Antwort auf: Die wunderbare Welt der Oper

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Maurice Ravel: L’Heure espagnole / L’Enfant et les sortilèges
Zürich, Opernhaus – 26.01.2018

 
Musikalische Leitung Pavel Baleff
Inszenierung Jan Eßinger
Bühnenbild Sonja Füsti
Kostüme Jeannette Seiler
Lichtgestaltung Hans-Rudolf Kunz
Choreinstudierung Ernst Raffelsberger
Dramaturgie Kathrin Brunner
 
L’Heure espagnole

Conception Paula Murrihy
Gonzalve Frédéric Antoun
Torquemada Spencer Lang
Ramiro Andrei Bondarenko
Don Inigo Gomez Michael Hauenstein
 
L’Enfant et les sortilèges

L’Enfant Deniz Uzun
Maman Paula Murrihy
La Bergère / La Chouette / La Chauve-Souris / Une Pastourelle Hamida Kristoffersen
Le Feu / La Princesse / Le Rossignol Sen Guo
La Tasse Chinoise / La Libellule Irène Friedli
La Chatte / L’Ecureuil / Un Pâtre Gemma Ni Bhriain
L’Horloge / Le Chat Dmytro Kalmuchyn
Le Petit Vieillard / La Rainette François Piolino
La Théière Spencer Lang
Le Fauteuil / L’Arbre Ildo Song
 
Musikkollegium Winterthur
SoprAlti der Oper Zürich
Zusatzchor der Oper Zürich
Chorzuzüger
 
Gestern Abend in der leider halbleeren Oper (trotz Opernhaustag, was heisst am Spieltag kriegt man alle noch verfügbaren Karten zum halben Preis) – ein sehr schöner und äusserst kurzweiliger Abend. Es handelt sich wie bei der Haydn-Oper, die ich letzte Saison sah, um die ursprünglich in der Vorsaison in Winterthur mit dem Musikkollegium aufgeführte Produktion, die dann – mit anderer Besetzung aber weiterhin mit dem Musikkollegium im Orchestergraben – in Zürich wieder aufgenommen wird. Bei Haydn hatte ich ein wenig die Balance zwischen Orchester (zu laut/deckend) und den Stimmen bemängelt, dieses Problem trat zu Beginn von „L’Enfant“ auch kurz auf, aber auch da fanden sich alle nach wenigen Minuten.

Pavel Baleff stand schon bei der Aufführung in der letzten Saison in Winterthur am Pult – die NZZ berichtete:
https://www.nzz.ch/feuilleton/ravels-opern-mit-dem-zuercher-opernstudio-das-kind-es-ist-lieb-ld.1292030
Dass ich auch dieses Mal Claire de Sévigné verpasst habe, ist ironisch … inzwischen hat sie die Zürcher Oper bzw. das Opernstudio verlassen – sehr schade (sie kehrt aber in der Saison 2018/19 gemäss ihrer Website zurück, um in der Wiederaufnahme von „Die Entführung aus dem Serail“ wieder die Blonde zu singen – in der Rolle hörte ich sie ja). Aber gut, alles in allem war die Besetzung wohl deutlich überzeugender und verfügte über mehr Erfahrung als die Premierenbesetzung, um die es in der NZZ-Rezension geht. Mit Paula Murrihy (die in „L’Enfant“ die Rolle der Nonnen-Mutter übernahm) war in der spanischen Stunde eine tolle Conception zu hören, die Männer um sie herum überzeugten ebenfalls, allen voran gewiss Bondarenko in der dankbaren Rolle des Ramiro. Was das Füllen der Rollen betrifft hatten aber auch Spencer Lang als gehörnter Ehemann, Frédéric Antoun als impotenter Dichter (Gonzalve) und Michael Hauenstein als impotenter Politiker (Don Inigo Gomez) keine grösseren Schwierigkeiten, die Regie war relativ statisch, aber für mein Empfinden passte alles zusammen und es gab keine Probleme, was Körperlichkeit und Präsenz betraf.

Nach der Pause brauchte ich ein paar Minuten, um mich musikalisch und auch was die Story betraf umzugewöhnen – im ersten Stück war ich von seiner äusserst präzise in Musik gesetzten Sprache und der perfekt abgestimmten Musik schwer beeindruckt, das Orchester lieferte auch eine sehr überzeugende Performance ab. Beide Opern wurden übrigens in Fassungen für Kammerorchester gespielt, die Stunde von Klaus Simon (2013), das Kind von Xaver Paul Thoma (2010) – die Besetzung war aber unwesentlich kleiner als in der Oper üblich (die Bläser waren ausgedünnt, ob das der Grund für den einen oder anderen Patzer der Flöte oder Oboe war, bleibt Spekulation, jedenfalls hatten die einzeln besetzten Stimmen enorm viel zu tun). Die Parabel vom bösen Kind, das den Weg zurück in die Gemeinschaft (der Dinge und Tiere) findet und von dieser auch wieder aufgenommen wird, kam in fast schon surrealistischer Weise daher, die Bühne war toll, die Kostüme fand ich etwas weniger überzeugend aber völlig okay. Das – erwartete, erhoffte – Highlight war Deniz Uzun in der Titelrolle, und sie überzeugte mich einmal mehr (sie hatte ich zuvor als Sonetka in „Lady Macbeth von Mzensk“ und mit russischen sowie georgischen Liedern in der mässig überzeugenden Ballettinszenierung gesehen, die Christian Spuck letzte Saison von „Anna Karenina“ auf die Bühne brachte – beide Male gefiel mir ihre recht dunkel timbrierte Stimme sehr). Uzun war 2015/16 beim Opernstudio in München und gehört seit der letzten Saison zum Ensemble der Oper Zürich, gemäss Website nur für zwei Spielzeiten – ich hoffe doch, dass sie bleiben wird bzw. man sie auch später wieder hören wird. Neben anderen Neuzugängen zum Ensemble (Hamida Kristoffersen, Ildo Song – letzterer war davor ebenfalls von 2015-17 beim Opernstudio, Spencer Lang war dort 2014-16 und wurde danach ins Ensemble aufgenommen, auch er ein toller Sänger) waren auch gestandene Sängerinnen des Ensembles zu hören (Sen Guo seit 2002/03, Irène Friedli gar seit 1994/95), aber auch aktuell zum Opernstudio gehörende (Gemma Ní Bhriain). Dass François Piolino aus Basel stammt, war mir überhaupt nicht bewusst, dass er inzwischen ein gefragter Opernsänger ist ebensowenig – ich kannte ihn nur von Aufnahmen mit William Christies Les Arts Florissants (er singt denselben Part allerdings in der Neueinspielung von „L’Enfant“, die letztes Jahr bei Warner herauskam – und die hier noch ungehört auf dem Stapel liegt).

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