Antwort auf: Archie Shepp

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vorgarten

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gypsy-tail-windUnd gelernt habe ich auch was (hatte bisher Circle, das ich praktisch nicht kenne – nur Sam Rivers – für ein US-Label gehalten).

„circle“ wird (wurde?) von einem herrn kreis betrieben – das ist ungefähr so gewitzt wie herrn meyners „minor music“.

gypsy-tail-windWas das „laut spielen“ angeht: das ist ja kein Können sondern ein Nicht-Können des leise Spielens (was Du ja dann weiter unten im Text andeutest). Also laut spielen kann eigentlich jeder Anfänger am Instrument (weiches Blatt, Mundstück fast egal, aber wenn das ein Problem ist vermutlich ein weites, und das ist dann so in etwa die Guggenmusik-Kombination, die wir alle nicht hören wollen). Also: das ist ein ganz krasses Handicap für einen Saxophonisten, und da überhaupt einen Weg zu finden und nicht einfach aufzugeben (oder wie der zahnlose Chet Baker sich vermehrt auf den Gesang zu fokussieren) ist schon allein vom technischen Gesichtspunkt her eine Leistung. Ich stelle mir das so vor, dass einerseits sehr viel Luft benötigt wird (was ja, siehe Brötzmann, oder Michael Brecker mit dem sich aufblasenden Ballonhals, auch nicht ungefährlich ist), andererseits bei der Menge an Luft und dem technischen Set-Up die Kontrolle umso schwieriger wird bzw. dazu neue Techniken erarbeitet werden müssen. (Etwas konkreter: weiches Blatt, offenes Mundstück – weil mit einem harten Blatt muss der Ansatz trainiert sein; mit einem weichen Blatt und viel Luft und engem Mundstück gibt’s Stau und Gequiekse, wie man’s eher von der Klarinette kennt, wo das aber den besten passieren kann, ist einfach sehr viel schwieriger zu kontrollieren als ein Sax).

das ist ein sehr interessanter punkt. es geht da irgendwie immer um die lippen, da muss er drum herum arbeiten. wie das mit gebissproblemen ist, weiß ich nicht, in den 80ern war er ja eigentlich (1986 wurde er 50) im besten alter, klingt aber durch die technik oft älter als er war.

auf organissimo hat jemand behauptet, dass shepp ein sehr hartes blatt benutzt. wie soll das gehen, ohne die lippen zu gebrauchen? live auffällig ist halt immer die immense speichelproduktion, die ja dann irgendwann krass seine feinen jackets beeinträchtigt. bei einem konzert in essen gab es den schock-moment, als er sein seidentuch wohl in der garderobe vergessen hatte und verzweifelt seine taschen durchsuchte – und dann hat ihm ein zuschauer aus der ersten reihe seins gereicht, das war toll.

aber das nicht leise spielen können, deshalb die viele luft, an der er dann vorbei spielt… das macht sinn. wenn man die mitschnitte mit der brotherhood sieht, da spielt er gegen eine full-blast-arrangierte bläserwand und ist trotzdem quasi schon vom weg aus der garderobe klar herauszuhören.

gypsy-tail-windIch vermute, dass möglicherweise auch da mein Problem mit dem späteren Shepp herrührt. Die Nennung von 1975 als das „kritische“ Datum beruhte damals einfach drauf, dass ich bis „There’s a Trumpet in My Soul“ und „Steam“ (die ist ja eh erst 1976 entstanden ) Aufnahmen kannte, dich mochte, und danach abgesehen von „The Long March“ (1979) nichts mehr, was mich ansprach. Dass ich das falsch datiert habe (und „The Long March“ als spätestes Datum davor hätte nehmen müssen) ist hoffentlich verzeihlich

fand ich nicht problematisch, eher interessant auch für mich als frage, ob es so einen punkt gibt, an dem sich was wesentliches ändert. aber es geht ja auch nicht nur um shepp, sondern auch um die bands, die ich im 80er-jahre-kontext ziemlich toll finde – nicht immer, aber manchmal.

die 90er (ca. 12 alben) fasse ich wohl mit ca. 10 zusammen, die bis zur aktuellen danach noch erschienen sind. aber jetzt brauche ich erstmal eine pause.

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