Jazz-Glossen

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  • #10549693  | PERMALINK

    friedrich

    Registriert seit: 28.06.2008

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    gypsy-tail-windHm, dabei ist doch gerade „Big Band & Quartet in Concert“ das eine Monk-Album, das die Ödnis des Quartetts durchbricht – mit Solisten wie Steve Lacy, Phil Woods (der bei Monk als Solist immer ziemlich toll ist) und anderen – und recht guten Arrangements obendrein (im Gegensatz zum Job von Oliver Nelson später). Ich verstehe Deinen Punkt aber schon, das ist wohl genau so ein Ding, wo man an den „Stimmen“ der Solisten interessiert sein muss (während man sich beim kompakten Quartett auch einfach am Gruppensound und dem tollen Swing erfreuen kann, ohne dass man Rouses Konservendosenton mögen muss).

    Ich habe BB & QRTT nicht mehr so gut in Erinnerung. Ich fand das schon gut gemacht, aber im Vergleich zum älteren Town Hall-Album doch routiniert und vorhersehbar. Das Oliver Nelson-Album kenne ich nicht vollständig, aber das ist wohl auch ein Spätwerk, von dem sich Columbia mit den Nelson-Arrangements eine etwas bessere Marktgängigkeit des alten Eisens Monk erhoffte.

    Je länger ich darüber nachdenke: Bei Wild Bill <-> Hodges ist es das Mit– und Gegeneinander, das den Reiz ausmacht. Nicht das Nacheinander. Bei den erwähnten Herbie Hancock-Alben ist das auch so.

    Edit: @gypsy-tail-wind

    Was ist eigentlich mit meiner These, dass Soli nur im Kontext Sinn ergeben und entsprechend gestaltet sein sollten? Ein bloßes Aneinanderreihen hingegen führt zu keinem Mehrwert. Wollte ich es schlau ausdrücken, könnte ich die Begriffe These, Antithese und Synthese in die Runde werfen. Oder: Der Kontext ist der Text. ;-)

    Ich versuchte diese These indirekt mit zwei Beispielen aus der Praxis zu belegen:

    a) Ein Bläsersolo auf HHs Speak Like A Child widerspricht dem musikalischen Konzept dieses Albums. Ein Solo von Thad Jones wäre also und in diesem Kontext nicht angemessen und kontraproduktiv.
    b) Johnny Hodges & Wild Bill Davis agieren auf Con-Soul & Sax als Widerparts. Ihr Zusammenspiel und ihre Soli ergeben erst aus dieser Konstellation heraus Sinn.

    --

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    #10551096  | PERMALINK

    vorgarten

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    Beiträge: 12,007

    friedrichlaufen tatsächlich fast alle Stücke noch dem gleichen Schema ab, Thema-Solo-Solo-…-Thema. An sich ist das nichts Böses, aber wenn dieses Schema nicht mit Leben gefüllt wird, bleibt am Ende nur eine tote Hülle.

    gypsy-tail-wind … der zentrale Punkt ist aber, dass ich die Soli generell als den Aspekt des Jazz ansehe, bei dem der persönliche Charakter der Musiker zum Vorschein kommt, der eigene Sound, die Phrasierung, die dramaturgische Gestaltung – oder auch das Scheitern.

    ich kann beide standpunkte sehr gut nachvollziehen. mir geht es oft so wie @gypsy-tail-wind, dass ich der einzigartigen stimme von einzelnen nachjage und sie möglichst freigestellt hören möchte, oft aber auch wie @friedrich – das ermüdende nacheinander von soli gibt es ja nicht nur im hardbop, sondern auch im free jazz, wo in jedem stück basisdemokratisch wirklich jede*r unbedingt seine 10 minuten haben muss.

    SPEAK LIKE A CHLD ist wohl mein lieblingsalbum von hancock bei blue note, zumindest das, was ich am häufigsten höre. trotzdem war auch ich oft sehr enttäuscht, wenn ich wegen eines bestimmten musikers oder einer musikerin eine aufnahme gekauft hatte und der oder die dann irgendwo im bläsersatz versteckt wurde, oder – noch schlimmer – als klangfarbe eingesetzt, wie alice coltranes harfenspiel, egal, ob bei kirk oder bei laura nyro (was für eine faulheit, sich von ihren soli nicht herausfordern zu lassen!).

    was @friedrich sagt, ist genau der punkt: das formalistische der thema/soli-struktur muss mit leben gefüllt sein, mit genau dem, von dem gypsy schwärmt: mit individualismus, mit kontrast, mit eigenen stimmen, mit variationsreichtum. da denke ich auch wenig an den schwanzvergleich der virtuosen (von dem ich leider im hardbop selten abstrahieren kann), eher an die brüchigen, gefährdeten, riskanten stimmen, die sich in diesem umfeld gehör verschaffen: alan shorter, grachan moncur, marion brown, graham haynes. aber auch, wie jemand wie jackie mclean noch das ödeste thema mit biss aufladen kann. coltrane (ist mir gerade wieder anhand der japan-aufnahmen aufgefallen) steigt jedes mal anders ein, völlig abhängig davon, wer vor ihm solo gespielt hat. und bei charles gayle ist die inspiration wirklich zu greifen, wenn er nach einem schlagzeugsolo völlig aufgeladen wieder einsteigt. und bitte nichts gegen bass-soli: da geht es ja nicht nur um egotripps und basisdemokratisches bandverhalten, sondern auch um die möglichkeit, in einem stück nochmal eine neue atmosphäre, einen neuen sound, neue frequenzen zu etablieren, gegen die sich das nächste solo wieder absetzen kann.

    insofern: große vorfreude auf den nächsten bft!

    --

    #10551122  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 67,061

    friedrich
    Edit: @ gypsy-tail-wind

    Was ist eigentlich mit meiner These, dass Soli nur im Kontext Sinn ergeben und entsprechend gestaltet sein sollten? Ein bloßes Aneinanderreihen hingegen führt zu keinem Mehrwert. Wollte ich es schlau ausdrücken, könnte ich die Begriffe These, Antithese und Synthese in die Runde werfen. Oder: Der Kontext ist der Text.

    Ich versuchte diese These indirekt mit zwei Beispielen aus der Praxis zu belegen:

    a) Ein Bläsersolo auf HHs Speak Like A Child widerspricht dem musikalischen Konzept dieses Albums. Ein Solo von Thad Jones wäre also und in diesem Kontext nicht angemessen und kontraproduktiv.

    b) Johnny Hodges & Wild Bill Davis agieren auf Con-Soul & Sax als Widerparts. Ihr Zusammenspiel und ihre Soli ergeben erst aus dieser Konstellation heraus Sinn.

    Sorry, darauf ging ich nicht ein, weil es mir total trivial vorkommt. Was ist der Kontext? Erstmal sind es im Hauptstrom des Jazz die Changes, die von den Stücken vorgegebene Struktur – in einem solchen Umfeld wäre ein unsinniges Solo erstmal eins, das voller Fehler ist (die nicht, wie bei Miles oder Chet, gut klingen durch eine schlaue Auflösung). Aber klar, dass Du das nicht so gemeinst hast. Dass Jazz eine Kunst des Dialogs ist (und dann sind wir bei dem, was Du mit „These, Antithese, Synthese“ ansprichst), ist mir ebenso absolut selbstverständlich. Dass das auch nicht immer klappt, und dass das Beherrschen der Regeln (Changes) keine hinreichende Vorbedingung dafür ist (aber in der Regel eine notwendige), ist mir ebenso klar. Wir sind dann aber schon so tief im Sumpf, dass wir uns ausser mit einer Meinung (die man natürlich gut oder weniger gut begründen kann) kaum noch am eigenen Schopf rausziehen kann … also für mich eher eine Nicht-Diskussion (gerade so, wie der Solist natürlich auch die Nicht-Kommunikation als Mittel der musikalischen Kommunikation gebrauchen kann ;-) )

