Startseite › Foren › Kulturgut › Print-Pop, Musikbücher und andere Literatur sowie Zeitschriften › Die Drucksachen › 16. Juni 1904 › Re: 16. Juni 1904
PopmuseumDa bist Du nicht (ganz) allein. :lol:
Ich habe es in den vergangenen Monaten Wort für Wort gelesen – verstanden eher nicht, wenn man davon absieht, was ich darüber schon vor der Lektüre durch die umfangreiche Sekundärliteratur wusste. – Aber jetzt weiß ich wenigstens, welche Wörter darin vorkommen und welche nicht – und das ist schon etwas (Ich habe mir jeden Tag ein Pensum von rund zehn Seiten – mal mehr, mal weniger -vorgenommen und mich mühsam durch das Werk gelesen. So viel ist sicher: Die Freude war groß als ich’s nach rund einem Vierteljahr endlich absolviert hatte).
Du sprichst da etwas an, was mich schon lange beschäftigt: Joyce wird ja oft als „Muß“-Autor gesehen, den man sich erarbeiten muss, um literarisch mithalten zu können. Und dann geht man, gerüstet mit viel Sekundärlitertur und vorher noch mal schnell „Homer für Eilige“ ans Lesen des Ulysses, und langweilt sich.
Vielleicht hatte ich Glück, mir ist der Ulysses, als erstes Joyce-Buch, in die Hand gefallen, ohne dass mir der Autor allzuviel gesagt hatte. Ich hab es gelesen, beim ersten Kapitel im Martelloturm fand ichs öde, aber dann war es oft so totwitzig, dass ich einfach weiter und weiter las, ok, bis auf die Reise in die englische Sprache, die habe ich mehr so überblättert. Erst später wurde mir bewußt, dass ich eines der heiligen Bücher gelesen hatte, und das es da soviele Bezüge gibt, die man einfach wissen muss, um es verstehen zu können. Ich glaube, das hätte mir den Spaß gründlich verdorben.
Deswegen finde ich dein Vorgehen einfach toll: Das quasi unlesbare einfach lesen, und dann stolz zu sein, wenn man durch ist. Dein kleines Zitat zeigt, welche Perlen einem beim Lesen über den Weg laufen, die schon als Zitat, als Stelle, funktionieren. Auch wenn man das Werk so gar nicht wirklich versteht. Diese Vielschichtigkeit finde ich bei Joyce so überragend, da ist schon beim ersten Lesen ganz viel, das klasse ist, aber da ist noch viel mehr zu entdecken.
Deshalb habe ich auch so viel Freude an meiner kommentierten Ausgabe des Ulysses, die ich immer wieder irgendwo aufschlage und mich dann festlese. Es ist faszinierend.
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...falling faintly through the universe...