Antwort auf: Jazz-Neuerscheinungen (Neuheiten/Neue Aufnahmen)

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vorgarten

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gypsy-tail-wind
James Blood Ulmer with The Thing – Baby Talk. Live at Molde International Jazz Festival 2015 (Trost, 2017) | Noch eine Neuheit der letzten Monate, die seit ein paar Tagen auch auf dem Stapel lag und wartete … packt mich nicht so sehr wie erhofft, Ulmers Ton ist klasse, aber irgendwie haben sich The Thing bei mir wohl etwas ausgelebt. Live waren sie (am Météo in Mulhouse, 2016 mit Joe McPhee) schon sehr eindrücklich, aber auch da schwang am Ende nicht mehr viel nach. Dieser leicht brutalistische und irgendwie recht hedonistische 90er-Jazz scheint bei mir sein Ablaufdatum überschritten zu haben – aber Ulmer, das ist eh längst geplant, muss ich endlich mal etwas intensiver nachsteigen!

das höre ich ein bisschen anders. was auch immer die „methode the thing“ ist (brutalistisch und hedonistisch, ja, das kommt schon hin), nehme ich sie ziemlich ernst in ihrer fortschreibung der colemanschen harmolodics, überhaupt in ihren erkundungen des ornette-kosmos, in dem sich ja ansonsten nicht mehr allzu viele seit seinem tod bewegen. dass das hier auf james blood ulmer trifft, finde ich in beide richtungen interessant: wahrscheinlich ist er ihnen unter allen coleman-mitstreitern am nächsten, sein „baby talk“ gehört ja sowieso zu ihrem standardrepertoire, das musste alles irgendwann mal zum original führen. auf der anderen seite machen the thing etwas, was wiederum ulmer in seinen bands immer gesucht hat – die gelöste, angepunkte rhythmusmaschine als eigenständige schicht, in die er sich aber trotzdem unnachahmlich einzufügen versteht, andererseits den krawallig zu füllenden solistischen freiraum (bei ihm: für murray, blythe, sanders, bluiett oder zorn), der für gustafson natürlich wie gemacht ist.

da trifft sich also, was meiner ansicht nach zusammen gehört. das kann aber gerade deswegen auch schief gehen. tut es aber meiner ansicht nach nicht, im gegenteil, ich habe ulmer lange nicht mehr so inspiriert gehört. wie ich mich überhaupt freue, dass es mal wieder eine adäquate bühne für sein immer noch unvergleichbares spiel bietet. einziger wehrmutstropfen für mich: unter 30 minuten.

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