Antwort auf: Tenor Giants – Das Tenorsaxophon im Jazz

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gypsy-tail-wind
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Es ist schon so, dass man Young auf den späten Aufnahmen quasi beim Verfall zuhören kann … es gibt zwischendurch immer wieder betörende Momente, selbst auf der Blechklarinette (auf dem Foto oben rechts – es gibt auch ein schönes Foto vom müden Young auf einem Bett, die Klarinette neben sich liegen), die er ins Studio mitbrachte, ohne dass er einen entsprechenden Ansatz gehabt hätte (da braucht’s effektiv Muskeln in den Mundwinkeln – für Klarinette muss der Ansatz generell kontrollierter sein als fürs Sax und daher braucht’s mehr Training/regelmässiges Spielen/Üben). Die Sessions für Verve aus den frühen Fünfzigern mag ich im allgemeinen sehr gerne.

Ausgerechnet die erste mit Hank Jones (noch von 1949) ist schwächer. Das Young/Cole/Rich-Trio ohne Bass (1946, die erste Session für Granz) war auch keine gute Idee, da Cole mehr oder weniger einfach rifft und gar nicht zum spielen kommt – die Aladdin-Session mit Red Callender statt Rich ist sehr viel ergiebiger!

1950/51 folgten drei sehr gute Session mit John Lewis, die ich neulich im Hörfaden erwähnte, als sie wieder mal liefen, dann 1952 die mit Oscar Peterson und 1953/54 je eine mit der Working Band (das mit Lewis war auch eine Working Band) mit Jesse Drakes, Gildo Mahones und Connie Kay, die erste mit Gene Ramey, die zweite mit John Ore. Bis dahin ist alles gut. Es gibt parallel dazu viele Live-Mitschnitte.

Ab den Sessions von Ende 1955 ist es dann eher ein Glücksspiel … das eine konstant solide/gute Album ist das mit Teddy Wilson. Da erwischte man wohl Young einfach an einem wirklich guten Tag. Diese gab es durchaus noch, wie ja z.B. die Mitschnitte aus Washington mit Bill Potts von Ende 1956 beweisen (5 Alben auf Pablo)

Ich versuche mal eine Band-Chronologie anhand dokumentierter Line-Ups (Daten/Orte belegen die bekannten Aufnahmen, hole das von meinem alten Blog rüber und ergänze um weiteres, z.B. ein paar zusätzliche Stücke von „100 Years – Forever Young“, einer sehr lohnenswerten Storyville Doppel-CD, und um die relevanten Verve-Studio-Sessions) – dabei lasse ich alle „All Stars“-Sessions und eindeutig erkennbare Pick-Up-Gigs weg, seien es welche aus dem Studio (die Verve-Aufnahmen mit Peterson, Edison, Eldrdige usw., Sessions mit Basie, die Europa-Touren mit Urtreger, Edelhagen etc.):

Herbst 1948 (27 Nov, 3 Dec – Royal Roost)
Jesse Drakes t; Ted Kelly tb; Lester Young ts; Freddie Jefferson p; Ted Briscoe b; Roy Haynes d

Frühling 1949 (19/26 Mar, 9 Apr – Royal Roost)
Jesse Drakes t; Jerry Elliott tb; Lester Young ts; Junior Mance p; Ted Briscoe b; Roy Haynes d

Februar 1950 (22 Feb und vermutlich weitere Daten, Savoy Ballroom)
Jesse Drakes t; Lester Young ts; Kenny Drew p; Leroy Jackson or Aaron Bell b; Jo Jones d

Frühling 1950 (15 Mar, prob. 2 Apr – Royal Roost)
Jesse Drakes t; Ted Kelly tb; Lester Young ts; unknown p Al McKibbon b; Buddy Rich d (15 Mar) bzw. Jesse Drakes t; unknown p/b/d (prob. 2 Apr)
Vielleicht vom 2. April gibt es auch bei Savoy einen Live-Mitschnitt (die brachten auch viel Charlie Parker aus dem Royal Roost heraus: Drakes t; prob. Kenny Drew p; poss. Joe Shulman b; Jo Jones d

Frühling 1950 bis Frühling 1951 (6/13/20 Jan, 24 Feb, 17 Mar, 19 May 1951- Birdland + Jun 1950, 16 Jan, 8 Mar 1951 – Verve)
Lester Young ts; John Lewis p; Gene Ramey b; Jo Jones d + Jesse Drakes t (19 May 1951)

Sommer 1951 (4 Aug – Birdland)
Jesse Drakes t; Lester Young ts; Earl Knight p; Gene Ramey or Aaron Bell b; Jo Jones or Joe Harris d

Frühling 1952 (25 Apr, 2/3 May – Birdland)
Jesse Drakes t; Lester Young ts; Earl Knight or Wynton Kelly p; Aaron Bell b; Lee Abrams d

Sommer 1952 (2 Aug – Birdland)
Jesse Drakes t; Lester Young ts; Gil Coggins p; unknown b, d

Winter 1953 (3/10/17 Jan – Birdland)
Jesse Drakes t; Lester Young ts; Earl Knight p; Aaron Bell b; Lee Abrams d

Winter 1953 (15 Jan – Birdland)
Jesse Drakes t; Lester Young ts; Horace Silver p; Franklin Skeete b; Lee Abrams d

Frühling bis Sommer 1953 (15 Apr + 4/11 July – Birdland)
Jesse Drakes t; Lester Young ts; Earl Knight or Horace Silver p; Gene Ramey b; Connie Kay d

Herbst 1953 bis Herbst 1954 (11 Dec 1953, 10 Dec 1954 – Verve)
Jesse Drakes t; Lester Young ts; Gildo Mahones p; Gene Ramey (1953) bzw. John Ore (1954) b; Connie Kay d
(auf „100 Years – Forever Young“ gibt es noch eine Session aus dem Storyville in Boston vom 15 Dec 1953 mit Drakes, Mahones, Connie Henry und Kay)

Sommer 1956 (8/15 Aug – Birdland)
Don Ferrara (8) bzw. unknown (prob. Jesse Drakes) (15) t; Lester Young ts; Bill Triglia p; Gene Ramey b; Gus Johnson d

Herbst 1956 (15/22 Dec – Café Bohemia)
Idrees Sulieman t (nur 15); Lester Young ts; Sinclair Raney p; Gene Ramey b; Willie Jones d

Da stellen sich natürlich schon ein paar Fragen, z.B. zu den Sessions vom 3./10./17. Januar 1953 vs. dem vom 15. Januar mit unterschiedlichem Line-Up – ist da was falsch datiert? Die Übertragungen aus den Clubs liefen üblicherweise einmal die Woche (wie auch schon bei welchen aus dem Royal Roost zu sehen ist) … es gibt (zum Glück für den Hörgenuss, leider für die Infos) nur selten Radio-Voiceovers mit Band-Ansagen oder sonstigen Infos.

Ansonsten ist das wohl so in etwa, was auf Aufnahmen dokumentiert ist … in den Büchern über Young, die leider immer noch grossteils ungelesen hier liegen (Lewis Porter, Frank Buchmann-Möller, Dave Gelly) steht wohl noch mehr …

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #152: Enja Records 1971-1973 – 14.05., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba