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Ergänzend zum leidigen Thema: der an sich von mir wegen seinem Programm sehr geschätzte Basler Jazzclub „Bird’s Eye“ positioniert sich ähnlich, lässt nur 30 Leute (nach behördlicher Schliessung jetzt halt „privat“) rein, damit keine Regeln eingehalten werden müssen … dahinter steckt vermutlich (wie so oft) reiches Geld (in diesem Fall der Basler Chemie-Adel der Familie Hoffmann/Oeri).
Ähnlich in Bern die Spielstätte von Don Li (aka Don Pfäffli – aus seiner Band stammen auch Nik Bärtsch oder Björn Meyer … die Keimzelle des „Zen Funk“ oder wie auch immer das sich inzwischen nennt). Er hat seine „Orbital Gardens“ aus Protest geschlossen und ruft zum Boykott von Veranstaltungen auf, sie mit Zertifikatspflicht durchgeführt werden.
Beide Clubs werden natürlich auch von der öffentlichen Hand mitfinanziert, ist ja klar … ich weiss schon, warum ich seit fast zwei Jahren kaum in Jazzkonzerte gehe hier
Ein Ausschnitt aus dem vor ein paar Wochen im Tages-Anzeiger publizierten Artikel:
Apropos Beatrice Oeri: Finanziell ist das Bird’s Eye mit ihr als Betriebsleiterin wohl tatsächlich frei von Sorgen. Die Familie Hoffmann/Oeri wurde 2020 als zwölftreichste Familie der Welt geführt. Beatrice Oeri investiert ihr Vermögen seither in verschiedenste Kanälen. 2015 schrieb die «Basler Zeitung», sie schare gerne «Querdenker und Suchende nach einer besseren Welt» um sich. Und kürzlich sorgte sie für einen Aufschrei in Wissenschaftskreisen, als bekannt wurde, dass sie die inoffiziell als «Globuli-Professur» betitelte Professur für Komplementärmedizin an der Uni Basel mit einer Million Franken unterstützte.
Mit ihrer Stiftung Levedo ist sie auch die mit Abstand wichtigste Jazzmäzenin der Schweiz. Den Jazzcampus in Basel mit seinen vielen Stardozenten aus Übersee hätte es ohne sie nie gegeben. Ob sie als Betriebsleiterin den Corona-Kurs des Bird’s Eye vorgegeben hat oder ob es Programmleiter Stephan Kurmann war, ist unklar. Öffentlich auslassen will sich über dieses mächtige Gespann niemand.
Überhaupt scheint es, dass innerhalb der Schweizer Jazzszene derzeit viel Unsicherheit herrscht. Obwohl die überwiegende Mehrheit der Schweizer Jazzmusikerinnen und -musiker die Corona-Pandemie durchaus ernst nimmt, wird gegenüber extremistisch auftretenden Exponenten eine noble Zurückhaltung zelebriert – mit dem Argument, die Jazzszene sei klein und fragil und müsse deshalb zusammenhalten. Doch die Stimmung ist aufgeheizt. Es gibt Berichte von Jazzmusikern, die sich im gegenwärtigen Klima nicht mehr trauen, ihre Meinung öffentlich zu äussern. Vergiftet wird dieses Klima nicht nur von den Corona-Verharmlosern, sondern auch von deren Verharmlosern.
Bezeichnend dafür ist ein Konzert, das am 3. September in der Konservi im aargauischen Seon stattfand (dieser Club hat seine Pforten inzwischen freiwillig geschlossen, weil er die Zertifikatspflicht ebenfalls ablehnt). Im Line-up: vier der verdienstvollsten und prominentesten Jazzmusiker der Schweiz: Peter Schärli, Hans Feigenwinter, Wolfgang Zwiauer und Norbert Pfammatter. Dieses Konzert fand im Rahmen eines Anlasses statt, den die Organisation Corona-Transition exklusiv für seine Sympathisanten organisiert hat.
Die Organisation Corona-Transition will laut Eigenwerbung «zu einer vielfältigen Informationsvermittlung» beitragen, «um die einseitige Berichterstattung führender Medien zu überwinden.» In diesen alternativen Informationen ist dann zum Beispiel von einem neuen Holocaust in Israel aufgrund der Corona-Impfung die Rede. Oder es wird der alte Verschwörungs-Evergreen verbreitet, wonach es 40-mal gefährlicher sei, sich impfen zu lassen, als das Risiko einer Ansteckung auf sich zu nehmen.
Steckt wohl hinter der Paywall, online ist er auf den 1.12. datiert:
https://www.tagesanzeiger.ch/corona-verirrungen-im-schweizer-jazz-906628243173
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #162: Neuentdeckungen aus dem Katalog von CTI Records, 8.4., 22:00; # 163: 13.5., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba