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ford-prefect Feeling all right in the noise and the light
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Im weiten Netz zufällig auf diesen alten Dokumentarfilm Holger Czukay Privatsinfoniker von den Filmemachern Bärbel Schröder und Hinnerick Bröskamp von 1991 gestoßen, eine Produktion des damaligen WDR-Fernsehens. Holger Czukay gewährt einen Einblick in seinen Gerätepark im Can-Tonstudio, dessen Einrichtung und Equipment sich mittlerweile im Rock- und Popmuseum in Gronau befinden. Denn der 2017 verstorbene Czukay war nicht nur experimenteller Musiker, sondern auch ein cleverer Tontechniker. „In diesem Can-Studio wurde um Musik gekämpft“, erklärt Holger Czukay. In seinem Verständnis gleicht ein Tonstudio einer Bar, um deren Theke sich die Musiker wie Gäste versammeln und gedanklich austauschen, während alle Fäden beim Produzenten als Wirt zusammenlaufen. In einer anderen Metapher vergleicht er eine Rockband mit einer Fußballmannschaft, in der sich alle persönlich zurücknehmen müssen, um miteinander ein Ganzes bilden zu können. Zwischendurch analysiert Holger Czukay seine eigens interpretierte Version der chinesischen Nationalhymne mit dem Titel „Der Osten ist rot“.
Schlagzeuger Jaki Liebezeit und Komponist Irmin Schmidt erläutern die Ursprünge von Can mit Musikern aus Jazz, Klassik und Rock, die Lust darauf hatten, gängige Hörgewohnheiten aufzubrechen. Außerdem spricht in dem Dokumentarfilm Rockpalast-Vater Peter Rüchel hinter seinem Rock’n’Roll-Schreibtisch. Darüber hinaus sieht man Ausschnitte aus dem Film „Krieg der Töne“, in dem Czukay mit einer Musikschülerin einen weißen analogen Wecker zerschlägt und das mit einem Mikrofon tonal aufnimmt. Moderne Musikvideos, womit er mit Lebensgefährtin und Kamerafrau Uschi Kloss ebenfalls experimentiert, empfindet er als 2-Komponenten-Klebstoff, wenn Ton und Bild eine Fusion eingehen. TV-Nachrichtenbilder wirken auf Czukay inspirierend. „Ich bin der Dr. Frankenstein des digitalen Zeitalters“, charakterisiert sich Czukay in einer Eigenbeschreibung. Selbst hab ich von Holger Czukay das erste Mal 2003 durch ein Interview im Indie/Alternative-Musikmagazin DNAsix aus Stuttgart erfahren, das schon lange nicht mehr existiert, war auch kein gutes Blatt. Die beiden Gräber von Holger Czukay (1938-2017) und Schlagzeuger Jaki Liebezeit (1938-2017) liegen auf dem Kölner Melaten-Friedhof, dicht beieinander auf einer großen grünen Wiese.
zuletzt geändert von ford-prefect--
Wayne's World, Wayne's World, party time, excellent!