    Und dass ein Solo von Thad Jones auf „Speak Like a Child“ stören würde, ist mir schon klar – allerdings wäre Thad gut genug, es durchzuziehen ohne zu stören … aber es war halt nicht Teil des Konzepts, das hatte ich schon beim ersten Hören vor 20 Jahren gecheckt. Änderte damals nichts an der Enttäuschung. In der Zwischenzeit ist diese durch das exponentielle Wachsen der Sammlung eh nicht mehr so bedeutsam, da ich von sehr vielen auch weniger häufig zu hörenden Musikern Aufnahmen da habe, auf denen sie eben wirklich zu hören sind … aber von einem so brillianten Musiker wie Thad Jones dürfte es natürlich gerne ein paar Dutzend mehr Alben geben.

    @vorgarten: Die Zusammenführung, die Du vornimmst, gefällt mir sehr und überzeugt mich auch. Ich bin ja eben inzwischen auch an einem ganz anderen Punkt angelangt, an dem ich „Ganzes“, also Kompositionen, Arrangements, Stimmungen, Besetzungen usw. längst auch für sich zu schätzen weiss … es wird aber für mich nie der Hauptanziehungspunkt im Jazz werden. Das bleibt das Individuum, die Stimme – und ihr Dialog mit anderen Stimmen natürlich, der dann eben auch in der Solo-Abfolge irgendwie stattfindet, auch wenn es dazu wiederum keine Anleitung (weder zum Spielen noch zum Hören/Lesen) gibt …

    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #10553958  | PERMALINK

    friedrich

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    Beiträge: 4,877

    Thx @vorgarten für die diplomatische Vermittlung und thx @gypsy-tail-wind für die dann-doch-noch-Antwort. Hatte schon die Befürchtung, ins Fettnäpfchen getreten zu sein und damit die Diskussion abgewürgt zu haben.

    Meine Behauptung von Improvisation und Solo im Jazz als eine Frage des Kontextes und der Kommunikation ist wahrscheinlich tatsächlich trivial und ich glaube ich habe sie daher auch absichtlich hochgestochen und provozierend in Form einer wissenschaftlichen These mit Belegen (Fußnoten hatte ich vergessen ;-) ) formuliert. Hat aber nicht so richtig geklappt mir der Provokation. :-( Aber manchmal ist es ganz hilfreich, solche scheinbare Trivialitäten einfach mal auszusprechen, alleine um sich das selbst klar zu machen. Und erfahrungsgemäß geht ja nicht nur im Jazz, in der Musik oder auch in ganz anderen Bereichen ganz gerne mal der ursprüngliche Sinn, warum man mal etwas in einer bestimmten Art und Weise gemacht hat, verloren und es wird nur noch routiniert die Form wiederholt. Weil man es immer so gemacht hat – Thema-Saxsolo-Pianosolo-Basssolo-Drumsolo-Thema-Schluss. Das Beispiel mit dem Spätwerk von Monk hatte wir ja schon, aber man könnte noch viele andere finden.

    Ich denke, es gibt auch ganz unterschiedliche Konzepte, wie Soli eingesetzt werden. Da sind wir z.B. bei Johnny Hodges, auf den vorgarten mich stieß, oder Duke Ellington, der mit seinem Orchester komplizierte Kompositionen und Arrangements spielte, in die er ganz gezielt als Ausnahmen und Höhepunkte Soli einbaute, gespielt von ganz gezielt ausgewählten Solisten, die Komposition sogar oft diesen Solisten auf den Leib geschrieben. Sicher kein Zufall, dass genau diese Solisten sehr individuelle Stimmen hatten. Johnny Hodges und Ben Webster wären nur zwei Beispiele. Und Duke oder Basie konnte es sich auch nicht leisten, langweilig zu sein. Die mussten ein Orchester ernähren und den Laden mit zahlendem Publikum füllen. Da konnte es nicht darum gehen, ein Schema abzuspulen oder dass sich auf der Bühne einer im Solo selbst verwirklicht, das aber sonst niemanden groß interessiert. Es musste spannend sein und unterhalten.

