Antwort auf: Jazz-Neuerscheinungen (Neuheiten/Neue Aufnahmen)

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gypsy-tail-wind
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James Blood Ulmer with The Thing – Baby Talk. Live at Molde International Jazz Festival 2015 (Trost, 2017) | Noch eine Neuheit der letzten Monate, die seit ein paar Tagen auch auf dem Stapel lag und wartete … packt mich nicht so sehr wie erhofft, Ulmers Ton ist klasse, aber irgendwie haben sich The Thing bei mir wohl etwas ausgelebt. Live waren sie (am Météo in Mulhouse, 2016 mit Joe McPhee) schon sehr eindrücklich, aber auch da schwang am Ende nicht mehr viel nach. Dieser leicht brutalistische und irgendwie recht hedonistische 90er-Jazz scheint bei mir sein Ablaufdatum überschritten zu haben – aber Ulmer, das ist eh längst geplant, muss ich endlich mal etwas intensiver nachsteigen!
 

Daunik Lazro/Jean-Luc Cappozzo/Didier Lasserre – Garden(s) (Ayler, 2017) | Aufgenommen wurde das Trio mit Cappozzo (Trompete & Flügelhorn), Lazro (Bariton- und Tenorsaxophon) sowie Lasserre (Drums) im Juni 2016 in der Cappozzone in Luzillé, Frankreich – ich nehme an, das ist bei Cappozzo daheim … Los geht es mit „Sophisticated Lady“, es folgen Stücke von Cappozzo, Coltrane (Lonnie’s Lament), Ayler (Angels) und nochmal Ellington zum Ausklang (Hop Head), dazwischen „Garden“ Nummer 1 bis 3, freie Improvisationen des Trios. Das alles fliesst sehr schön zusammen und es entsteht im Verlauf des Albums ein Ganzes, das mal spielerisch verschmitzt, mal laut scheppernd, dann wieder konzentriert und reduziert daherkommt. Lazro ist vor allem am Barisax klasse. Cappozzo sollte längst ein Musiker sein, den man nicht mehr vorzustellen braucht – leider scheint mir das ganz und gar nicht der Fall zu sein … sein Ton gefällt mir sehr gut, er hat oft etwas Spielerisches aber auch den nötigen Ernst, um eine Messagen herüberzubringen. Lassere wiederum schafft es, quasi im Alleingang als Rhythmusgruppe zu fungieren, was schon ziemlich toll ist.
 

Hans Hassler – wie die zeit hinter mir her (Intakt, 2017) | Als letzte CD heute noch das zweite Solo- und dritte Intakt-Album des Akkordeonisten Hans Hassler – er steht völlig quer in der Landschaft, spielt Volksmusik und improvisierte Musik, „zelebriert“, wie Bert Noglik in den Liner Notes schreibt, „die Kunst des Solospiels in Echtzeit“. Kauzig ist das, klein und gross, beiläufig und kunstvoll. Und immer ist da eine Irritation, die wohl zu tun hat mit der – wieder Noglik, auch bei ihm in Anführungszeichen – „Ursprünglichkeit“, die man eher zu hören annimmt als wirklich zu hören kriegt – denn Hassler scheint immer schon einen Schritt weiter zu sein als der Hörer, Grenzen gibt es keine, sein Blick geht auf die Welt und seine Musik fand und findet Platz in den unterschiedlichsten Kontexten – und das wirkt auch zurück, wenn er ganz alleine spielt. Wunderbar jedenfalls, gar keine Frage!

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba