Antwort auf: Archie Shepp

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vorgarten

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archie shepp in den 80ern

I consider myself a Shepp fan but the eighties weren’t actually his most fruitful and interesting decade if you ask me.

solche aussagen (hier von pim van tol, der ein album mit shepp, waldron und tchangodei auf seinem waldron-blog bespricht), die die 1980er in shepps karriere als „hit & miss“-periode kategorisieren, liest man überall. deshalb hab ich versucht, mal genauer hinzuhören.

an den rahmenbedingungen hat sich gegenüber der 2. hälfte der 70er kaum etwas geändert: immer noch unterrichtet (und lebt?) shepp in amherst, im „pioneer valley of western massachusetts“. immer noch ist er zwischenzeitlich jedes jahr vor allem in europa auf tour. immer noch interessiert sich kein us-amerikanisches label für ihn, der hauptberuflich über die afroamerikanische musik- und performance-geschichte forscht und unterrichtet.

was sich – mal wieder – ändert, ist sein spielansatz, bedingt durch neue embouchure problems, ganz deutlich wird das um 1981 herum. der ton wird gleichzeitig härter und kommt mit mehr luft, durch widerstände hindurch. shepp kann sehr laut spielen, aber er arbeitet nun mehr an modulationen, am sound. muss man mögen. und spätestens um 1985 herum (CALIFORNIA MEETING) hat er’s im griff.

er ist in den 80ern auf 28 alben zu hören, einige in kollektiver/partnerschaftlicher autor*innenschaft (parlan, tchangodei, van’t hof, ørsted pedersen, marre, richard davis, chet baker), auf einigen ist er ein feature (family of percussion, sun ra all stars, brotherhood of breath, material), nur zwei sind unter fremden namen (abbey lincoln, francisco mondragon rio). shepp ist sein eigenes trademark, er ist populär in europa, eignet sich als gaststar, es gibt interessante (van’t hof, tchangodei, lincoln) und weniger interessante (baker, rava) ideen der zusammenarbeit, oft für die großen europäischen festivals zusammengestellt (die arkestra all stars, die brotherhood), was halt so geht in den 80ern.

die drei duo-alben mit parlan, das mit richard davis, DOWN HOME NEW YORK mit charles mcghee (soulnote), ein live-auftritt mit jeanne lee (AFRICAN MOODS) dienen der vertiefung von shepps musikethnografischen interessen, nach dem fantastischen fazit seiner beschäftigung mit parker (LOOKING AT BIRD) sind es nun sidney bechet und vor allem bessie smith, denen er nachgeht.

andere erfolgreiche zusammenarbeiten sind herausforderungen, die eigentlich nicht naheliegen: mit peter gigers family of percussion fängt shepp plötzlich an zu singen (einen song über den historischen einsatz von afroamerikanischer percussion), was er weiterverfolgt und, mit DOWN HOME NEW YORK in richtung blues shouts entwickelt, zu einem neuen feature seiner eigenen performances macht. mit dem beniner, in frankreich lebenden pianisten tchangodei entstehen drei alben, die sich unformatiert auf dessen autodidaktisch erlerntes spiel einlassen. zu jasper van’t hofs polyrythmischen synthie-kaskaden fallen ihm sehr physische, auratische einwürfe ein. mit mal waldron spielt er immer wieder in europa, leider nehmen sie nur einmal auf (zusammen mit tchangodei).

das zweite segment sind die quartett-aufnahmen: wenn möglich, tritt er immer noch mit siegfried kessler auf – oder eben auch mit waldron. aber es gibt auch den versuch, eine junge working band zusammenzustellen (kenny werner, santi debriano, später avery sharpe, john betsch, später marvin „smitty“ smith), deren hakeliger beginn in die zeit arger ansatzprobleme fällt, dann bremst er ihren heißen post-coltrane-ansatz aus, auf THE GOOD LIFE fällt findet dann aber alles zueinander.

aus den duos mit horace parlan entsteht das andere quartett, mit parlan für kessler, das einen schlüssigen mainstream-weg findet – leider stirbt der bassist wilbur little zu früh. SPLASHES wird trotzdem ein erfolg, später begleiten sie chet baker, anfang der 90er wird dann wayne dockery der bassist der wahl, und shepps amherst-schüler steve mccraven sitzt fest hinter den drums.

shepp findet durch die 80er einen interessanten weg, der traditionalismus als vertiefung verfolgt und die herausforderung jenseits von formelhaften fusion-bands findet. die europäischen labels bleiben interessiert: soulnote (DOWN HOME NEW YORK 1984, LIVE ON BROADWAY 1985, LITTLE RED MOON 1985), steeplechase (LOOKING AT BIRD & TROUBLE IN MIND 1980, MAMA ROSE 1982), impro (MY MAN 1981), enja (SOUL SONG 1982, BODY & SOUL 1989), circle (AFRICAN MOODS 1984), 52e rue est (YOU’RE MY THRILL 1985, EN CONCERT I&II 1987, EN CONCERT A BANLIEUES BLEUES 1989), l+r (SPLASHES & REUNION & THE FIFTH OF MAY 1987, IN MEMORY OF 1988), timeless (LOVER MAN 1988).

aus einem interview mit larry appelbaum, 1982:

How about yourself? Do you get much airplay?

Overseas?

And in this country…

Well hardly at all in this country. They’re not supposed to be played here. That doesn’t surprise me. I mean a friend of mine told me about a very interesting experience she had. A Norwegian girl, she called Martin Williams at the Smithsonian Institute. At that time she was working in Washington teaching dance and Martin was putting on these Smithsonian concerts, you see. She said, “I’m a fan of Archie Shepp and why don’t you produce Archie Shepp at the Smithsonian some time? And Martin said, “Archie Shepp is a communist.” That’s what she told me.

So you’re a communist?

But I’m not! You see, that’s the first thing. But even if I were, what the hell does that have to do with it? And then it told me something about why I’ve never played at the Smithsonian, or perhaps why I haven’t done a few things I thought I should have.

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