Antwort auf: Gitarrenkauf

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We Shall Overcome

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Bernd Peters in der „Badischen Zeitung“:

Es lag ja in der Luft. Lange schon. Es kamen zuletzt gehäuft komisch aussehende, viel zu teure Gitarren auf den Markt. In zu bunten Farben und mit technischem Schnickschnack. Geholfen hat es nichts: Als der US-amerikanische Gitarrenhersteller Gibson vor drei Jahren beispielsweise massenhaft automatische Stimmgeräte in seine elektrischen Gitarren einbaute, rümpfte die Musikszene quasi durchgehend die Nase. Und so kommt es nun, wie es kommen musste: Gibson ist zahlungsunfähig. Das Unternehmen, das 1936 mit dem Modell ES 150 (ES steht für „Electric Spanish“, eine Stromgitarre in klassischer Form also) die erste serienreife E-Gitarre auf den Markt gebracht hat, ist am Boden. Selbst schuld, sagen die Kenner der Materie, was haben die Amerikaner sich auch mit Firlefanz wie Kopfhörer oder DJ-Zubehör von Philips beschäftigt, anstatt sich aufs Kerngeschäft zu konzentrieren. Das mag ja alles stimmen, hält man da als Musiker entgegen, aber es beantwortet nicht die Frage, wie man als Gitarrist überhaupt weiterleben soll ohne die Gitarren aus Nashville, Tennessee?
Man stelle sich das einmal vor: Peter Green hätte seinen süß klingenden Blues bei Fleetwood Mac damals in den Sechzigern auf einer (damals freilich noch nicht gebauten) rosa glänzenden, in Japan produzierten Ibanez spielen müssen statt auf seiner Les Paul Gold Top? Oder Angus Young von AC/DC hätte für seine rotznasigen Soli keine schmutzig-braune SG, sondern eine technisch hochgerüstete Klampfe von Paul Reed Smith zur Hand gehabt? Oder Eric Clapton hätte bei Cream vor 50 Jahren nicht seine knallrote ES 335 gespielt, sondern einfach was anderes? Wie hätte das denn ausgehen? Und wie hätte es geklungen?

Gitarren von Gibson haben die Geschichte der Rockmusik so geprägt wie kaum ein anderes Instrument, außer den ebenfalls aus den USA stammenden Tele- und Stratocaster-Gitarren von Leo Fender. Wobei eine „Paula“, wie das nach dem Jazzer Les Paul benannte, seit 1952 verkaufte Flaggschiff des Herstellers liebevoll genannt wird, den Fender-Modellen immer ein gewisses Plus in Sachen Spielbarkeit und Wärme des Klangs voraus hatte. Viele Rockgitarristen mögen das: Auf einer Fender, so heißt es, musst du um jeden Ton kämpfen. Eine Les Paul klingt schon vom Hinschauen gut. Weshalb zum Beispiel Gitarren-Gott Slash von Guns N’ Roses ein typischer Les-Paul-Spieler ist: Die Gitarre lässt ihm einfach mehr Zeit für Kippen, Kaltgetränke und einen äußerst lässigen Bühnenauftritt.
Und jetzt soll das alles vorbei sein? Nie und nimmer, bitte. Im Radio haben sie gestern schon gesagt, dass sicher irgendwer Gibson kaufen und am Markt halten wird. Vielleicht ein Japaner, ein Indonesier oder ein Chinese. Die bauen ja heute schon die preiswerten, aber hochwertigen Instrumente des Gibson-Ablegers Epiphone und nahezu sämtliche anderen Gitarren, die wie eine Gibson aussehen, manchmal besser klingen, aber zig andere Namen tragen, die allesamt total uncool sind im Vergleich zum Original. Vielleicht schlägt ja auch Donald Trump zu, der mag amerikanische Produkte ja ganz besonders: Zuerst kämen die Sondermodelle Melania, Ivanka und Stormy in die Läden. „Make Gibson Great Again“, würde das dann heißen. Das würde einschlagen, wetten? Und Trump könnte von sich sagen, wenigstens einmal in seinem Leben etwas Vernünftiges gemacht zu haben.

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...draw conclusions on the wall...