Antwort auf: 1968 im jazz

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gypsy-tail-wind
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vorgarten

friedrichNeben John Coltrane ein weiterer Todesfall des Jahres 1967: Billy Strayhorn, der ungleiche Partner Duke Ellingtons. Irgendwie ging auch damit eine Epoche zu Ende. Ellington nahm im gleichen Jahr als quasi Requiem das Album AND HIS MOTHER CALLED HIM BILL auf, das 1968 veröffentlicht wurde.

sehr schön, danke (leider arg komprimiertes video)! strayhorns tod wurde ja schon erwähnt. war das denn wirklich eine spürbare zäsur im werk ellingtons oder hat er so weiter gemacht wie zuvor?

Ich hätte jetzt gesagt eher nicht, aber bin mir nicht sicher. Ellington hat in seinen letzten Jahren (nach dem Abgang bei Sinatras Reprise, für das er bis 1966 aufnahm) vermutlich mehr kleine Besetzungen ins Studio gebracht als davor. Aber ob das direkt mit Strayhorns Tod zusammenhängt, weiss ich nicht. Er hat auch sehr vieles selbst produziert und dann erst an Label vertickt – aber das war ebenfalls nicht neu, die „Private Collection“ enthält, wenn mich nicht alles täuscht, auch Studio-Sessions (mit der ganzen Big Band), die Ellington in dne Fünfzigern schon in Eigenregie produziert hatte. Die späten Sachen, die Fantasy herausgebracht hat, eben mit Material von solchen in Eigenregie durchgeführten Sessions, sind aber schon was anderes als was man davor von Ellington kriegte – hätte ich aber er unter „Spätwerk“ abgebucht als unter „Veränderungen nach dem Tod Strayhorns“. Zudem: Auch davor ist es ja fast unmöglich, auseinanderzuhalten, wer von ihnen was gemacht hat.

Und ich erwähne es hier halt doch noch, weil die Zäsur ja nicht am 1.1.1968 kommt sondern am 14.7.1967: exakt zwei Wochen später fand die zweite Session statt (damals auch eine von diversen in Eigenregie produzierten), die auf dem quintessential ECM-Album „Ballads“ von Paul Bley landete, das erst 1971 erschien. Einen Zusammenhang mit Coltranes Tod will ich nicht herbeireden, ich habe keine Ahnung, wie Bley zu Coltrane stand, ob er sich jemals ausführlicher geäussert hat oder so – aber das Album scheint mir auf jeden Fall sehr bedeutsam zu sein, in mancher Hinsicht eine Blaupause für Vieles, was folgte, auch ausserhalb des Jazz. Die Musik stammt denn auch von Annette Peacock (und nicht von Carla Bley), steht vielleicht in der New Age-Linie, die schon bei Jimmy Giuffre losgeht (oder bei Erik Satie), Musik, die nichts entwickelt, die irgendwie von den Dingen losgelöst wirkt (oder wie bei Satie „musique d’ameublement“) – ob die Folgen nun gut oder schlecht sind, gehört hier wohl nicht hin, aber ich finde das Album endlos faszinierend.

Eugene Chadbourne findet es öde, hat aber für Allmusic dennoch eine tolle Rezension geschrieben:
https://www.allmusic.com/album/ballads-mw0000333748

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