    Bubber Miley, Barney Bigard und andere:

    Gypsy erwähnte in Zusammenhang mit den 60er Big Band-Aufnahmen von Monk Steve Lacy als Solist. Ich erinnere mich nicht mehr gut an diese Aufnahmen, die mir durch die schematisch runtergespielten Stücke im Quartet verleidet wurden. Aber bei Lacy fälllt mir ein, wie Gil Evans ihn als Solisten einsetzte. Nämlich als mit dem Sopransax herausstechenden Glanzpunkt, der gegenüber dem Orchester einen Akzent setzte. Hier setzt Steve Lacy kurz nach 2:00 mit dem ersten Solo ein:

    Und vorgartens Beispiel mit den 10-minütigen Soli im Free Jazz für jeden Musiker, egal ob Bläser oder drummer: Das ist ja eigentlich gar nicht basisdemokratisch (denn bei einer demokratischen Entscheidung setzt sich eine Mehrheit durch und die könnte sich ja durchaus auch gegen ein drumsolo entscheiden), sondern da wird ein egalitärer Proporz verwirklicht, gleiche Rechte für alle. Und das scheint auch das eigentliche Konzept dahinter zu sein. Nicht ein angestrebtes Ergebnis ist maßgebend, sondern eine Versuchsanordnung des gemeinsamens Musikmachens, ohne vorher ein Ziel zu formulieren. Ist interessant, ob es am Ende mehr ergibt als die Summe seiner Teile, ist sicher immer wieder unterschiedlich und insofern darf man dieses Konzept ggf. auch mal hinterfragen. Es einfach immer zu wiederholen, ist dann auch nicht mehr experimentell und spannend sondern erstarrt und langweilig. Aber mit Free Jazz kann man sowieso keine Hallen mit zahlendem Publikum füllen.

    Oder die Zwiegespräche von Gerry Mulligan und Chet, Desmond, Hodges, Webster …

    Im Hard Bop ist es sicher noch mal anderes. Im günstigen Fall ist das Schema Thema-Solo-Solo-Solo-Thema spannend. Die Solisten haben individuelle Stimmen, reagieren aufeinander und können gemeinsam ein Dramaturgie gestalten. Im ungünstigeren Fall einer spontanen jam session, bei der jeder nach Proporz seine 12-Takte kriegt, ob er was zu sagen hat oder nicht, ist das allerdings oft weit weniger spannend.

    Positives Beispiel, sogar mit drum solo aber ohne bass solo:

    Bei meiner Metapher mit der toten Hülle verbog sich ja fast die Tastatur beim tippen. Aber die Botschaft ist offenbar angekommen.

    Sorry, wenn das hier etwas zu viel Text geworden ist. In jedem Fall vielen Dank für das anregende Gespräch!

    --

    „Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)
    #10554074  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Ich mag jetzt gar nicht gross auf das öde Free-Jazz-Bashing eingehen, denn das ist seit Jahrzehnten schon so langweilig, wie für Dich das „Thema-Solo-Solo-Thema“-Schema :whistle:

    Die grossen füllen Hallen, klar, und sie ziehen bei Festivals. Ihre Stimmen sind so individuell wie die der besten Swingmusiker oder der besten Hardbopper … und die Versuchsanordnung ist eben keine ausserhalb von Zeit und Raum. Klar kann Free Jazz furchtbar langweilig sein, vielleicht gerade auch dann, wenn er etwas zu erzwingen versucht (aber was mir so erscheint, finden andere wiederum ganz phantastisch, ich nenne nur mal David S. Ware, mit dem ich ja leider einfach nicht klar komme).

    Was ich sagen will ist: nicht zu schnell denken und feuern bitte. Hinsetzen, zuhören, überlegen, offen sein, sich treiben lassen, über den eigenen Schatten springen … vielleicht ist dann auch das Schlagzeugsolo plötzlich interessant, wenn man nicht schon von Anfang an nur mit den Schultern zuckt und den morgigen Tag im Kopf durchgeht … mir ist das hier denn irgendwie etwas zu trocken und zu abstrakt, obwohl Du natürlich musikalische Beispiele einstreust (die allesamt wunderbar sind, meine Liebe zur Musik Ellingtons, Basies und auch anderer aus der Swing-Ära ist ja hinlänglich bekannt). Die schnelle These führt einfach nicht sehr weit bzw. das Gespräch wird dann relativ rasch langweilig für mich, weil man über Pauschalisierungen kaum noch rauskommt, wenn man erstmal richtig tief drinsteckt.

    Und das argumentieren mit Solitären (Ellington, Evans) ist auch nicht gerade zielführend, denn weshalb gibt es nur einen Armstrong, einen Ellington, einen Miles, einen Mies, einen Wittgenstein, einen Celan, einen Coltrane, einen Siza, einen … (aber warum dann plötzlich zwei Rousseaus und 1,1 Walsers? ;-) )

    PS: Ob King Curtis wirklich Hard Bop ist, wäre nochmal eine ganz andere Diskussion (die Berührungspunkte sind gegeben, keine Frage – aber ich sage trotzdem nein, R & B und Soul Jazz ist nicht immer auch Hard Bop).

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    #10554140  | PERMALINK

    friedrich

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    Hey, @gypsy-tail-wind,

    das Free Jazz-bashing hatte ich bei @vorgarten aufgegriffen und ich bin mir sicher, dass das nicht 1:1 seine Meinung wiedergibt. Meine übrigens auch nicht. Ich schrieb ja sogar, dass die Versuchsanordnung interessant ist und die Ergebnisse unterschiedlich ausfallen können.

    Ich dachte, wieso hätte Ellington niemals ein „ergebnisoffenes“ 10-Minuten Solo spielen lassen? Ich glaube, die Antwort ist ganz einfach: Er hätte es nicht verkaufen können. Ich weiß, es gibt Ausnahmen … Zu den Solisten bei Ellington fällt mir noch ein Begriff ein: Die waren Attraktionen.

    Ich habe obigen Post gestern Abend in einem Stück runtergeschrieben und sofort gepostet. Normalerweise versuche ich das zu vermeiden, sondern lese das gern am nächsten Tag noch mal gegen, um zu vermeiden, das allzu viel spontan geäußerter Unsinn drin steht. Aber ich hatte tagsüber über unseren kleinen Disput nachdenken müssen und wollte das einfach los werden. Ich glaube, ich habe vor allem laut darüber nachgedacht, was ein Solo, das mir gefällt und mich anregt, überhaupt ausmacht, und umgekehrt, wieso mich andere Soli nicht berühren oder sogar langweilen. Bitte verzeih, dass ich da auf die schnelle vielleicht nicht die originellsten Beispiele gefunden habe – aber es sind auch nicht die schlechtesten und Johnny Hodges / Ellington und Steve Lacy lagen ja schon auf der Hand, da sie bereits erwähnt worden waren. Solitäre? Vielleicht. Vielleicht aber auch 8000er in einem Gebirge aus 7000ern und 6000ern.

    Ob diese Aufnahme von King Curtis (mit btw. Nat Adderley, tp; Wynton Kelly, p; Paul Chambers, b) Hard Bop ist oder nicht, ich denke es ist müsßig, darüber zu diskutieren. Das Stück fiel mir fast als erstes ein, als ich nach einem – naja … – recht konventionellem Jazzstück 50er/60er Jahre suchte, das mich mitreißt. Ich wusste gar nicht, warum eigentlich. Und ich glaube ich muss mir das heute Abend auch noch mal bewusst anhören, damit ich besser erkenne, was da überhaupt passiert. Und btw. gibt es da auch dieses kleine Schlagzeugsolo, was im flow diese Stückes Sinn ergibt.

