Antwort auf: Who’s Gladys Thompson, anyway? (Auf der Suche nach Chuck Thompson, Jazz-Drummer)

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redbeansandrice

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Covid-Zeit heisst, man muss sich manchmal selber belohnen, auch wenn man nicht weiss wofuer… ich hab mir fuer dieses Wochenende zB den kostenlosen Probezugang fuer newspapers.com besorgt… und natuerlich unglaublich viel herausgefunden – keine Wunderwaffe aber durchaus der Zugang zu vielen neuen Quellen… Entsprechend weiss ich nun, woher der Name Bradford kommt, wie die Familie Karr in Gunnison Colorado so lebte, und vieles mehr… insbesondere weiss ich endlich auch mal wieder neue Sachen ueber Chuck Thompson, den eigentlichen Helden dieses Threads.

In diesem Post konzentrier ich mich auf Thompsons Aktivitaeten nach seinem Zusammenbruch im Sommer 1956. Zum Rest nur eine Kleinigkeit: Oben im Thread gibt es diesen Exkurs um die Ermordung von Jack McVeas Bassisten Frank Clarke, Kenny Clarkes bruederlichem Freund. Ich hab jetzt einen Artikel von 1973 gefunden, San Francisco Examiner, in dem Hampton Hawes erzaehlt, er sei zu der Zeit (August 1949) ebenfalls in McVeas Band gewesen, und dass er und Chuck Thompson zeitgleich in dieser Band waren… Es haengt alles zusammen, auch Nebenwege fuehren zum Ziel

Die neuen Informationen kommen auch fast alle aus dem San Francisco Examiner – Thompson’s Aktivitaeten um das Jahr 1959 dort lassen sich jetzt tatsaechlich ganz gut nachvollziehen. Was man nicht vergessen darf, ist dass diese Hawes Trio Aufnahmen zu den ganz grossen Jazzalben der Mitt50er Jahre gehoert, kurz vor Time Out, Kind of Blue und all dem… Entsprechend hatte Thompson in diesem Zeitfenster um 1957/58/59 eine gewissen Namen… Ich wiederhol nochmal. Das Hawes Trio war im Tiffany Club in Los Angeles ueber einen laengeren Zeitraum ein Riesenerfolg, nahm diese tollen Alben auf, und wurde dann auf eine Tour in den Osten geschickt. Ich hab laengst nicht alle Tourdaten aber einen Teil. Aus Hampton Hawes und Red Mitchells Sicht sah der mittlere Teil des Jahres 1956 irgendwie so aus, die meisten Jobs gingen wohl ein bis zwei Wochen, da koennte man noch nacharbeiten.

8 Maerz Tiffany Club Los Angeles
9-15 April Band Box, Rochester
23 April Storyville, Boston
30 April Embers, New York (12 Mai abgeloest von Johnny Costa)
Basin Street, New York („from the Embers, we moved cross town to Basin Street“, Raise Up Off Me)
6 Juni(?) Cotton Club, Cleveland
22-24 Juni Band Box Rochester
25-30 Juni Blue Note Philadelphia
7 Juli Crawford Grill, Pittsburgh
13 Juli Rouge Lounge, Detroit
25 Juli Blue Note, Chicago
10 August, Peacock Alley, St Louis
31 August Pasadena Civic Auditorium
7 September Tiffany Club Los Angeles
10 September Stars of Jazz (Hawes Trio + Julie London)
25 September Tiffany Club Los Angeles (Red Mitchell, LeRoy McCray)
27 September Tiffany Club Los Angeles, Stan Getz + Hampton Hawes Trio

(es fehlen nach Raise up off me: Peacock Club in Cleveland vor New York, Buffalo und Toronto danach – aber manches in dem Buch stimmt auch nicht)

