Antwort auf: Return of the GrievousAngel: Persönliche Schätze aus der weiten Welt der Kunst

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THE BEACH BOYS – Holland (1973)

Strahlend blauer Himmel, frühsommerliche Temperaturen und trotz Klima-, Corona- und Ukraine-Krise eine Unbeschwertheit, wie ich sie seit der Kindheit nur mehr selten erlebt habe. Ich kann guten Gewissens behaupten, dass heute wirklich ein sensationell guter Vormittag ist und das ohne jeden Grund. Passend dazu läuft seit Wochen keine Band öfter als die Beach Boys, die mir mit ihren wunderbaren LPs den Frühling versüßen und erstmals seit Jahren Lust auf Sommer machen.

1972 war man von Strandhymnen, sorglosem Surf-Pop und guter Laune schon ein ordentliches Stück entfernt, auch die bandeigene Sturm & Drang-Phase, die sich bei den Wilson-Brüdern und ihren Kollegen in etlichen großartigen Alben manifestierte, gehörte längst vergessenen, mittlerweile längst gefeierten Tagen an. Die Güte ihrer Platten hielt sich zwar genau wie die songschreiberische Brillanz bis zum im Jahr zuvor erschienenen Surf’s Up, mittlerweile zehrten aber schwindende kommerzielle Erfolge und Brians stetig wachsende psychische Probleme am kollektiven Gefüge, auch von dessen Lieblingsprojekt, dem unveröffentlichten Smile, blieben kaum noch recycelbare Überbleibsel, die noch jede Post-Pet Sounds-LP aufwerten konnten.

Die Zeit war jedenfalls gekommen, sich unter abweichenden Bedingungen wieder ein wenig zu fangen und die kreativen Batterien aufzuladen, besonders aber um den immer weiter abdriftenden Brian Wilson wieder aufzupeppeln. Diesen Effekt versprach sich die Band vom beschaulichen Holland, in dem sich die Beach Boys zu jener Zeit großer Popularität erfreuten. Dort wurde zwar im Endeffekt nur ein Teil der Arbeit am neunzehnten Studioalbum erledigt, die ganze Erfahrung gab dem Anfang 1973 veröffentlichten Holland aber seinen Namen.

Ein kurzer Einblick in die Credits genügt, um Brian als passive Teilzeitkraft zu entlarven. Während dieser seine Zeit damit verbrachte, eine belanglose Märchengeschichte in EP-Länge aufzunehmen und ein bisschen mitzuproduzieren, waren seine Kollegen unter der Führung von Bruder Carl dabei, im Studio alle Register zu ziehen, um ohne das einstige Mastermind zu bestehen. Am Vorgänger Carl & The Passions – „So Tough“ hatte das ja auch einigermaßen funktioniert. Immerhin darf sich Brian für den tollen Opener Sail On, Sailor mitverantwortlich zeichnen, geschrieben mit Van Dyke Parks, etwas aufgefrischt und nachträglich beigefügt, um Zeitgeist und die Forderung des Labels nach Hitmaterial für die LP gleichermaßen zu befriedigen.

Auch was danach angeboten wird, beglückt mein Herz in großem Stil. Denn die ehemals so auf ihren Leader angewiesenen Mitstreiter kommen bestens zurecht, den strahlendsten Lichtblick ihrer Arbeit stellt die sehnsüchtige Suite California Saga dar. Mit Big Sur beginnt das ungehaltene Vergnügen, wenn Mike Love zu lieblichen Mundharmonika- und Pedal Steel-Klängen seine romantischen Impressionen zum Besten gibt und von gewohnt magischen Backingvocals mustergültig unterstützt wird. Das folgende The Beaks Of Eagles übernimmt sich in seiner Pro-Natur-Message ein wenig, weiß auch mit seinen Spoken-Word-Passagen wenig anzufangen, bietet nichtsdestotrotz in seinen von Musik gestützten Strophen die gute, alte Beach Boys-Schule. Den Abschluss bildet das überaus würdige California, mit dem einleitenden Brian-One-Liner „on my way to sunny californ-i-a“. Während Love noch einmal ordentlich die Werbetrommel für die vermisste Heimat rührt, sich im Refrain mit der Huldigung des liebsten Elements der Kreis erneut schließt, ist es vor allem sein homogener Mix aus Banjo, Moog Bass und lässigen Bläsern, die dem Track die perfekte Würze verpassen, auch das Gastspiel von On-Off-Mitglied Bruce Johnston als zusätzlicher Stimme weiß zu gefallen.

Auch fern ihrer geliebten kalifornischen Strände wissen die Beach Boys mit herrlichen Melodien und feinster Pop-Sensibilität aufzutrumpfen. Das von Dennis geschriebene und von Carl vorgetragene Steamboat plätschert im besten Sinne des Wortes zu atmosphärischen Klangwogen sanft den niederländischen Kanal hinunter, während Carls The Trader mit großem Melodiekino und harmonischer Mischung aus mächtigem Gesang und instrumenteller Versiertheit aufgeigt, natürlich noch genug Fokus auf eine herrliche Hook legt. Auch Dennis sanfte Ballade Only With You platziert sich beim schmalen Grat zwischen Romantik und Kitsch auf der richtigen Seite.

Insgesamt halte ich Holland trotz kleinerer Makel für ein wunderbares Werk, das seine Entstehungszeit sehr gut einfängt und trotz widriger Umstände mit dem indisponierten Brian und internen Spannungen das Best(möglich)e aus allen Beteiligten herausholt.

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