das Beste aus beiden Welten (ELO und Post-ELO-Solo-Jeff) zu verbinden, mit dem Ergebnis, dass es den beinharten ELO-Traditionalisten entschieden zu wenig und mir schon wieder viel zu viel ELO war.
Insofern hatte ich danach ein bisschen auf die Einsicht gesetzt, dass man es sowieso nicht Allen recht machen kann und der glücklicherweise finanziell unabhängige Künstler deshalb künftige Vorhaben ggf. frei vom entsprechenden Erfolgs- und Erwartungsdruck angehen, sprich: auf weitere Wiederbelebungsversuche des ELO-Konzepts verzichten könne. Die Ankündigung eines zweiten Soloalbums 2009 und schließlich das Jahr 2012 mit zwei ausgesprochenen Liebhaberprojekten als Vorboten des lang ersehnten Comebacks mit neuem Eigenmaterial schienen diese Hoffnung zu bestätigen. Stattdessen kam 2014 die (zugegeben: grandiose) Hyde Park Show und damit die Erkenntnis: Die Zeit ist offenbar reif und die (Musik-)Welt wieder bereit für ELO. Klar, dass sowas den sportlichen Ehrgeiz anstachelt und man es doch nochmal wissen will. Und natürlich ist es schön, dass die Story überhaupt irgendwie weitergeht. Den neuerlichen Kurswechsel in Richtung Rückkehr zur Betonung des Altbewährten hätte es für mich dabei nicht unbedingt gebraucht. Immerhin: Auf „AITU“ ist wirklich für jeden halbwegs Empfänglichen was Glücklichmachendes dabei und weniger als 4 Sterne könnte ich dem Werk auch nicht guten Gewissens geben. Trotzdem stört mich ein bisschen der verallgemeinernde Ton in vielen Rezensionen, die so tun als müssten „wir“ alle aus den selben Gründen begeistert oder enttäuscht sein. Punktvergabe wie Punktabzug können auf komplett gegensätzlichen Empfindungen, Erwartungen und Wünschen beruhen und unterm Strich trotzdem zum gleichen Ergebnis kommen. Vielleicht macht das ja gerade die Qualität aus, ich weiß es nicht.
Was ich weiß und was auch die mittlerweile verfügbaren Infos zur Entstehungszeit der Songs belegen: Das ist NICHT das Album, auf das „wir“ seit 6 oder mehr Jahren gewartet haben. Was 2009 angeblich kurz vor der Fertigstellung stand, wurde entweder inzwischen verworfen oder zumindest auf Eis gelegt. Diesbezügliche Veröffentlichungspläne und selbst eine Archiv-Ausgrabung des gerüchteweise existierenden „Armchair-Theatre“-Nachfolgers von Anfang/Mitte der 90er würden mich momentan tatsächlich noch mehr interessieren als die Aussicht auf weitere „ELO“-Aktivitäten im Rahmen des neuen Plattenvertrags.
Dass ich „Jeff Lynne’s ELO“ trotzdem allen erdenklichen Erfolg wünsche, beruht daher nicht zuletzt auf der Hoffnung, ein wachsender Bekanntheitsgrad des Namens Lynne möge auch die Chancen auf weitere gelegentliche Landgänge unter ausschließlich eigener Flagge erhöhen, wenn das Raumschiff mal in die Werft muss und der Captain frei hat…
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Musik ist nicht was sie ist, sondern was sie den Menschen bedeutet. (Simon Rattle)