Antwort auf: Karel Gott

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bullitt

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herr-rossiWie kommst Du ausgerechnet auf Karel Gott, bullitt, frühe Prägung? ;) So viele Hits, wie man meinen könnte, hatte er gar nicht und näher am bundesdeutschen Zeitgeist waren doch z. B. Udo Jürgens oder Giorgio Moroder & Michael Holm, als sie noch ein Team waren (…). „Einmal um die ganze Welt“ hat bei mir zugegeben Erinnerungswert, eine der Lieblingssingles meiner Mutter seinerzeit, aber „Babicka“ oder „Eine Liebe …“ fand ich schon als Kind schrecklich.

sparch Verständlich und ging mir schon mal ähnlich. Aber Karel Gott? Da muss die Verzweiflung schon arg groß sein, oder?

@herr-rossi @sparch Verzweifelt, ja. Vielleicht sogar wirklich auch frühe Prägung. So wie mir Lee Majors mir meine Country-Affinität eingepflanzt hat, war Karel Gott natürlich noch früher präsent. Bisher aber ohne nochmal groß in Erscheinung zu treten. So mit 14 habe ich meiner Oma mal eine LP von ihm zum Geburstag geschenkt, die ich bei den 7,49 DM-Auktionen bei DiscCenter geschossen hate. Hatte das war’s. ;)

Aktuell kam ich wie gesagt durch „fest & flauschig“ drauf. Böhmermann und Oli Schulz hatten „Einmal um die ganze Welt“ in ihrer „Die großen 5“ alternativen Nationalhymnen gerankt und auf die Playlist zur Sendung gesetzt.  Da habe ich ihn zunächst unfreiwillig öfter gehört und als normal lästigen Ohrwurm wahrgenommen. Dann fiel mir auf, dass mir bei der algorithmusgesteuerten Dauerberieselung von auf meinen Geschmack angepasster Musik ewig schon kein Song mehr über Tage so im Kopf rumgeisterte. Ich hab mich dem dann einfach mal hingegeben und Gefallen dran gefunden.

Diese naive und entwaffnende High-End-Uncoolness (hey, ein Liebeslied gleichzeigt der Verflossenen und der eigenen Mutti zu widmen, das muss man erst mal bringen) wirkt auf mich paradoxerweise im aktuellen Kontext meiner Hörgewohnheiten subversiver als alles, was ich so aus den letzten 20 Jahren mit mir rumschleppe. Sehe auch an meinem Umfeld, wie alle älter werden und die Musik aus der Jugend weiter abfeiern und es wirkt irgendwie oft alptraumhaft falsch. Alte Bekannte vom Dorf haben da die Häuser ihrer Eltern übernommenen und wanken mit Slayer-Shirt durch die mit Sonderangeboten vom Möbelhaus steril zugepflasterten Wohnlandschaften. Ehemalige Kommilitonen beziehen ihre Passivhäuser in der Vorstadt und labern beim Latte Macchiato aus der La Pavoni Grand Romantica De Luxe vom Öko-Holz ihrer Terrasse und legen Pixies und Oasis auf, während sie auf eine Ladung Kies für den Vorgarten warten.

Vermutlich bin ich keinen Deut besser und versuche mit Karel Gott lediglich die Flucht nach vorn. Wenn schon alt und konservativ, dann wenigstens oldschool und ohne die alten Helden da mit reinzuziehen. Und aktuell ist nun mal nicht viel zu holen. Gibson macht pleite und Aldi verramscht Band-Shirts für 5 €. Gitarrenmusik jeglicher Spielart scheint im Koma zu liegen und Hip Hop befindet sich auch in der letzten Verwurstungsphase, nochmal  für Deppen und Kinder aufgearbeitet. Es wird immer müßiger, noch nach aktuellen Perlen zu tauchen.

Witzigerweiße setzt sich das Thema auch bei Fest und Flauschig fort. Aktuell wurde gestern wieder über das Verschwinden von Subkulturen gesprochen, Rapper Ali As war zu Gast, Oli Schulz gibt zu, Carmen Nebel zu schauen und Redakteurin Su Holder nimmt ernsthaft Roland Kaisers „Blutjunges Blut“ von letzter Woche wegen bedenklicher Lyrics von der Playlist. Schräg, aber offensichtlich bin ich mit meinen Gefühlswirrungen nicht allein. ;-)

@all Danke für die Tipps, werde ich die Tage checken!

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