Irgendwann waehrend dieser Tour ging Thompson verloren, vielleicht beim zweiten Gastspiel in Rochester, jedenfalls irgendwo zwischendrin. Er wurde im Osten dann wohl teilweise durch Kenny Burrell ersetzt, der Detroit Tribune berichtet davon am 11 August und in Hawes Buch steht es auch, und in Los Angeles durch LeRoy McCray (dr), einen Musiker, den Roy Porter in seinem Buch als Weggefaehrten aus Los Angeles bezeichnet. Derweil scheint sich Thompson halbwegs erholt zu haben und tritt in der zweiten Septemberhaelfte 1956 mit Bud Powell und Gene Ramey im Peps in Philadelphia auf. Das naechste Lebenszeichen ist dann ein Fernsehauftritt mit Sonny Criss, Hampton Hawes und Buddy Woodson im November 1957.

Ab dem 15 Februar 1958 tritt das Hampton Hawes Quartet immer sonntags im Strip City auf, neues Konzept, in dem die Strip Show mit hochwertigem Jazz aufgewertet wird. Das muesste der Gig sein, fuer den Clifford Solomon die zwei Schlagzeuger Frank Butler und Chuck Thompson erinnert – das laesst sich entsprechend mit hoher Wahrscheinlichkeit zwischen Mitte Februar und Mitte Mai 1958 datieren. Vom 24. Januar und 7. Februar gibt es uebrigens noch Hawes Ankuendigungen mit Red Mitchell (wo allerdings Thompson nicht explizit erwaehnt wird.) Ungefaehr im Mai 1958 reist er mit Clifford Solomon nach Las Vegas, um einen Gig anzutreten, wozu es dann allerdings nicht kommt. (Die Datierung im Mai kommt daher, dass Solomon sich an das Helldorado Festival erinnert, dass in dem Jahr Mitte Mai stattfand.)

Fuer Maerz 1958 gibt es dann eine Aufnahmesession, die auf Bird Song erschien, und bei der etwas kontrovers ist, ob Hawes von Scott LaFaro und Frank Butler begleitet wird, oder von jemand anderem. Falls die Korrekturen, die jemand bei wikipedia im lineup gemacht hat stimmen (Mitchell/Thompson statt LaFaro/Butler), bleibt fraglich, ob das Datum nicht auch korrigiert werden muesste. Beziehungsweise: Hawes wird am 17. Maerz 1958 kaum mit zwei verschiedenen Bands aufgenommen, haben erst das Album For Real mit LaFaro/Butler plus Harold Land und dann nochmal im Trio mit Mitchell/Thompson. Wenn es eine andere Band ist, duerfte es auch ein anderes Datum sein. Generell scheint Hawes Band in der Zeit nicht mehr so stabil gewesen sein wie frueher schonmal.

Nun das Neue: Aus dem San Francisco Examiner lernen wir folgendes
– 14 December 1958: Hampton Hawes will back Sonny Stitt when the great altoist opens at the [Jazz Workshop] Tuesday; Eddie Kahn [Khan] will be on bass and Chuck Thompson will be on drums. Der Job ging nach Verlaengerung wegen grossem Erfolg bis zum 11 Januar.
– Interessant dabei ist uebrigens, dass Hawes irgendwann in der zweiten November Haelfte verhaftet wurde, was dann zu seinem laengeren Gefaengnisaufenthalt fuehrte. Er nahm in der Zeit zwischen Verhaftung und Verurteilung noch ein Album auf, The Sermon, und vielleicht liess man ihn auch noch nach San Francisco – jedenfalls liest man nirgends, dass er nicht da war, aber auch nirgends, dass er da war.
– 15 Februar 1959: Chuck Thompson who has been working on drums with the Judy Tristano quartet at the Cabana has shifted to the Cellar
– Im Maerz 1959 spielt Thompson im Cellar mit Leo Wright (as), Bill Weisjahns (p) und Max Hartstein (b).
– Am 23 August 1959 tritt Thompson als Gast in einer Radiosendung auf KJAZ-FM in der Bay Area auf
– 21 Februar 1960: Chuck Thompson, best known of name drummers on the local scene has moved from the Cellar to the Coffee Gallery and will be heard with the Kenny Elmore Trio at the latter room.
– Im Februar/Maerz 1960 spielt entsprechend in der Coffee Gallery das Kenny Elmore Trio mit Chuck Thompson.