    Ich denke, das Glas der Gemeinsamkeiten ist hier im Gespräch sowieso weit mehr als halb voll und wir streiten uns über den weit geringeren Teil, der leer ist. Was ja auch okay und gut ist, wenn sich dabei nicht die Fronten verhärten oder man aufhört miteinander zu sprechen.

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    „Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)
    #10554152  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Registriert seit: 25.01.2010

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    Ja klar, wir streiten (ein wenig nur) ja bloss, weil uns die Sache lieb und wichtig ist! Und der Streit soll bitte lustvoll bleiben und nicht zu Frustrationen führen!

    Wenn ich mal tippen darf, bei King Curtis: einfach weil der Groove, der Beat, der Swing, so gut ist? Gepaart mit dem Ton, den er zu bieten hat? Das ist alles sehr tight, total auf den Punkt, und in der Hinsicht auch das, was ich als wirklich „hip“ empfinde (ich finde auch z.B. Ben Riley auf den – tendentiell – langweiligen Monk-Alben* als super-hip)

    *) die sind ja immer nur aus der Distanz langweilig, oder wenn man sie fälschlicherweise (also dann, wenn’s halt dann doch nicht passt, aber in solchen Fällen wechsle ich nach wenigen Minuten schon die CD) auflegt – wenn man mal aufmerksamer lauscht, ist eigentlich jedes der Columbia-Alben Monks wieder ziemlich toll … alles eine Frage der Dosierung

    --

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    #10554158  | PERMALINK

    friedrich

    Registriert seit: 28.06.2008

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    gypsy-tail-windJa klar, wir streiten (ein wenig nur) ja bloss, weil uns die Sache lieb und wichtig ist! Und der Streit soll bitte lustvoll bleiben und nicht zu Frustrationen führen!
    Wenn ich mal tippen darf, bei King Curtis: einfach weil der Groove, der Beat, der Swing, so gut ist? Gepaart mit dem Ton, den er zu bieten hat? Das ist alles sehr tight, total auf den Punkt, und in der Hinsicht auch das, was ich als wirklich „hip“ empfinde (ich finde auch z.B. Ben Riley auf den – tendentiell – langweiligen Monk-Alben* als super-hip)
    *) die sind ja immer nur aus der Distanz langweilig, oder wenn man sie fälschlicherweise (also dann, wenn’s halt dann doch nicht passt, aber in solchen Fällen wechsle ich nach wenigen Minuten schon die CD) auflegt – wenn man mal aufmerksamer lauscht, ist eigentlich jedes der Columbia-Alben Monks wieder ziemlich toll … alles eine Frage der Dosierung

    Ja, das Stück swingt like hell! Und: die Soli, die da noch oben drauf gesetzt werden, lassen den Swing nicht nur nicht abreißen sondern sorgen für zusätzliche Aufregung. Wenn man genau hinhört, stellt man auch fest, dass das auch alles sehr schön verzahnt ist und der Bass im Hintergrund tolle Sachen macht.

    Die Monk Alben einzeln gehört sind teils sehr gut, auch die einzelnen Stücke sind ja teils sehr gut. Bloß in der Masse werden sie ermüdend, weil es dann irgendwann nur noch mehr desimmer Gleichen ist.

    --

    „Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)
    #10635295  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,007

    2 nachrichten aus der jazz-peripherie:

    – alice coltranes vedantic center in den agoura hills ist den kalifornischen waldbränden zum opfer gefallen (war allerdings schon aufgelöst und von der familie verkauft worden).

