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gipettoIn puncto „Klangwärme“ mag das Geschriebene zutreffen, in Sachen Bespielbarkeit und Optik ist das Quatsch. Zumal optisch rein gar nichts über eine schöne alte Telecaster geht.
Da stimme ich Dir nicht ganz zu: „Klangwärme“ ist bei einer E-Gitarre letztlich auch eine Frage des verstärkten Sounds. Konstruktionsbedingt klingt eine (aus weichem Mahagoni) gebaute Gibson mit eingeleimten Hals schon tendentiell „wärmer“ oder „weicher“ als eine Fender mit aufgeschraubtem Hals aus hartem Ahorn, die kürzere Mensur der Gibson (=weniger Saitenspannung) trägt auch dazu bei. Letztlich spielt man eine E-Gitarre aber immer über einen Amp – und da entscheidet dann letztlich dessen Sound/Einstellung über das Klangbild. Das akustisch noch „weiche“ Klangbild einer Gibson wandelt sich z.B. bei verzerrten Sounds komplett, hier sorgen dann die clean noch als „warm“ empfundenen Mitten im Klangbild für die Aggressivität im Sound, die Gibson-artige Gitarren zur bevorzugten Wahl der Hardrock-/Metal-Gitarristen der 70er und frühen 80er hat werden lassen. Während eine clean noch so bissig klingende „Vintage“-Strat bei viel Zerre schnell „matscht“, also plötzlich „weicher“ klingt als eine Gibson.
Der „Mythos“ von der guten Bespielbarkeit einer Gibson kommt auch nicht von ungefähr: Die Gibson hatten seit jeher einen flacheren Griffbrettradius als die Fender-Modell, wodurch sich die Saiten leichter benden lassen. Auch ließ sich bei einer Gibson die Saitenlage flacher einstellen, und die Bünde waren i.d.R. höher – womit sich die Saiten leichter runterdrücken lassen. Die kürzere Mensur trägt auch dazu bei, dass sich eine Gibson „leichter“ bespielen lässt.
Zum „Mythos“ vom „Kampf mit der Strat kommt sicher auch, dass die Gitarristen in den 60er/70ern deutlich dickere Saiten spielten. Dünne, haltbare, stimmfeste Saiten gab es damals nicht. Und das unnachgiebige Spielgefühl dicker Saiten potentiert sich auf einer Strat nochmal durch den mensurbedingte höhere Saitenzug bei der Fender.
Heute hat sich das relativiert, weil es auch Fender(-artige)-Gitarren mit flacheren Griffbrettradien und höheren Bünden gibt, die dann der Bespielbarkeit einer Gibson-artigen Konstruktion nicht nachstehen. Aber die Tendenz ist schon nachvollziehbar. Letztlich ist das aber – wie die Optik – eine Geschmacksfrage. Ich mag sowohl Gibson als auch Fender und empfinde sie im Vergleich als „anders“ aber sicher nicht als „besser“ oder „schlechter“. Jede hat ihre Vorzüge, kommt halt darauf an, was man damit machen will.
Fakt ist meiner Meinung nach aber: Eine Les Paul oder 335 ist (war …) im Vergleich zu einer Strat oder Tele (damals) die deutlich aufwändiger gebaute Gitarre. Leo Fenders Idee, die zum Konzept der Tele und Strat führte war ja, eine möglichst kostengünstig, industriell, von angelernten (mexikanischen) Hilfskräften statt Gitarrenbauern herzustellendes Instrument. Das daraus auch klanglich ein „Industriestandard“ werden würde, war nicht unbedingt abzusehen. Der typische (auch von mir geliebte) Fender-Sound ist kurioserweise das Produkt von Sparmaßnahmen gegenüber den klassisch-handwerklich gebauten damaligen Gibson-Gitarren.
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