Antwort auf: Wieviel Musik braucht ein Mensch?

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herr-rossi
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@henne2 @mikko @onkel-tom: Auf das Beispiel The Marmalade war ich gekommen, weil @stormy-monday und ich neulich über die Band unterhielten. Ich hatte mich daraufhin noch mal durch ihre Hit-Singles gehört, fand dabei aber nichts, was mein Interesse umgehend gepackt hätte. Ich muss dazu sagen, ich höre mich sukzessive durch sämtliche UK- und US-Hitsingles der 60er und 70er Jahre, die mir nicht bekannt sind, auf der Suche nach mir bislang entgangenen hidden gems, bin also guten Willens. Mag auch sein, dass die eine oder andere Marmalade-Single bei mir auch noch „wachsen“ würde im Laufe der Zeit, aber Stormys wiederholtes Diktum, dass es Ende der Sechziger es Fantastiliarden an tollen Pop-Songs gegeben hätte, denen nichts aus den letzten 30 Jahren das Wasser reichen könnte, kann ich wirklich als „Nachgeborener“ (Jg. 68) beim besten Willen nicht teilen. Für mich präsentiert sich gerade diese Zeit von ca. 1968 bis 1971 im Pop als eine orientierungslose Phase. Die großen Themen der Sechziger vom klassischen Motown-Sound über Spector und Girl Groups bis hin zur „British Invasion“ waren durch. Es ist nicht so, dass es keinen interessanten Pop gab in dieser Zeit – es gab große Balladen, es gab Bubblegum, es gab die frühen Reggae-Hits, aber so richtig aufregend und vorwärtsdenkend wurde Pop erst wieder mit Glam, Philly, Disco, ABBA, Kraftwerk usw. und dann später mit Post Punk und „New Wave“. Behaupte ich einfach mal …

Nehmen wir meinetwegen die Bee Gees: Die waren Ende der Sechziger fest auf beatleske Balladen abonniert und durften anderes nur auf den Alben ausprobieren. Davon sind natürlich einige ganz groß, aber irgendwo zwischen „Saved By The Bell“ (Robin solo, ich weiß …) und „I.O.I.O“ versumpfte das ganze doch in Schmalz und Beliebigkeit und es war kein Wunder, dass ca. 1974 kein Mensch mehr noch einen Cent auf die Bee Gees gesetzt hätte. Die mussten erst so richtig unten sein, ehe sie sich neu erfinden konnten, in dem sie als eine der ersten die schwarze und schwule Gegenkultur in den Clubs als das kommende Pop-Phänomen wahrnahmen. Und natürlich haben Singles wie „Nights On Broadway“ und „Stayin‘ Alive“ mehr Stil und Format als ein kuscheliger Schlager wie „Massachusetts“, auch wenn ich den natürlich mag als alter Schnulzenheini, aber ehrlich: das war exakt die Spielklasse von, sagen wir mal, Pussycats „Mississippi“ oder Smokies „Living Next Door To Alice“.

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