Thompson hatte den Job im Cellar also beinahe ein Jahr. Von Februar 58 bis 59. Wir wissen jetzt, wo die Zusammenarbeit mit Stitt herkam, die in dem einen Buch stand, dass er noch Anfang 1959 mit Hampton Hawes spielte, und dass er die Zeit zwischen dem Sonny Stitt Gig und dem Cellar mit einem Job bei Judy Tristano im Cabana ueberbrueckte…

Judy Tristano, estranged wife eines bekannten Jazzpianisten, war damals eine wichtige Figur in der lokalen Jazzszene, es gab Portraitartikel, die der Frage nachgingen, wie sie gleichzeitig Tenorsaxophonistin und Mutter sein konnte, und Kolumnen darueber, dass sie nicht zu sehr nach Warne Marsh klingt, obwohl sie natuerlich schon sehr Warne Marsh klingt. Im September 58 gab es einen laengeren Artikel dazu, wie sie den Schlagzeuger Smiley Winters in Oakland entdeckt hatte, der jetzt in ihrer Band spielte… Anfang 59 verliess er die Band wohl, kam dann im Laufe des Jahres nochmal wieder… und wurde generell zu einem der gefragtesten Drummer im San Francisco der Jahre 1959 und 1960. Lange kann Chuck Thompson diesen Job nicht gehabt haben, zumal er nicht der direkte Ersatz fuer Winters war.

Das Cabana hatte scheinbar immer wieder finanzielle Probleme gehabt zu haben. Im November 1959 lesen wir im Oakland Tribune, dass das Cabana nun Pink Elephant heisst und Judy Tristanos Gig endet. Das fuehrt uns zum letzten Kapitel: Spielte Chuck Thompson im Fruehjahr 1960 mit Joe Albany im Pink Elephant, so wie die liner notes zu einer Albany CD auf Freshsound sagen? Kann schon sein, aber in den bekannten Lineups steht er nicht… Albanys Gig im Pink Elephant begann am 24. Maerz. Das lineup laut Oakland Tribune sagt mir nichts (John Andrews, sax, Bill Young, dr, Willie Francis, b). Nach etwa vier Wochen wechselte er vom Pink Elephant ins Dragon Lady. Am 17 April erwaehnt der Examiner nochmal Albany im Pink Elephant, am 30. April kamen Anita ODay und Thelonious Monk ins Dragon Lady um ihn zu hoeren. Der Oakland Tribune vom 1. Mai berichtet von einem Trio-Lineup aus Smiley Winters und Benny Wilson (b). Am 29 Mai gibt es dann eine Notiz, Joe Albany ist zurueck in Los Angeles.

Interessant ist auch, was der Examiner ueber Albany im Pink Elephant schreibt. Dort werden immer die verschiedenen Gigs besternt, von * bis ******. In der Woche vom 10 April gibt es neben Albany noch Thelonious Monk im Blackhawk *****, die Hausband im Cellar ***1/2, Earl Hines im Hangover ****, Red Garland im Jazz Workshop ****1/2. Marty Marsala im Kewpie Doll ***1/2. Kid Ory im On the Levee ****, Freddie Gambrell im Stew Den ***1/2. Brew Moore mit Allen Smith im Tropics **** und Dick Partee in der Coffee Gallery (noch nicht besternt). Bei Albany steht: Joe Albany, the legendary bop pianist in one of his rare appearances with a good local section. Between ** and ****** depending on when you catch him. In der Folgewoche ist die Spanne allerdings auf *** bis ***** geschrumpft. Was ich hier bemerkenswert finde, ist, dass Albany scheinbar wirklich ganz besonders erratisch gewesen sein muss, also, auch Thelonious Monk und Brew Moore waren ja keine stocknuechternen Praezisionsmaschinen, aber…

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