Antwort auf: Paul Weller

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marbeck
Keine Lust, mir etwas auszudenken

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Spiegel online

Paul Weller – „On Sunset“

(Polydor/Universal, ab 3. Juli)

Paul Weller war schon früh ein älterer Herr: Keine 40 Jahre zählte er, als man für ihn Mitte der Neunzigerjahre den Begriff des „Modfathers“ erfand. Ein Ausdruck, der doppelt galt: Zunächst einmal war Weller mit seiner Band The Jam, die er als Teenager gründete, natürlich die zentrale Figur des Mod-Revivals der Siebziger. Aber auch für den sogenannten Britpop spielte er eine große Rolle. Er war Vorbild, Impulsgeber, Strippenzieher – und veröffentlichte 1995 mit „Stanley Road“ ein Album, das rasch seinen Weg in den Genrekanon fand.

Sein Großwerk bleibt jedoch das zwei Jahre zuvor erschienene „Wild Wood“, auf dem er Impulsen aus der eigenen Vergangenheit (vor allem seiner zweiten Band Style Council) Einflüsse von Northern Soul bis Rock beimengte und das Ganze gemeinsam mit Produzent Brendan Lynch in effektvolle Soundschleifen wickelte.

Der Eklektizismus, der „Wild Wood“ ausmachte, ist auch das zentrale Wirkprinzip seines inzwischen 15. Solo-Albums „On Sunset“. Allerdings fließen die einzelnen Bestandteile nicht ganz so elegant ineinander. Statt Nahtstellen zu zeigen, mutet Weller uns nun auch Brüche zu. Schon das erste Stück, „Mirror Ball“ zieht den Hörer durch verschiedene Klangdimensionen: Zunächst räsoniert Weller, 62, über die titelgebende Diskokugel, während im Hintergrund ein Klavier, sanfte Percussion und Keyboards Teppichbilder tupfen. Irgendwann klöppelt ein elektronischer Beat, irgendetwas scheint rückwärts zu laufen, die Gitarre twangt. Dann kippt die Melodie, es knarzt und knackt und klappert, und wir sind plötzlich in jener Avantgarde gefangen, die Weller auf seiner im Januar erschienenen „In Another Room“-EP verfolgte.

Dieser Song ist ein radikaler Bruch zum Vorgängeralbum „True Meanings“, das vor zwei Jahren erschien. Vor allem aber bereitet er den Hörer auf das vor, was folgt. Zehn Stücke lang blickt Weller neugierig in musikalische Welten. Zentral sind dabei drei weitere Stücke: „More“ schichtet Soul und Krautrock übereinander, dazu singt Julie Gros von Wellers französischer Lieblingsband Le Superhomard ein paar französische Worte, bevor Weller wieder drei Minuten lang sein Glück im Jam sucht. „Baptiste“ ist der Gegenpunkt, ein knapp gehaltener, stringenter Soul-Song.

Inhaltlich sagt „Village“ am meisten über das Album aus: „Here I am, ten stories high. Not a single cloud in my eye“ singt Weller darin. Es ist zu vermuten, dass diese Zeilen nichts mit Rauschmitteln zu tun haben, den Drogen und dem Alkohol hat Weller schon vor einigen Jahren abgeschworen, die gesunde Gesichtsfarbe auf aktuellen Fotos lässt vermuten, dass er viel im Garten arbeitet. Es geht also eher um ein natural high und um die Freude am guten, ruhigen Leben: „Not a thing I’d change if I could. I’m happy here in my neighbourhood“.

Altersruhe und -Weisheit trifft also auf eine Abenteuerreise durch den Sound. Ersteres führt zu erstaunlich wenig Redundanzen. Auch wenn Weller bisweilen auf Textbausteine wie „Mountains high, valleys low“ zurückgreift, wirkt es eher als Würdigung denn als Phrasenschweinerei. Die Abenteuerlust lässt „On Sunset“ zum besten Weller-Werk seit „22 Dreams“ (2008) werden. Es gelingen ihm sogar einige ebenso anschmiegsame wie kantenreiche Popsongs: Das swingende „Old Father Tyme“, der Beinahe-Boogie „Walkin’“ (das Tenorsaxofon spielt Lee Thompson von Madness) oder „Equanimity“, bei dem Jim Lea von Slade die Fiedel spielt.

Für Style-Council-Fans vermutlich von allerhöchster Bedeutung: Auf einigen Tracks bedient Mick Talbot die Orgel. Als Ganzes verströmt das Album eine angenehme Zuversicht. Oder, um es noch einmal mit „Village“ zu sagen: „Never knew what a world this was, `til I looked in my heart.“ Harmonie als Strategie, schön. (8.3) Jochen Overbeck

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