    – frances davis, miles‘ erste frau und wahrscheinlich diejenige, die ihn mit spanischer musik vertraut gemacht hat, ist gestorben.

    https://www.youtube.com/watch?v=5XhXuFLZkQg

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    #10635339  | PERMALINK

    soulpope
    "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"

    Registriert seit: 02.12.2013

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    vorgarten2 nachrichten aus der jazz-peripherie:  frances davis, miles‘ erste frau und wahrscheinlich diejenige, die ihn mit spanischer musik vertraut gemacht hat, ist gestorben. https://www.youtube.com/watch?v=5XhXuFLZkQg

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      "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)
    #10635363  | PERMALINK

    kurganrs

    Registriert seit: 25.12.2015

    Beiträge: 8,838

    Immer wieder beeindruckend die Bilder aus alten Zeiten. :good:

    #10635385  | PERMALINK

    soulpope
    "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"

    Registriert seit: 02.12.2013

    Beiträge: 56,397

    kurganrsImmer wieder beeindruckend die Bilder aus alten Zeiten.

    Auch aus dieser Serie ….

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      "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)
    #10635387  | PERMALINK

    kurganrs

    Registriert seit: 25.12.2015

    Beiträge: 8,838

    Toll! Danke. :bye:

    #10684801  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    von Helen Merrill zu Britney Spears in 3 Schritten:



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    #10909397  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Why MLK Believed Jazz Was the Perfect Soundtrack for Civil Rights

    Jazz, King declared, was the ability to take the “hardest realities of life and put them into music, only to come out with some new hope or sense of triumph.”

    By: Ashawnta Jackson
    October 16, 2019

    “God has wrought many things out of oppression,” begins Martin Luther King, Jr.’s essay occasioned by the 1964 Berlin Jazz Festival. “He has endowed his creatures with the capacity to create—and from this capacity has flowed the sweet songs of sorrow and joy.”

    There were names like Miles Davis, Sonny Stitt, and Roland Kirk on the bill. The 1964 festival was the first of the series, and it stood as a celebration of the genre, a recognition of the global impact of jazz. And now a big name was lending his support to the music: civil rights leader Martin Luther King, Jr.

    In a 1962 essay about the birth of bop, Amiri Baraka wrote that “the musicians who played it were loudly outspoken about who they thought they were. ‘If you don’t like it, don’t listen’ was the attitude.” This was exactly the kind of self-assertion that earned them a range of reactions—from distaste to outright violence—in so many aspects of American life. But there on stage there was freedom. Without a doubt, it was a powerful image: Black artists commanding the attention of a roomfull of active listeners.

    The U.S. needed a makeover, to present the nation on a world stage as open and accepting, and who better than jazz musicians? The music was popular, the players even more so. With a push from New York Congressman Adam Clayton Powell, in 1956, President Eisenhower launched the Jazz Ambassadors program through the State Department, with the trumpeter Dizzy Gillespie as its first Ambassador.

    But this move exposed the exact attitudes the program was designed to cover. Louisiana senator Allen J. Ellender said: “To send such jazz as Mr. Gillespie, I can assure you that instead of doing good it will do harm, and the people will really believe we are barbarians.” The White Citizens Council of Alabama, which was, unsurprisingly, the same group behind the attack on Cole, agreed, calling the music a “plot to mongrelize America.”

    Before he was to leave on his tour of several Middle Eastern and Eastern European countries, Washington officials asked Gillespie to come in to be briefed, to make sure he knew what to say when asked about American racism. He refused, saying , “I’ve got three hundred years of briefing. I know what they’ve done to us. If they ask me any questions, I’m gonna answer them as honestly as I can.” This wasn’t about making excuses for America, he said, or about letting himself be used as a prop in an America-produced stage play for race relations. This was about the music for him, and, yes, in some ways, about the image.

    Den ganzen Artikel (inkl. weiterführende Links) gibt es hier:
    https://daily.jstor.org/why-mlk-believed-jazz-was-the-perfect-soundtrack-for-civil-rights/

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