Antwort auf: Jazz-Glossen

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gypsy-tail-wind
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friedrich
Edit: @ gypsy-tail-wind

Was ist eigentlich mit meiner These, dass Soli nur im Kontext Sinn ergeben und entsprechend gestaltet sein sollten? Ein bloßes Aneinanderreihen hingegen führt zu keinem Mehrwert. Wollte ich es schlau ausdrücken, könnte ich die Begriffe These, Antithese und Synthese in die Runde werfen. Oder: Der Kontext ist der Text.

Ich versuchte diese These indirekt mit zwei Beispielen aus der Praxis zu belegen:

a) Ein Bläsersolo auf HHs Speak Like A Child widerspricht dem musikalischen Konzept dieses Albums. Ein Solo von Thad Jones wäre also und in diesem Kontext nicht angemessen und kontraproduktiv.

b) Johnny Hodges & Wild Bill Davis agieren auf Con-Soul & Sax als Widerparts. Ihr Zusammenspiel und ihre Soli ergeben erst aus dieser Konstellation heraus Sinn.

Sorry, darauf ging ich nicht ein, weil es mir total trivial vorkommt. Was ist der Kontext? Erstmal sind es im Hauptstrom des Jazz die Changes, die von den Stücken vorgegebene Struktur – in einem solchen Umfeld wäre ein unsinniges Solo erstmal eins, das voller Fehler ist (die nicht, wie bei Miles oder Chet, gut klingen durch eine schlaue Auflösung). Aber klar, dass Du das nicht so gemeinst hast. Dass Jazz eine Kunst des Dialogs ist (und dann sind wir bei dem, was Du mit „These, Antithese, Synthese“ ansprichst), ist mir ebenso absolut selbstverständlich. Dass das auch nicht immer klappt, und dass das Beherrschen der Regeln (Changes) keine hinreichende Vorbedingung dafür ist (aber in der Regel eine notwendige), ist mir ebenso klar. Wir sind dann aber schon so tief im Sumpf, dass wir uns ausser mit einer Meinung (die man natürlich gut oder weniger gut begründen kann) kaum noch am eigenen Schopf rausziehen kann … also für mich eher eine Nicht-Diskussion (gerade so, wie der Solist natürlich auch die Nicht-Kommunikation als Mittel der musikalischen Kommunikation gebrauchen kann ;-) )

Und dass ein Solo von Thad Jones auf „Speak Like a Child“ stören würde, ist mir schon klar – allerdings wäre Thad gut genug, es durchzuziehen ohne zu stören … aber es war halt nicht Teil des Konzepts, das hatte ich schon beim ersten Hören vor 20 Jahren gecheckt. Änderte damals nichts an der Enttäuschung. In der Zwischenzeit ist diese durch das exponentielle Wachsen der Sammlung eh nicht mehr so bedeutsam, da ich von sehr vielen auch weniger häufig zu hörenden Musikern Aufnahmen da habe, auf denen sie eben wirklich zu hören sind … aber von einem so brillianten Musiker wie Thad Jones dürfte es natürlich gerne ein paar Dutzend mehr Alben geben.

@vorgarten: Die Zusammenführung, die Du vornimmst, gefällt mir sehr und überzeugt mich auch. Ich bin ja eben inzwischen auch an einem ganz anderen Punkt angelangt, an dem ich „Ganzes“, also Kompositionen, Arrangements, Stimmungen, Besetzungen usw. längst auch für sich zu schätzen weiss … es wird aber für mich nie der Hauptanziehungspunkt im Jazz werden. Das bleibt das Individuum, die Stimme – und ihr Dialog mit anderen Stimmen natürlich, der dann eben auch in der Solo-Abfolge irgendwie stattfindet, auch wenn es dazu wiederum keine Anleitung (weder zum Spielen noch zum Hören/Lesen) gibt …

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